Kabinengeflüster: Joe Zinnbauer hat seine Psychotricks offenbar bei Jürgen Klinsmann abgeschaut. Das 0:0 gegen Bayern München fühlte sich an wie ein Sieg.

Hamburg. Das „Sommermärchen“ soll er sich vor dem Spiel noch einmal angeschaut haben. Den Film von Sönke Wortmann, der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der WM 2006 zeigt – und einen Trainer Jürgen Klinsmann, der wie ein Psycho-Berserker in der Kabine Michael Ballack, Philipp Lahm und Co. heißmacht. Und daraus hat sich der neue HSV-Trainer Josef, der Joe, Zinnbauer seine Inspiration für den 0:0-Sieg gegen den FC Bayern geholt.

Ein Remis, das sich anfühlt wie ein Sieg. In vielerlei Hinsicht: Ein Punkt gegen die Über-Bayern geholt, kein Tor kassiert, den Mannschaftsgeist zurückgeholt und die Zuschauer zum Tanzen gebracht. Dabei hätten die HSV sogar noch Historisches sehen können. Denn tatsächlich hatten die wiedererstarkten HSV-Profis Chancen für einen Sieg.

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Und Nationaltorwart Manuel Neuer, der allseits beliebte Weltmeister, hätte mit roter Karte vom Platz fliegen können. Nach einem Ausflug bis an die Mittellinie legte er sich den Ball zu weit vor und beging ein absichtliches Handspiel. Dafür sah er nur Gelb. „Ich habe mir den Ball vorgelegt und werde vorher am Fuß getroffen. Dann verliere ich den Ball und mache ein absichtliches Handspiel, das ist mir schon bewusst. Aber im Prinzip hätte man auch vorher abpfeifen können.“

Er gibt es zu, das ehrt Manuel Neuer. Am Ende aber können irgendwie beide mit dem 0:0 leben. Der HSV kann vor dem schweren Spiel in Mönchengladbach am Mittwoch (20 Uhr, live bei Sky und bei abendblatt.de im Liveticker) etwas Hoffnung schöpfen, dass vielleicht doch das erste Saisontor gelingt. So, wie Zinnbauer Pierre-Michel Lasogga anfeuerte, wird der auch wieder treffen.

„Zum ersten Mal seit Ewigkeiten sind wir wieder als Team aufgetreten“, sagte Mannschaftskapitän Heiko Westermann. Und der Abwehrchef dankte seinen Mitspielern für diese lange vermisste Einstellung mit einer Quote von 89 Prozent gewonnener Zweikämpfe.

Zinnbauer, erst seit Mittwoch als Nachfolger von Mirko Slomka installiert, traf anscheinend den richtigen Ton. „Es war sehr laut, und es war sehr emotional“, berichtete Westermanns Nebenmann Johan Djourou aus der Kabine. Auch Lewis Holtby fühlte sich hochmotiviert: „Der Trainer hat uns brennend heißgemacht. Jeder hat für den anderen auf dem Platz geackert.“

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Lob, das den neuen Coach der Norddeutschen fast verlegen machte. „Da bekomme ich ja fast selbst Gänsehaut, wenn die Spieler so etwas sagen“, meinte Zinnbauer, der bei aller Zustimmung auch für seinen Vorgänger ein gutes Wort übrig hatte: „Die Jungs haben viele, viele Meter gemacht. Slomka hat das Team fitnessmäßig in einem Top-Zustand hinterlassen.“

Kondition allein hätte nicht zu einem Remis gegen den Titelverteidiger gereicht, wenn die Gäste nicht „die erste Halbzeit im Tiefschlaf verbracht“ hätten, wie Thomas Müller anmerkte. Und nur zur weiteren Klarstellung ergänzte er: „Diesmal bin ich für Ironie nicht zu haben.“

Trainer Pep Guardiola, der nach dem Seitenwechsel erfolglos eine Offensivkraft nach der anderen einwechselte, bekam einen Vorgeschmack darauf, was ihm, seinem Team, vor allem aber seinen immer noch WM-gezeichneten Stars in den kommenden Wochen und Monaten blühen wird. Bis Weihnachten wird fast durchgehend alle drei bis vier Tage gespielt, eine echte Herausforderung für den FC Bayern.

„Alle sind doch davon ausgegangen, dass wir verlieren“, sagte Mittelfeldspieler Nicolai Müller. „Wir haben uns diesen Punkt redlich verdient. Jeder gibt für jeden Gas.“ Zumindest den letzten Tabellenplatz haben die Hamburger verlassen und an den VfB Stuttgart weitergereicht.

Statistik:

Hamburg: Drobny – Diekmeier, Djourou, Westermann, Ostrzolek – Behrami, Arslan (67. Jiracek) – Nicolai Müller (87. Steinmann), Holtby, Stieber – Lasogga (76. Green). – Trainer: Zinnbauer

München: Neuer – Rafinha (61. Götze), Jerome Boateng, Dante, Bernat – Lahm, Hojbjerg (53. Alonso) – Shaqiri (66. Lewandowski), Thomas Müller, Alaba – Pizarro. – Trainer: Guardiola

Schiedsrichter: Christian Dingert (Lebecksmühle)

Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Westermann, Behrami – Rafinha, Shaqiri

Gelbe Karten: Arslan, Nicolai Müller, Behrami – Hojbjerg, Neuer

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 4:15

Ecken: 3:9

Ballbesitz: 32:68 %