Bayers Trainer lobt Hakan Calhanoglu und erinnert noch einmal an die Verdienste seines Spielers für den HSV. Joe Zinnbauer äußert sich zu dem Vorwurf, er habe seinem Kollegen an die Wäsche gehen wollen.

Hamburg. Roger Schmidt kochte vor Wut. „Was auf dem Platz veranstaltet wurde, hatte wenig mit Fußball zu tun“, polterte Bayer Leverkusens Trainer nach der 0:1 (0:1)-Niederlage beim Hamburger SV. Nach 90 Minuten Kampf, einem Spießrutenlauf für Rückkehrer Hakan Calhanoglu und einem lautstarken Wortgefecht der beiden Coaches setzten sich die Scharmützel auch nach Spielende nahtlos fort.

„Ich denke, beide Mannschaften haben sich von der Hektik anstecken lassen“, sagte HSV-Trainer Joe Zinnbauer, der naturgemäß eine völlig andere Sicht auf das harte Spiel hatte: „Der Kollege sagt, dass sie oft durch Fouls unterbrochen wurden. Ich denke, wir auch.“

Den Saisonhöchstwert von neun Gelben Karten stellte Schiedsrichter Florian Meyer in der Partie auf, die durch die Rückkehr Calhanoglus in enorm aufgeheizter Atmosphäre stattfand. Im Sommer war das Mittelfeld-Juwel nach monatelangem Theater für 14,5 Millionen Euro nach Leverkusen gewechselt. In seinem alten „Wohnzimmer“ erwarteten ihn Schmähgesänge und viele harte Zweikämpfe.

Zinnbauer: „Ich wollte nur sprechen“

50 Fouls am Gegenspieler in einem Bundesliga-Spiel hatte es seit zweieinhalb Jahren nicht mehr gegeben. Kurz vor dem Halbzeitpfiff drohte die Situation nach einem harten Einsteigen von Leverkusens Rechtsverteidiger Giulio Donati an Marcell Jansen zu eskalieren. Auf dem Rasen schubsten sich die Profis, und vor den Bänken sagten sich Zinnbauer und Schmidt ein paar „freundliche“ Worte.

„Ich wollte nur sprechen“, berichtete Zinnbauer später: „Es hat vielleicht so ausgesehen, dass ich ihm an die Wäsche wollte, aber das war nicht so“, sagte Zinnbauer zu den Szenen rund um den Pausenpfiff, als er aufgebracht auf Schmidt losstürmte und schließlich vom Mediendirektor des HSV eingebremst wurde. Schmidt sprach nach dem Spiel von einer „Treibjagd“ auf Donati. „Das fand ich nicht in Ordnung und habe es so artikuliert, wie es in solch einer Situation möglich ist“, meinte der 47-Jährige. Mit der Schiedsrichterleistung war er ganz und gar nicht einverstanden.

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Auch Leverkusens Sportchef Rudi Völler, der in der Halbzeitpause aufgebracht Richtung Kabine stapfte, kritisierte Meyer. „Wir hätten uns schon gewünscht, besser geschützt zu werden.“ Bei der spielentscheidenden Szene habe das Gespann eine zumindest unglückliche Figur abgegeben. Meyer hatte vor dem Elfmeterpfiff für den HSV gezögert, sein Assistent signalisierte jedoch Foulspiel an Jansen. Kapitän Raphael van der Vaart verwandelte sicher (26.).

Nach seinem Elfmetertor machte der Niederländer nur allzu gern vor jedem Mikrofon Halt. „Es war nicht nur für mich persönlich eine Befreiung, sondern auch für die ganze Mannschaft. So zu kämpfen war schon geil. Für uns war es wichtig, zu zeigen, dass wir hier die Chefs sind“, sagte der 31-Jährige und hielt den Schienbeinschützer mit dem Namen seines Sohnes Damian hoch.

Von Zinnbauer gab es ein Sonderlob für den Holländer: „Rafa war kämpferisch vorbildlich, spielerisch ist er aber noch nicht bei hundert Prozent.“ Erstmals ließ der Coach mit Raute und van der Vaart zentral neben dem erneut starken Lewis Holtby spielen, bis der alternde Regisseur nach einer Stunde auf die Bank durfte.

„Lewis ist sensationell, was der für Wege geht“, schwärmte Zinnbauer, dessen Bilanz mit acht Punkten aus sieben Spielen allmählich besser aussieht. „Es war wichtig, dieses Herz zu zeigen“, sagte Holtby selbst.

„Die Hütte hat gebrannt, der Rasen hat gebrannt“, fasste Heiko Westermann zusammen. Zinnbauer schaffte es, Leben in die verängstigte und kommunikationsarme Truppe zu bringen. Wie gut das Team unter dem ehemaligen U23-Coach zusammengewachsen ist, hörte man nach Spielende, als aus der HSV-Kabine laute Popmusik dröhnte. Als Belohnung gab Zinnbauer schließlich den Sonntag trainingsfrei.

Schmidt nimmt Calhanoglu in Schutz

Durch den ersten Heimsieg seit 211 Tagen verließen die Hanseaten erstmals seit dem zweiten Spieltag die Abstiegsränge und wähnen sich auf dem richtigen Weg. „Das war schon geil“, meinte van der Vaart, während Jansen klarstellte: „Wenn es Tätlichkeiten gab, dann kamen die von anderer Seite.“

Die Spitzen flogen hin und her, nur einer wollte nichts zu dem Geplänkel beitragen. Hakan Calhanoglu, der nach dem Duell wortlos und mit finsterer Miene zum Mannschaftsbus marschierte. Mindestens zwei Gegenspieler kümmerten sich stets um den Deutsch-Türken, wenn er am Ball war. „Man hat gesehen, was für einen großen Charakter die Mannschaft hat. Wir haben richtig gekämpft und waren sehr heiß. Diese Mentalität brauchen wir in jedem Spiel“, betonte Innenverteidiger Johan Djourou.

Schließlich sprach Bayer-Coach Schmidt, der mit seinem Team am Dienstag in der Champions League bei Zenit St. Petersburg (18.00 Uhr/Sky) schon wieder ran muss, für seinen mundtoten Regisseur Calhanoglu. „Hakan hat das bemerkenswert gemacht, da sollten sich die da draußen mal ein Beispiel dran nehmen“, sagte der Trainer und legte noch einmal nach: „Er kann mit Druck umgehen. Sonst würde der HSV heute vielleicht in der zweiten Liga spielen.“

Jetzt geht es für den Bundesliga-Dino am nächsten Sonntag erst einmal nach Wolfsburg. Hoffnung macht, dass die Hanseaten gegen die starken Teams bisher besser spielen: Sieben Punkte gab es aus den Vergleichen gegen Bayern, Dortmund und Leverkusen. Gegen Teams wie Paderborn und Berlin holte der HSV dagegen nichts. „Wir müssen in Wolfsburg genau da weitermachen, wo wir heute aufgehört haben. Wolfsburg hat eine Top-Mannschaft mit Top-Qualität“, sagte Nicolai Müller. Und der neue Direktor Profifußball, Peter Knäbel, ist gar nicht so pessimistisch: „Zu erleben, wie die Mannschaft gekämpft hat, macht Hunger darauf, genau das zu wiederholen. Das darf der Anspruch der Leute sein. Und das ist auch unser Anspruch.“

Die Statistik

Hamburg: 1 Drobny – 2 Diekmeier, 5 Djourou, 4 Westermann, 22 Ostrzolek – 21 Behrami, 23 van der Vaart (ab 63. Arslan) – 27 Nicolai Müller, 18 Holtby (ab 90. Kacar), 7 Jansen – 10 Lasogga (ab 80. Rudnevs). – Trainer: Zinnbauer

Leverkusen: 1 Leno – 26 Donati, 21 Toprak, 5 Spahic, 18 Wendell – 8 Lars Bender (ab 85. Öztunali), 14 Kyriakos Papadopoulos – 38 Bellarabi, 10 Calhanoglu, 7 Son (ab 70. Brandt) – 11 Kießling (ab 70. Drmic). – Trainer: Schmidt

Schiedsrichter: Florian Meyer (Burgdorf)

Zuschauer: 54.000

Tore: 1:0 van der Vaart (26.)