Hamburg. Vor dem Dortmund-Spiel sprach NRW-Minister Duin über seine HSV-Leidenschaft, Politik im Fußball und die Wirtschaftspolitik des Clubs.

Aufgewachsen ist Garrelt Duin, 46, mitten im Werder-Land in Emden. Doch seit dem ersten Stadionbesuch mit seinem Vater, einem großen Bremen-Fan, hat Duin sein Herz an den HSV verloren. „Werder spielte gegen den HSV – und der HSV hat Gott sei Dank gewonnen“, sagt der gebürtige Ostfriese, der seit 2012 Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk von Nordrhein-Westfalen ist. Vor der Partie seines HSV gegen NRW-Club Borussia Dortmund (Sa., 15.30 Uhr) sprach das Abendblatt mit dem SPD-Wirtschaftspolitiker, der vor einem Jahr ein Kandidat für den HSV-Aufsichtsrat war.

Hamburger Abendblatt : Herr Duin, dürfen Sie sich als NRW-Wirtschaftsminister vor dem Spiel des BVB in Hamburg öffentlich als HSV-Fan outen?

Garrelt Duin: Klar. Ich habe von Anfang an nichts verheimlicht. Gleich nach meiner Vereidigung war die erste Frage eines Journalisten, ob ich Schalker oder Dortmunder sei. Da habe ich dann die Hosen runtergelassen.

Ihre HSV-Leidenschaft wurde auch im Landtag akzeptiert?

Duin : Selbstverständlich. Die Kollegen bemitleiden mich eher, da es in den vergangenen Jahren ja nicht gerade die großen Erfolge zu feiern gab. Als Dortmunder oder Gladbacher kann man da mit breiterer Brust auftreten. Aber beim HSV-Sieg in Dortmund war ich in der Hinrunde auch im Stadion.

Sie waren auch bei Dortmunds 3:0-Derbysieg gegen Schalke. Konnten Sie Erkenntnisse gewinnen, die Trainer Joe Zinnbauer von Nutzen sein könnten?

Duin : Puh! Die Dortmunder können schon Fußball spielen. Anders als gegen die Bayern würde ich versuchen, zunächst mal hinten kompakt zu stehen. An Zinnbauers Stelle würde ich auf Experimente verzichten – und auf Heiko Westermann.

In dieser Woche musste Zinnbauer erstmals aus der Zeitung von Gerüchten über mögliche Nachfolger lesen. Ist Fußball das einzige Geschäft, das noch intriganter als die Politik ist?

Duin : Sicherlich gibt es im Fußball wie in der Politik viele Selbstdarsteller. Als Außenstehender habe ich vor allem das Gefühl, dass im Fußball oft Entscheidungen getroffen werden, die viel weniger nachhaltig als in der Politik sind. Und besonders in Hamburg wurde in den vergangenen Jahren viel zu oft die Strategie gewechselt. In der Politik wird man oft vor Wahlen und nach Umfragen ein wenig hektisch. Im Fußball werden einige nach jedem Spieltag nervös.

Ist der HSV ein besonders politischer Verein?

Duin : In den vergangenen Jahren musste man schon den Eindruck bekommen, dass immer alles Politik beim HSV war. Im Club gab es immer ein Zweiparteiensystem: Man war für oder gegen Bernd Hoffmann (Ex-Vorstandschef, die Red.), für oder gegen Manfred Ertel (Ex-Aufsichtsratschef, die Red.), für oder gegen die Ausgliederung und für oder gegen Klaus-Michael Kühne (HSV-Investor, die Red.). Es war immer eine politische Grundsatzdiskussion, die es in dieser Form in fast keinem anderen Verein gibt oder gab.

Haben Sie das Gefühl, dass sich die politische Großwetterlage im Club seit der Ausgliederung gebessert hat?

Duin : Was die personelle Besetzung angeht, bin ich ganz optimistisch. Angefangen beim HSV-Präsidenten Jens Meier bis zum Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer. Weniger gefällt mir, dass es bei der Suche nach Investoren alles andere als rund läuft. Sich nur auf Herrn Kühne zu verlassen, halte ich für sehr unklug. Niemand weiß doch, wann Herr Kühne mit einigen Bemerkungen wieder mal den ganzen Verein in Schutt und Asche legt. So eine Konstellation gibt es bei keinem anderen Club. Schauen Sie sich doch als Gegenbeispiel Borussia Dortmund an. Dort sind Puma, Evonik und Signal Iduna die strategischen Partner. Glauben Sie im Ernst, dass sich einer der Vorstandsvorsitzenden dieser Unternehmen derart über Dortmund äußert wie es Herr Kühne über den HSV gemacht hat? Diese Herren treten in der Öffentlichkeit doch überhaupt nicht auf – und so muss das auch sein. Der HSV hat es dagegen trotz anderer Ankündigungen noch immer nicht geschafft, neben dem problematischen Kühne auch einen echten strategischen Partner zu gewinnen. Das Einzige, was man geschafft hat, ist, die 75-jährige Partnerschaft mit Holsten zu kündigen. Na, herzlichen Glückwunsch!

Was hält der Wirtschaftsminister grundsätzlich vom Wirtschaften des HSV?

Duin : Ich kenne natürlich nicht alle Details. Aber selbstverständlich hinterlässt es viele Fragezeichen, wenn man beispielsweise Geld von den eigenen Fans für einen Zukunftscampus einsammelt und dieses Geld dann dafür nicht verwendet. Alexander Otto gebührt jedenfalls großer Dank, dass er die Fehler der alten HSV-Führung bereinigt hat. Und in aller Deutlichkeit: Wenn ein Unternehmen in der freien Wirtschaft mit den Geldern einer Anleihe derart umginge, gäbe es sicherlich sehr viel größeren Ärger, als es beim HSV bislang gab.

Der HSV hat Verbindlichkeiten in Höhe von rund 100 Millionen Euro ...

Duin : ... und geht damit einen Weg, der leider auch viel zu oft von der Politik beschritten wird. Aber zumindest die Politik ist lernfähig: Die Bundesregierung hat ja gerade erst eine Schuldenbremse veranlasst. So etwas könnte ich mir auch für den HSV vorstellen. Es gibt ja auch Paradebeispiele aus der Bundesliga – und ich will gar nicht immer nur von Borussia Dortmund sprechen. Ein Beispiel, das jedem HSV-Fan wehtun dürfte: Werder Bremen. Wie der HSV hat auch Werder die Konsolidierung angekündigt. Doch anders als der HSV ist Werder den Weg der Konsolidierung auch kompromisslos gegangen. Langfristig kann es sich gar nicht auszahlen, immer wieder das eine Finanzloch mit dem nächsten zu stopfen. Es ist jedenfalls keine Strategie, immer Herrn Kühne zu fragen, ob er nicht den einen oder anderen Spieler finanzieren kann. Der HSV braucht eine Schuldenbremse.

Kurzfristiger Erfolg wird dadurch nicht gerade einfacher.

Duin : Der HSV muss anfangen, langfristig und nicht nur kurzfristig zu denken. Man braucht eine nachhaltige Strategie, die man konsequent verfolgt. Und die Lösung kann nicht heißen, dass man mit den Rafael van der Vaarts der Welt den nächsten Angriff auf die Champions League startet. Der HSV hat im Sommer die einmalige Chance, sich von mehreren Spielern, die in den vergangenen Jahren unverhältnismäßig gut verdient haben, zu trennen. Diese Chance sollte der Club wahrnehmen.

Ihr Parteifreund Michael Neumann, Hamburgs Senator für Inneres und Sport, ist BVB-Fan. Hat er mehr Ahnung von Politik als vom Fußball?

Duin : Sagen wir mal so: Er ist ein herausragender Senator. Was den Fußball betrifft, da kann er noch dazulernen. Aber ich bin mir sicher, dass sein Herz auch ein bisschen für den HSV schlägt. Vielleicht nicht ganz so sehr wie bei Olaf Scholz. Mit dem habe ich das letzte Saisonspiel gegen Mainz im vergangenen Jahr zusammen gesehen. Und ich kann Ihnen versichern, dass er genauso viele Tode wie ich gestorben ist.

Waren Sie auch bei den Relegationsspielen im Stadion?

Duin : Beim Hinspiel in Hamburg war ich dabei. Da habe ich sogar eine Ausnahmegenehmigung von meiner Chefin bekommen.

Hannelore Kraft hatte Verständnis?

Duin : Großes Verständnis. Sie ist Gladbach-Fan und weiß genau, wie es sich anfühlt, ab Abgrund zu stehen. Aber sie weiß eben auch, wie es ist, wenn man sich aus eigener Kraft wieder hocharbeitet. Und ich hoffe doch sehr, dass mir auch der HSV dieses Gefühl bald mal wieder beschert.