Desaster, Depression, Dauer-Krise: Nach der Rekordniederlage in München versinkt der HSV in Schmach. Spieler und Vereinsspitze sind konsterniert, in sozialen Netzwerken häuft sich die Häme.
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München/Hamburg. Am Tag nach der höchsten Niederlage in der 52 Jahre währenden Bundesliga-Geschichte des Traditionsclubs herrschte beim Hamburger SV immer noch tiefe Betroffenheit. „Die psychische Instabilität der Mannschaft ist wahnsinnig groß“, sagte Sportdirektor Peter Knäbel am Sonntagmorgen am Volkspark.
Noch am Münchner Flughafen habe man zusammengesessen und überlegt, „wie wir mit diesem Systemausfall umgehen“. Nach zuletzt zwei Siegen brach der HSV an seinem Schreckensort Allianz Arena in 90 Minuten völlig auseinander. „8:0 sagt alles“, klagte Trainer Joe Zinnbauer nach der höchsten Niederlage der Hamburger in 52 Bundesligajahren. „Jeder Spieler, jeder Offizielle vom HSV weiß, dass das ein Tag war, der beschämend ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer mit fahlem Gesicht. Die mitgereisten Fans und die daheim bat er um Entschuldigung. Auch Zinnbauer wird den 14. Februar 2015 „mein Leben lang nicht vergessen“.
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Statt wie nach der nicht mehr zu überbieten geglaubten 2:9-Schmach beim Rekordmeister vor zwei Jahren ein Grillfest anzusetzen, ist die HSV-Spitze um Ruhe bempht. Beiersdorfer rief nach der Rekord-Pleite im 1751. Ligaspiel noch vor der Heimreise alle Beteiligten dazu auf, jetzt „nicht die Nerven zu verlieren“, sondern nur Ruhe und Übersicht im Abstiegskampf zu bewahren. „Wir müssen auf der Hut sein. In solchen Situation wird sich dann immer gegenseitig zerpflückt. Das wollen wir nicht tun“, erklärte der Leid gewöhnte HSV-Boss. Die Spieler sollten sich nicht äußern, nur die Offiziellen sprachen in München.
Drobny zu niedergeschlagen für Nachbesprechung
„Man ist enttäuscht, man ist wütend und man schämt sich natürlich“, erklärte Knäbel. „Auch wenn Bayern München nicht unser Gradmesser ist, dürfen solche Sachen nicht passieren“, erklärte Beiersdorfer: „In allen Kriterien des Fußballs waren wir den Bayern sehr stark unterlegen.“ Thomas Müller (2), Arjen Robben (2), Mario Götze (2), Robert Lewandowski und Franck Ribéry durften dem bedauernswerten HSV-Schlussmann Jaroslav Drobny fast ohne Gegenwehr der Hamburger Feldspieler und nach Herzenslust die Bälle ins Netz hauen.
Zinnbauer versammelte seine verprügelten Profis nach dem Schlusspfiff noch auf dem Rasen um sich, aber nicht um noch zusätzlich verbal „draufzuhauen“. Drobny fehlte im Kreis, er war zu deprimiert. „Wer Drobny kennt, weiß, der ist schon bei einem 0:1 stinkig“, sagte Zinnbauer rücksichtsvoll.
Der Trainer selbst hatte mit seiner Aufstellung auch nicht glücklich agiert. Den unerfahrenen Ronny Marcos gegen Bayern-Rakete Robben zu stellen, erwies sich etwa als Eigentor. Aber nicht nur der 21 Jahre alte Verteidiger, der mit einem Handspiel im Strafraum das Debakel einleitete, versagte. Auch Routiniers wie Kapitän Rafael van der Vaart oder Ex-Nationalspieler Heiko Westermann gingen unter. Nur 59 gewonnene Zweikämpfe des HSV wurden gezählt, Minuswert bei einem Bundesligaspiel der laufenden Saison.
Zinnbauer richtete den Blick verzweifelt nach vorne auf das Heimspiel gegen den starken Tabellendritten Borussia Mönchengladbach: „Nächste Woche muss eine Reaktion der Mannschaft kommen.“ Auch Beiersdorfer mahnte: „Wir dürfen nicht stehenbleiben, wir müssen weitergehen, wir müssen uns wieder aufbauen für das nächste Spiel.“ Die Lage ist ja nicht zum ersten Mal kritisch beim HSV.
Beiersdorfer redete fast beschwörend: „Wir müssen zusammenstehen. Wir haben gesagt, dass es ein schwieriger Weg ist. Unsere Pflicht und unsere Aufgabe ist es jetzt, die Nerven zu behalten wie auch in anderen schwierigen Situationen bisher und zu versuchen, die Mannschaft wieder einzustellen auf das nächste Spiel.“ Die einzig positive Nachricht war am Sonntag die Entwarnung bei Ivica Olic, der einen Schlag auf den Rücken bekommen hatte. Auszufallen droht wegen muskulärer Probleme allerdings Marcell Jansen.
Spott über HSV-Niederlage im Internet
In den sozialen Netzwerken ergoss sich noch am Abend des Spiels Spott über die Leistung der Hamburger. So fertigten Nutzer etwa Fotomontagen an, die das Trikot des Bundesliga-Dinosaurier in Anspielung auf das 0:8 mit „After Eight“-Brustwerbung zeigen.
Auch die Medienverantwortlichen des HSV zeigten sich nach Abpfiff am Boden zerstört, versahen ihren vorerst letzten Eintrag zu der historischen Niederlage mit dem Hashtag #schwerverdaulich.
Bayern nur bedingt euphorisch
Die Bayern haben sich für die K.o.-Spiele in der Champions League warmgeschossen. „Das war gut fürs Selbstvertrauen. Wir nehmen uns vor, die Form mit ins Spiel gegen Schachtjor Donezk zu nehmen, auch wenn wir da sicher keine acht Tore schießen werden“, sagte Weltmeister Thomas Müller vor der heiklen Reise des Meisters in die Ukraine.
Müller sprach aber auch kritisch die extreme Schnelllebigkeit des Fußball-Geschäftes an: „In den ersten drei Spielen wurden wir ein wenig hinterfragt. Jetzt will ich nicht, dass wir hochgejubelt werden. Das geht einem zu schnell zwischen Gurkenspieler und Weltklassespieler.“ Robben äußerte sich ähnlich: „Wir müssen nicht übertreiben, dass jetzt alles wieder super ist.“
Fakt ist jedoch: Die Spielfreude ist beim souveränen Tabellenführer pünktlich zum Achtelfinale der Königsklasse zurück. „Wenn du so spielst, macht das natürlich Spaß“, erklärte Bastian Schweinsteiger nach dem vierthöchsten Sieg der Bayern in der Bundesliga.
Zweimal Müller, zweimal Robben, zweimal Mario Götze, dazu je einmal Robert Lewandowski und Rückkehrer Franck Ribéry – alle Offensivstars beteiligten sich am munteren Torreigen. Wenn Robben am Ball war, herrschte beim HSV „Alarmstufe rot“, wie Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge bemerkte. „Unsere Spielweise ist zurück“, erklärte Trainer Pep Guardiola froh. Und das auch noch ohne Xabi Alonso (Oberschenkel-Probleme).
Die Statistik
München: 1 Neuer – 13 Rafinha, 5 Benatia (ab 59. Ribery), 28 Badstuber, 27 Alaba – 31 Schweinsteiger – 10 Robben (ab 71. Pizarro), 25 Thomas Müller (ab 66. Gaudino), 19 Götze, 18 Bernat – 9 Lewandowski. – Trainer: Guardiola
Hamburg: 1 Drobny – 39 Götz, 5 Djourou, 4 Westermann, 31 Marcos (ab 57. Ostrzolek) – 20 Diaz, 23 van der Vaart (ab 57. Jiracek) – 17 Stieber, 7 Jansen – 16 Rudnevs, 8 Olic (ab 24. Müller). – Trainer: Zinnbauer
Schiedsrichter: Michael Weiner (Giesen)
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Müller (21./HE), 2:0 Götze (23.), 3:0 Robben (36.), 4:0 Robben (47.), 5:0 Müller (55.), 6:0 Lewandowski (56.), 7:0 Ribery (69.), 8:0 Götze (88.).
Torschüsse: 25:7
Ecken: 3:0
Ballbesitz: 70:30 %