Der Hafen-Chef, der sich zum Präsidenten des HSV wählen lassen will, lobt den Kühne-Deal und nennt 100.000 Mitglieder als Ziel. Meier ist das letzte fehlende Puzzleteil in der neuen HSV-Struktur.
Hamburg. Diese Einstiegsfrage drängt sich einfach auf: Wie würde der HSV aussehen, wäre der Club ein Schiff? Sofort zeigt es sich, Jens Meiers typisch schelmisches Lächeln: „Auf jeden Fall wäre es blau, weiß und schwarz.“ Und was noch? „Der neue Rumpf steht, aber noch fehlen einige Aufbauten wie der Campus.“ Und das Personal? „Die Kunst auf See ist eine optimale Zusammenarbeit zwischen Führungsmannschaft und Crew. Bringt jeder seine Leistung, ist das Team am Ende stärker als jeder Einzelne.“
Meier sitzt im Al Limone, einem Italiener in Harburg, ein Glas Weißwein zum Feierabend darf es sein. Den Tag hat der Geschäftsführer der Hamburg Port Authority in Brüssel verbracht – Termin bei einer EU-Kommissarin. Im Hafen ist er der Chef von 2000 Mitarbeitern. Läuft alles glatt, ist der 48-Jährige von Sonntag an zusätzlich der – um im Bild zu bleiben – Kapitän von 74.000 HSV-Mitgliedern. Im Saal 2 des CCH stellt sich Meier der Wahl zum Präsidenten des eingetragenen Vereins (e.V.).
Meier, der HSV-Fan. „Solch ein Amt kann man nur übernehmen, wenn man mit dem Herzen dabei ist, sich mit dem Verein identifiziert und von dem, was im Verein geschieht, überzeugt ist. Das trifft auf mich zu“, sagt Meier, der seit seinem vierten Lebensjahr HSV-Spiele besucht. Als ihn der Beirat vor einigen Wochen auf eine mögliche Kandidatur ansprach, sagte er nach Rücksprache mit seiner Frau und einigen Tagen Bedenkzeit zu, weil er überzeugt ist, dass „Zukunft auch Herkunft braucht. Es ist gut, wenn sich Menschen ehrenamtlich einbringen, die nicht überall bei null anfangen müssen.“
Meier ist das letzte fehlende Puzzleteil in der neuen HSV-Struktur und markiert das Ende der Übergangsphase, in der Carl Jarchow Vorstandsmitglied der neu geschaffenen Fußball-AG und Präsident des e.V. in Personalunion war. Gemäß der Satzung steht Meier zugleich ein Sitz im Aufsichtsrat der AG zu, wodurch er das Bindeglied zwischen dem Verein und der ausgegliederten Fußballabteilung ist. Meier, das Gewissen des Vereins.
Noch wichtiger: Da der HSV e.V. immer Mehrheitseigner der AG-Tochter sein wird, kann Meier mit seinen künftigen Präsidiumskollegen Henning Kinkhorst (Vizepräsident) und Dr. Ralph Hartmann (Schatzmeister) in der Gesellschafterversammlung entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der AG nehmen.
Meier, der Gegenspieler? Strebt er am Ende einen Machtwechsel an und will den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Karl Gernandt beerben? Schließlich hat Manfred Ertel, sein früherer Mitstreiter im alten Aufsichtsrat, einen Antrag gestellt, wonach der Präsident zugleich auch den Vorsitz im Kontrollgremium der AG übernehmen solle. Aber nein, dieses Spiel macht Meier nicht mit. „Ich habe klar Stellung bezogen, dass ich das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht anstrebe“, widerspricht er. Und auch den am Donnerstag verkündeten Anteilskauf von Investor Klaus-Michael Kühne sieht er positiv: „Diese Beteiligung ist ein weiterer entscheidender Schritt, um Ruhe in den Verein zu bekommen. Man darf die Hoffnung hegen, dass sich nun weitere Investoren engagieren.“
Auf Gegenwind bei der Versammlung muss sich Meier dennoch einstellen. Dass der HSV-Beirat keine Alternativkandidaten zur Abstimmung bringt, stößt einem Teil der Mitgliedschaft negativ auf, gerade aus dem Kreis derjenigen, die die Initiative HSVPlus unterstützt hatten. Und obwohl Meier als amtierender Aufsichtsratschef den Übergang zur AG gekonnt moderierte, repräsentiert er für einige Mitglieder noch den alten HSV, den man bewusst abgewählt hatte.
Der Blick zurück im Zorn? Das ist nicht Meiers Ansatz. „Noch schwerer als die Zukunft vorherzusagen ist es, die Vergangenheit zu verändern“, lautet eines seiner Leitmotive, deshalb appelliert er: „Keine langen Debatten über die Ausgliederung, keine Rachefeldzüge, kein Nachtreten, sondern nach vorne schauen.“ Wird er gewählt, gelte es, die Probleme zu analysieren, sie zur Herausforderung zu erklären und einer Lösung zuzuführen. „Positiv denken, anpacken und abarbeiten.“ Meier, der Manager. „Ziele des e.V. klar definieren und diese priorisieren, darum geht es, also um die Frage, wohin sich der HSV entwickeln soll.“ Dabei setzt er im Präsidium, darauf legt Meier ausdrücklich Wert, auf Teamarbeit: „Mit Henning Kinkhorst und Dr. Ralph Hartmann hat der Beirat zwei Personen nominiert, die von ihren Kompetenzen her eine ideale Ergänzung darstellen.“
Während Kinkhorst, 44, der Geschäftsführer eines maritimen Beratungsunternehmens, als Zweiter Vorsitzender des Amateurvorstands bestens mit den Sorgen und Nöten der Basis vertraut ist, arbeitet Hartmann als selbstständiger Unternehmer im Bereich Personaldienstleistung und Personalberatung und kommt aus der Abteilung der Fördernden Mitglieder.
Schon vor Amtsbeginn hat Meier registriert, dass in der Basis nach der Strukturreform eine gewisse Unsicherheit darüber vorherrscht, wie es weitergeht. Ein Wirtschaftsplan fürs aktuelle Jahr müsse her, klar, sowie eine mittelfristige Finanzplanung für die kommenden drei bis fünf Jahre, um den Verein auf eine solide Basis zu stellen.
Ein Gießkannen-Prinzip bei den Ausgaben wird es mit ihm allerdings nicht geben: „Man schafft es nie, in allen Sparten gleich gut zu sein.“ Seine Leitfragen: Wo hat man Talente, wie kann man sie fördern, welche finanzielle Ausstattung ist notwendig? Ist das zu leisten? Gerade in Anbetracht der Bewerbung für Olympische Spiele sei es erstrebenswert, nicht nur im Fußball Spitzensport in der Hansestadt voranzutreiben. Die Leichtathletik sei dafür ein gutes Beispiel.
„Ein Ziel des Präsidiums könnte auch sein, die Zahl der Mitglieder auf mehr als 100.000 zu steigern“, nennt er eine weitere Perspektive. Viel bedeutsamer sei für ihn jedoch, das konstruktive Miteinander zwischen Sportlern und Förderern zu forcieren: „Der HSV sollte als Ganzes funktionieren, muss sich gegenseitig befruchten.“
Aufgefallen ist ihm längst auch, dass seit der Ausgliederung die Stimmung eine andere ist: „Mir fehlen die Choreografien. Einen Teil der Familie des e.V. bei ihren Aktivitäten zu unterstützen, verloren gegangene Personen zurückzugewinnen, den Kreis der Verbliebenen neu zu motivieren, auch darin sehe ich eine Aufgabe in Abstimmung mit dem Vorstand der AG.“
Häufig spricht Meier von „Wir“, um deutlich zu machen, dass er die neue Aufgabe nicht als Alleinherrschaft betrachtet: „Der HSV sollte Zeit bekommen, sich auf allen Ebenen einzuspielen. Dabei möchte ich gerne meinen Beitrag leisten.“ Meier, der Teamarbeiter. Das dies keine Floskel ist, zeigt sich schnell, als er von 1995 erzählt, einer schlimmen Erkrankung. „Wenn du nicht weißt, ob du überlebst, läuft das Leben wie ein schneller Film vor dem geistigen Auge ab. Wissen Sie, was man in so einer extremen Phase lernt? Das wirklich Wichtige vom vermeintlich Wichtigen zu trennen. Auf die Aufgabe beim HSV übertragen bedeutet dies, dass es nichts bringt, persönliche Eitelkeiten auszutragen, das Wohl des Vereins muss im Vordergrund stehen.“
Wie er das alles ehrenamtlich schaffen will, obwohl ihm ein hauptamtlicher Geschäftsführer die Tagesarbeit abnehmen wird? Er kramt aus einer Tasche ein Buch hervor, das er gerade liest. „Wenn Grenzen keine sind – Management und Bergsteigen“, von Fredmund Malik, seinem Lehrmeister beim Management Zentrum in St. Gallen. Sich stets zu optimieren, seine Potenziale auszuschöpfen, darum geht es. „Und wer nachhaltig wachsen will, muss Grenzen überwinden“, glaubt Meier. „Die Welt verändert sich immer schneller, auch der Sport in Vereinen. Also musst du in Bewegung bleiben, überlegen: Wo brauchen wir zeitgemäße Angebote für Breitensport?“
Meier, der Grenzgänger. Nur eine Sache scheint unverrückbar: seine Leidenschaft für den TV Fischbek, Abteilung Tischtennis, ein anderes Trikot hat er nie getragen, noch heute ist er für die zweite Mannschaft gemeldet. Gefürchtet sind seine Trickaufschläge – und man darf gespannt darauf sein, ob Meier, um seine Ziele als HSV-Präsident durchzusetzen, auch Kniffe anwenden muss. Dass er sich wegduckt, wenn es kritisch wird, ist kaum vorstellbar. Bei Meier, dem ehrgeizigen Sportler.