Der HSV will erstmals seit 1988 im Pokal gegen den FC Bayern München gewinnen. Die heutigen HSV-Funktionäre Dietmar Beiersdorfer und Thomas von Heesen waren auch damals schon dabei.
Hamburg. Nicht mal an das genaue Ergebnis kann sich Dietmar Beiersdorfer heute noch erinnern. „Wie haben wir damals gewonnen? 1:0 oder 2:1?“, fragt der heutige HSV-Chef, der beim letzten DFB-Pokalsieg gegen Bayern München als Vorstopper sogar noch auf dem Platz stand. Das Erstaunliche: Auch Aufsichtsratsvize Thomas von Heesen, damals als linker Mittelfeldspieler auf dem Rasen dabei, kann nicht helfen. „Ich muss gestehen, dass ich überhaupt keine Erinnerung mehr an das Spiel habe“, sagt von Heesen vor der Neuauflage des Nord-Süd-Schlagers an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD, Sky, Liveticker bei abendblatt.de). „Aber wir haben doch gewonnen, oder?“
Sie haben gewonnen. Und wie. 2:1 bezwang der HSV am 9. März 1988 die Bayern. Es war der zweite und bis heute letzte Pokaltriumph der Hamburger gegen die Bayern in mittlerweile immerhin zehn Duellen. „Bravo, HSV!“ titelte das Abendblatt vor 26 Jahren. Helmut Kohl war Bundeskanzler, das Duo Milli Vanilli stürmte mit seinem Song „Girl You Know It’s True“ die Hitparade, und Vokuhila war kein Stilverbrechen, sondern gesellschaftlicher Konsens. Im Fußball gab es noch keine falschen Neuner, dafür aber echte Liberos – und vor allem echte Überraschungen.
„Sicher waren wir schon damals nicht der Favorit“, sagt von Heesen, „aber in einem einzigen Spiel kann man immer auch die Bayern ärgern.“ Manfred Kastl (6.) und Heinz Gründel (45.) schossen damals die Hamburger Tore, Lothar Matthäus (45.) schaffte nur noch den Anschlusstreffer. „Es kann zu einer Überraschung kommen, wenn jeder Einzelne alle seine Möglichkeiten voll ausschöpft“, sagt Beiersdorfer. „Im Punktspiel gegen die Bayern vor wenigen Wochen hat man gesehen, was mit einer Geschlossenheit und kompakten Mannschaftsleistung möglich ist.“
Blöd nur, dass diesmal ein 0:0 nicht reichen würde. „In der Liga hatten wir unseren klaren Fokus auf der Defensive. Die Bayern hatten gefühlte 80 Prozent Ballbesitz, und wir haben uns auf das Kontern beschränkt“, sagt von Heesen. „Das wird so nicht wieder funktionieren. Diesmal brauchen wir Selbstvertrauen, Überzeugung, einen guten Plan – und auch ein bisschen Glück.“
Vor 26 Jahren war offenbar nicht nur das Glück aufseiten der Hamburger. „Was pfeifen Sie sich hier eigentlich zusammen?“, hatte sich der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß schon zur Halbzeit in Richtung von Schiedsrichter Werner Föckler echauffiert, woraufhin HSV-Manager Felix Magath „eine massive Schiedsrichter-Beeinflussung“ beanstandete. Auch ziemlich gewöhnungsbedürftig: Die nächste Pokalrunde wurde bereits zur Halbzeit von HSV-Legende Uwe Seeler ausgelost.
Diesmal warten die Verantwortlichen der ARD immerhin bis zum Schlusspfiff, ehe Horst Hrubesch und Moderatorin Judith Rakers als Glücksfee das Achtelfinale auslosen. „Die Chance, dass wir dann noch dabei sind, ist schon da“, sagt von Heesen, über den das Abendblatt damals urteilte: „Setzte die meisten spielerischen Akzente.“
Wer nun an diesem Abend für den HSV die Akzente setzen soll, bleibt bis zum Anpfiff weiter offen. Auch beim geheimen Abschlusstraining am Dienstagabend wollte sich Cheftrainer Josef Zinnbauer nicht in die Karten schauen lassen, ob er weiter auf Kapitän Rafael van der Vaart oder doch lieber auf Neuzugang Lewis Holtby im zentralen Mittelfeld setzen soll. Hoffnung darf der Coach immerhin wieder haben, dass Mittelfeldchef Valon Behrami doch noch rechtzeitig fit wird. Die muskulären Probleme im Oberschenkel wurden den ganzen Tag lang behandelt, am Nachmittag stand der Schweizer wieder auf dem Platz – bis um 18 Uhr plötzlich die Lichter beim HSV ausgingen. Zinnbauer nahm es mit Humor und beorderte sein Team in die Kabine.
Erneut rotieren dürfte Pep Guardiola, der sich noch nicht festlegen wollte, ob er links auf Franck Ribéry oder auf Mario Götze setzen will. Der Respekt vorm HSV sei aber da. Ob der HSV ein Abstiegskandidat sei, wurde Guardiola kurz vor dem Abflug gefragt: „Unmöglich!“, antwortete der Spanier empört. „Sie spielen mit Herz.“
Das wollen die Hamburger auch an diesem Abend. Zunächst möchte Zinnbauer am Vormittag aber noch einmal ungestört mit seinem Team die mögliche Siegtaktik im Mannschaftshotel besprechen. Das war 1988 noch anders. Damals schlugen beide Mannschaften ihr Quartier im längst abgerissenen Interconti an der Fontenay auf. Diesmal nächtigten die Hamburger im Grand Elysée, die Bayern residieren im Side.
Auch wenn sich die Mannschaften also nicht beim Büfett über den Weg laufen werden, haben sich zumindest die Clubverantwortlichen zum gemeinsamen Mittagessen im Fischereihafen Hamburg verabredet. Ein interessanter Randaspekt: Anders als beim HSV ist von der damaligen Bayern-Mannschaft keiner mehr in verantwortlicher Funktion dabei. Lediglich Hans Pflügler ist noch im Verein tätig. Der damalige Vorstopper verkauft heute Fanartikel.