Hamburg. Das HSV-Idol sieht die Partie gegen Hertha BSC als eminent wichtig für den Klassenerhalt. Rafael van der Vaart trainierte in der A-Elf.
Das Internet ist als Informations- und Stimmungsmedium ja inzwischen ein fester Bestandteil der Fankultur rund um Profifußballclubs. HSV-Anhänger beispielsweise tauschen sich mit ihren Kommentaren intensiv im Abendblatt-Blog „Matz ab“ aus, über Twitter kommen schnelle Kurznachrichten rein, und der HSV hat eine ausführliche Webseite mit Informationen. Wer aber quasi sofort und mit nur einem Klick wissen möchte, wie es sportlich um das Bundesliga-Gründungsmitglied steht, der muss die Internetadresse machtuweseelersichsorgenumdenhsv.de aufrufen.
Doch, die Lage ist schon wieder ernst im Abstiegskampf. Zwei Punkte sind es nur bis Relegationsplatz 16, drei Zähler zum 17. SC Freiburg. Fünf Spiele hat das Team in Folge nicht gewonnen. „Man kann nur die Daumen drücken und hoffen, dass wir nicht wieder so in Gefahr geraten wie letztes Jahr“, sagte HSV-Idol Uwe Seeler dem Abendblatt, „aber es wird wieder verdammt schwer.“
Traurige Bestätigung
Der 78-Jährige besucht immer noch jedes Heimspiel seines Vereins. Er hält sich mit öffentlicher Kritik jedoch zurück, um nicht noch mehr Unruhe in Club und Mannschaft zu tragen. Dass er sich aber tatsächlich Sorgen um die sportliche Zukunft macht, ist nicht nur eine viel zitierte Floskel. „Ich habe schon vor der Saison damit gerechnet, dass es auch in diesem Jahr wieder schwer wird“, sagt er und fühlt sich nun traurig bestätigt. Zu den Gründen aber möchte er dezidiert keine Stellung nehmen: „Da muss man die sportliche Leitung fragen.“
Diese Zurückhaltung ehrt ihn. Jetzt weiteres Öl ins Feuer zu gießen ist sicherlich nicht wirklich hilfreich. Den größten Torjäger in der HSV-Geschichte gruselt es allerdings, wenn er die erfolglosen Bemühungen seiner Nachfolger im gegnerischen Strafraum ansehen muss. 14-mal blieb das Team ohne einen eigenen Treffer, damit ist jetzt bereits der Negativrekord aus der Saison 1991/92 eingestellt. Und 16 Tore in 25 Spielen sind ebenfalls ein noch nie dagewesenes Armutszeugnis der Offensivschwäche.
Zinnbauer stürzt sich ins Getümmel
Seeler hat in der Bundesliga in 239 Spielen 137 Tore erzielt, das sind im Durchschnitt 0,57 Treffer pro Partie. Und die HSV-Mannschaft, in der er bis 1972 gespielt hat, war auch kein nationales Spitzenteam, das ihm die Chancen reihenweise aufgelegt hätte. „Ich hoffe sehr, dass es jetzt vorne bald einmal zu einer Explosion kommt“, sagt Seeler und fordert mehr Mut im Spiel nach vorne: „Es muss mehr Schwung und Druck aus dem Mittelfeld nach vorne kommen, sonst kann man keine Tore schießen.“
Ivica Olic sollte das Problem eigentlich lösen, doch der in der Winterpause für 1,5 Millionen Euro aus Wolfsburg geholte Angreifer war in sieben Einsätzen auch erfolglos. „Ich bekomme so gut wie keine Torchancen“, klagte er in der „Morgenpost“, „beim HSV passiert im Spiel nach vorne einfach zu wenig.“ Trainer Joe Zinnbauer denkt deshalb offenbar vor dem so wichtigen „Überholspiel“ am Freitag (20.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de) gegen das nur einen Punkt bessere Hertha BSC wieder um.
Mehr auf Angriff spielen
Im Training am Dienstag jedenfalls durfte der zuletzt aussortierte Rafael van der Vaart wieder in der A-Elf mitmischen. Zu Beginn der Einheit kickte sogar Rekonvaleszent Lewis Holtby in der ersten Formation. Der gesperrte Petr Jiracek fand sich stattdessen in der B-Mannschaft mit den blauen Leibchen wieder. Offenbar will Zinnbauer in dem Heimspiel gegen die Hertha selbst verstärkt Druck auszuüben und mehr auf Angriff spielen, ganz wie es Seeler fordert. Zuletzt hatte der HSV-Coach auch in den Heimspielen gegen die spielerisch besseren Mannschaften aus Mönchengladbach und Dortmund die Defensive verstärkt und damit immerhin zwei Punkte gewonnen.
Am Dienstag mischten auch die zuletzt verletzten und erkrankten Pierre-Michel Lasogga, Johan Djourou und Maximilian Beister im Training wieder mit. Beister musste die Einheit mit Rückenproblemen allerdings vorzeitig abbrechen. Heiko Westermann, Slobodan Rajkovic und Valon Behrami absolvierten individuelle Einheiten, die Chance, dass sie bis Freitag fit werden, besteht. Zahlreiche Spieler besorgten sich am Montagabend übrigens beim Besuch des Queen-Musicals etwas Ablenkung vom Abstiegskampfstress. Der Titel des Stückes könnte auch als passendes Motto für das Hertha-Spiel gelten: „We will Rock You“.
Wie wichtig ein Erfolgserlebnis vor der zweiwöchigen Länderspielpause gegen die Berliner nun ist, zeigt auch ein Blick auf die nächsten Aufgaben. Am 4. April geht es nach Leverkusen, dann kommt der VfL Wolfsburg, dann reist die Mannschaft nach Bremen bevor der FC Augsburg im Volkspark aufläuft, gegen den der HSV noch nie ein Heimspiel gewinnen konnte. „Das Spiel zu Hause gegen Hertha muss man fast als Endspiel sehen“, sagt Uwe Seeler deshalb, „wir müssen die Punkte auf jeden Fall einfahren.“ Dennoch geht Hamburgs Ehrenbürger davon aus, „dass es wieder bis zum Schluss eine harte Sache wird“.
Und wie lautet nun die Antwort, wenn man im Internet machtuweseelersichsorgenumdenhsv.de anklickt? Natürlich „Ja.“