Hamburg. Der HSV-Sportdirektor spricht vor dem Duell gegen seinen Ex-Club Hoffenheim über Trainercoaching, Zinnbauer, Gisdol, Kühne und Hopp.

Als Witzeerzähler ist der gebürtige Westfale Bernhard Peters der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt. Dass der HSV-Sportdirektor, der bis Sommer in Hoffenheim unter Vertrag stand, aber durchaus Sinn für Humor hat, zeigt der Comic an seiner Bürotür. Da unterhalten sich zwei Kinder. Sagt das eine: „Mama und Papa sind in einem Zeugenschutzprogramm! Deshalb müssen wir jetzt an einen Ort ziehen, wo niemand leben möchte.“ Fragt das andere: „Hoffenheim??“

Hamburger Abendblatt: Herr Peters, sind Sie ein Besserwisser?

Bernhard Peters: Ja, klar.

Besserwisser sind nicht gerade beliebt.

Peters: Ich nehme das ganz bewusst in Kauf, kritisch zu wirken und damit als Besserwisser zu gelten. Im Fußball gibt es viele eingefahrene Strukturen. Und da lege ich sehr gern den Finger in die Wunde. Wenn Sie das dann einen Besserwisser nennen, dann legen sie mich gerne in der Schublade ab.

Dann greifen wir noch in eine andere Schublade. Sie gelten als Fußballhirn des HSV. Können Sie sich mit dem rustikalen Fußball des HSV arrangieren?

Peters: Wir sind natürlich noch lange nicht da, wo wir mal hinwollen. Momentan sind wir in einer Situation, wo der Zweck die Mittel heiligt. Das ist aber auch völlig normal. Wir wollen beim HSV langfristig etwas aufbauen – und momentan sind wir eben ganz am Anfang dieser Entwicklung.

Wie soll der HSV-Fußball aussehen?

Peters: Wir wollen eine HSV-Identität mit einer klaren Orientierung schaffen. Unser Ziel muss es sein, dass man eine HSV-Handschrift auf und neben dem Platz erkennt. Das ist eine Frage der internen Leitorientierung, bedarf aber einer ganzen Menge Zeit. Im Dreierteam mit Dietmar Beiersdorfer und Peter Knäbel versuchen wir, gemeinsam diese Vision zu entwickeln. Wir reden hier von einem Fünfjahresplan, der nichts, aber auch gar nichts, mit unserer aktuellen Situation zu tun hat.

In Hoffenheim hatten Sie acht Jahre Zeit. 1899 steht für Spektakelfußball ...

Peters: ... mit derartigen Schlagwörtern kann ich wenig anfangen. Die Entwicklung einer Spielidentität bleibt ein fortlaufender Prozess. Aber ich gebe Ihnen Recht, dass Hoffenheim eine klar formulierte Idee hat. Das hat mit den Personen zu tun, die sich über die Jahre in Hoffenheim entwickeln konnten.

Kann der HSV von Hoffenheim lernen?

Peters: Natürlich. In Hoffenheim ist diese Handschrift, von der ich eingangs sprach, sehr deutlich zu erkennen. Das liegt vor allem daran, dass man dort sehr erfolgreich eigene Trainer aus- und weitergebildet hat. Dabei kann man nicht nur von Hoffenheim lernen. Das gilt auch für Freiburg oder Mainz. Beim HSV gab es in der Vergangenheit viel zu viele Diskontinuitäten. Aber auch das hat sich schon gebessert.

Haben Sie Hoffenheims Trainer Markus Gisdol ähnlich gecoacht wie Sie es nun mit Joe Zinnbauer beim HSV machen?

Peters: Gisdol und Zinnbauer sind sehr starke Persönlichkeiten, beide haben einen unglaublich starken, prägnanten Stil, sind sehr klug und auch ohne Jahrzehnte in der Bundesliga sehr erfahren. Dabei geht es keineswegs darum, ihnen etwas einzuflüstern, sondern ihnen den Spiegel vorzuhalten. Nur so schärft man die Eigenwahrnehmung. Sie sollen ergründen, was das eigene Profil ist. Man kann die Persönlichkeit eines Trainers nicht ändern, darum geht es nicht. Vielmehr sollen Stärken gestärkt werden.

Gemeine Frage: Würden Sie auch Pep Guardiola coachen?

Peters: Wenn Sie gut informiert wären, dann wüsten Sie, dass sich auch Guardiola bereits coachen lässt. Er setzt voll auf Manel Estiarte, einen spanischen Wasserball-Olympiasieger. Er ist Guardiolas Reflektor, sein Spiegel.

Also kann sich jeder coachen lassen?

Peters: Keiner muss, aber jeder kann. Man darf das aber nicht falsch interpretieren. Es werden keine Entscheidungen beeinflusst. Es geht lediglich um einen Austausch. Josef Zinnbauer ist beispielsweise ein sehr autarker Trainer, der seine Rolle extrem gut ausfüllt. Es nötigte mir großen Respekt ab, wie er die schwierige Situation nach der Bayern-Niederlage gemeistert hat.

Was genau hat er gemeistert?

Peters: Josef geht sicher und stabil mit Rückschlägen um und hat auch seine Leistung rund um das Spiel in München selbstkritisch hinterfragt. Klasse! Dass ein Trainer auch mal Fehler in der Aufstellung macht, ist normal. Das ist auch schon Guardiola oder Klopp passiert. Entscheidend ist, wie man mit diesen Fehlern umgeht. Josef hat die richtigen Lehren gezogen.

Aus Ihren acht Jahren in Hoffenheim ist hängen geblieben, dass Sie großen Wert auf die Trainerausbildung gelegt haben. Mittlerweile sind unzählige Trainer aus Hoffenheims Nachwuchs in der ganzen Bundesliga aktiv.

Peters schmunzelt.

Warum schmunzeln Sie?

Peters: Weil ich merke, dass Sie wohl noch nie wirklich in Hoffenheim waren. Von den C- bis zu den A-Junioren sind alle Jugendteams an der Tabellenführung ...

.... wir wollten ein Kompliment machen.

Peters: Na gut. Aber dann vergessen Sie bitte nicht die Infrastruktur, die dort geschaffen wurde. Und was die Trainerqualität betrifft: Natürlich ist es auch beim HSV mein Ziel, eine klare Trainerrahmenkonzeption zu erarbeiten.

Gibt es noch den wöchentlichen Gedankenaustausch mit allen Trainern?

Peters: Wir treffen uns nach wie vor jeden Mittwoch um 12.30 Uhr im Stadion, zudem noch jeden Montag mit den Nachwuchstrainern im Nachwuchsleistungszentrum. Alle vier Wochen bieten wir auch noch Fortbildungen an. Es geht darum, sich auf allen Feldern zu verbessern: Coaching, Mannschaftsbesprechung, Körpersprache, Trainingsinhalte. Aus all dem entwickelt sich irgendwann eine Linie.

Und wie entwickeln Sie eine gemeinsame Linie bei den Talenten?

Peters: Der Übergang aus dem Nachwuchs in den Profibereich ist am schwierigsten. Es ist eine große Herausforderung, dass die Jungs gierig bleiben.

Welche Anreize bieten Sie?

Peters: Hier ist eine kluge Trainingsmethodik gefragt. Die Jungen müssen sich immer wieder im Training messen können. Zudem machen wir mit unseren jungen Perspektivspielern klare Zielvereinbarungen, überprüfen sie in Feedbackgesprächen. Und wir stellen ihnen sämtliche Daten und Bildmaterial zur Verfügung. Persönliche Daten spielen für die heutige Fußballergeneration eine sehr große Rolle.

Haben Sie sich deshalb in Hoffenheim auch für den Footbonaut, ein hochmodernes Trainingsgerät für intensives Einzeltraining, eingesetzt?

Peters: Ja, der Footbonaut objektiviert die Trainingsleistungen wie kein zweites Leistungstool: Ballmitnahme, Ballannahme und Torschuss, man stärkt damit auch die Wahrnehmung.

Eine Anschaffung kostet zwei bis 2,5 Millionen Euro. Hätten Sie den Footbonauten gern in Hamburg?

Peters: Klar. Aber das ist der übernächste Schritt. Bei unserem Campus geht es zunächst mal um andere Dinge wie hochwertige Trainingsplätze. Aber im zweiten oder dritten Bauabschnitt kann der Footbonaut eine Rolle spielen.

Der Footbonaut wurde auch schon mal Klaus-Michael Kühne präsentiert.

Peters: Das stimmt. Und Herr Kühne war begeistert.

In Hoffenheim waren die Wege zum Geld kürzer als in Hamburg, wenn wir an Dietmar Hopp erinnern dürfen.

Peters: So würde ich das nicht bezeichnen. In erster Linie müssen wir durch gute Arbeit überzeugen. Wenn uns das in Hamburg gelingt, dann werden uns mittelfristig sicherlich noch mehr Gönner unterstützen als Herr Kühne oder Alexander Otto. Wir müssen es einfach besser als in der Vergangenheit machen – auch wenn Sie mich dann vielleicht wieder einen Besserwisser nennen.