Im Mai hat Jaroslav Drobny den HSV in der Relegation gerettet. Und auch in der Hinrunde war er mit 79 Prozent abgewehrten Torschüssen ein wichtiger Leistungsträger. Ebenso sicher war er im Verhindern von Interviews.
Hamburg. Zunächst die Fakten. Name: Jaroslav Drobny. Alter: 35 Jahre. Geburtsort: Pocatky in Tschechien. Beruf: Fußballprofi. Beim HSV seit: 2010. Pflichtspiele im Jahr 2014: 20. Offizielle Interviews im Jahr 2014: null. So weit die bestätigten Tatsachen.
Und nun die unbestätigten Behauptungen. Drobny sei ein Wahnsinnstyp (Ex-Trainer Mirko Slomka), ein echter Spaßvogel (Ex-Torwarttrainer Ronny Teuber), der „unglaubliche Erfahrung und Ruhe“ ausstrahlt (HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer), und der eine „herausragende Hinrunde“ gespielt hat (Trainer Joe Zinnbauer). Für die Redaktion des Abendblatts ist Drobny, und dies ist eine bestätigte Behauptung, vor allem: einer der Menschen 2014.
Tatsächlich gibt es keinen HSV-Profi, der in diesem Jahr derart konstant gute Leistungen auf dem Rasen abgeliefert und sich derart konstant geweigert hat, nach dem Spiel darüber zu reden. Ausgerechnet der 1,92 Meter große Hüne, der Gerüchten zufolge neben Tschechisch auch fließend Deutsch, Englisch und sogar Griechisch spricht, hasst neben Gegentoren eines mehr als alles andere: sprechen. „Ich mag es nicht, zwischen Tür und Angel irgendwelche Fragen gestellt zu bekommen, wenn ich nicht konzentriert bin“, sagte Drobny dem Abendblatt vor anderthalb Jahren in seinem letzten Interview.
Der überzeugte Schweiger, der anderen Gerüchten zufolge im kleinen Kreis ein echter Entertainer sein soll, lässt öffentlich lieber Taten statt Worte sprechen. Mit 79 Prozent abgewehrten Torschüssen ist er nach Gladbachs Yann Sommer (82,2 Prozent) und Manuel Neuer (89,5 Prozent) der drittbeste Bundesliga-Torhüter der Hinrunde. Gerade mal 16 Gegentore kassierte der Keeper in der Hinserie. Dies ist umso bemerkenswerter, weil Drobo, so sein Spitzname, gar nicht als Stammtorhüter für diese Saison vorgesehen war.
Erst nach zwei Spielen und vor allem drei Gegentoren gegen Aufsteiger SC Paderborn entschied Ex-Trainer Slomka, für den formschwachen René Adler den polyglotten Jaroslav Drobny ins Tor zu stellen. Ein Spiel später war Slomka beim HSV schon wieder Geschichte. Drobny aber, der bereits wenige Monate zuvor zum Ende der schlechtesten Saison der HSV-Vereinsgeschichte den Klassenerhalt in der Relegation gegen Fürth fast im Alleingang gesichert hatte, durfte auch unter Nachfolger Josef Zinnbauer im Tor bleiben – bis heute.
Nie den Kopf in den Sand gesteckt
„Nachdem er ins zweite Glied gerutscht war, hat er nie den Kopf in den Sand gesteckt. Er hat immer mit 100-prozentiger Konzentration, Einsatzbereitschaft und Hingabe auf seine sportliche Wiedergeburt hingearbeitet“, sagt Sven Neuhaus, der bis zum Sommer als Nummer drei täglich mit Drobny trainiert hat. Was Neuhaus besonders an seinem früheren Kollegen imponiert: „Drobo kann zwar nicht 300 Meter am Stück joggen, aber im Kraftraum und in der Sauna kann ihm beim HSV keiner das Wasser reichen.“
Auch dies könnte natürlich ein Grund sein, warum sein im Sommer auslaufender Vertrag noch in dieser Winterpause verlängert werden soll. Einen ersten Entwurf hat der Familienvater, der in Othmarschen im gleichen Haus wie Landsmann Petr Jiracek wohnt, längst vorliegen. „Jaroslav hatte es verdient, dass wir mit ihm sprechen“, sagt Profidirektor Peter Knäbel, der den Routinier nach dessen Karriere auch weiterhin an den HSV binden will.
Seine A-Lizenz als Trainer hat Drobny längst absolviert. Einen Job als Torwarttrainer könne er sich später vorstellen, hat er mal gesagt. Doch bevor sich der schweigsame Keeper seiner zweiten Karriere widmet, soll der Kassenwart der Profis weiterhin auch das machen, was ihm momentan noch am meisten Spaß macht: Tore und Interviews verhindern.