Der Ex-HSV-Trainer rät dem aktuellen Chefcoach, an seiner Art festzuhalten und dem Team Selbstvertrauen zu geben. Zudem traut Doll dem HSV zu, künftig wieder eine akzeptable Rolle in der Bundesliga zu spielen.
Hamburg. Viel zu verlieren hat Joe Zinnbauer bei seinem Debüt nicht. Setzt es für den neuen HSV-Trainer und seine Mannschaft gegen den FC Bayern München am Sonnabend (15.30 Uhr, Imtech Arena) eine Niederlage, die im Rahmen bleibt, bei der sich das Team aber ordentlich präsentiert, wird ihn niemand kritisieren. Und bei einem überraschenden Punktgewinn oder gar einem Sieg liegt dem Fußballlehrer vermutlich die halbe Stadt zu Füßen.
Der deutsche Rekordmeister hat sich trotz seiner vielen WM-Spieler mit Extraurlaub offenbar schnell wieder seiner Topform angenähert. „Ich habe das Spiel gegen Manchester City gesehen, die Bayern sind zweifelsfrei auf einem guten Weg, wir der klare Außenseiter“, sagte Heiko Westermann. Auch der Sportwettenanbieter bwin misst dem Trainerwechsel nicht allzu viel Bedeutung bei, zahlt für einen HSV-Sieg bei zehn Euro Einsatz 92,50 Euro aus.
Zumindest kurzfristig hat sich ein Trainerwechsel für den Verein schon des Öfteren ausgezahlt. Zinnbauers Vorgänger Mirko Slomka (siehe auch Spalte links) gewann im Februar sein erstes Spiel gegen Borussia Dortmund 3:0, die Interimstrainer Rodolfo Cardoso (2:1 in Stuttgart) und Frank Arnesen (2:1 in Freiburg) siegten zum Auftakt, Thorsten Fink blieb sogar die ersten acht Spiele mit dem HSV ungeschlagen.
Zinnbauers Debütaufgabe ist allerdings die denkbar schwerste. Sein Vorteil: Er kennt die Mannschaft als Vereinsinterner gut, hat alle bisherigen Partien entweder vor Ort oder im Fernsehen live verfolgt. Der 44-Jährige ist auch nicht der erste Coach beim HSV, der den Sprung von den Amateuren zu den Profis versucht. Bereits sechs Trainer vor ihm wurden beim Bundesliga-Dino befördert: Arkoc Özcan, Aleksandar Ristic, Gerd-Volker Schock, Benno Möhlmann, Felix Magath, Thomas Doll.
„Das war aufregend“
Letzterer kam im Oktober 2004 in einer ähnlichen Situation wie Zinnbauer heute zu Bundesligaehren. Der HSV war nach einer 0:2-Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld Letzter, die HSV-Oberen um Sportchef Dietmar Beiersdorfer berieten sich. Am selben Abend bekam Doll einen Anruf von Beiersdorfer, dass Trainer Klaus Toppmöller entlassen werde. „Das war aufregend“, erinnert sich der 48-Jährige, der heute erfolgreich beim ungarischen Erstligisten Ferencvaros Budapest arbeitet.
Denn seine erste Aufgabe hatte es in sich – es stand das Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund an. Mit neuem Elan siegte der HSV mit 2:0 und wurde am Saisonende noch Achter. „Am wichtigsten war, alles so beizubehalten, wie ich es bei den Amateuren gemacht hatte: Trainingsinhalte, Ansprache, Lockerheit. Für Joe wird sich nicht so viel ändern, vom Medienrummel mal abgesehen“, prophezeit Doll, der nicht glaubt, dass es für Zinnbauer schwer wird, sich den nötigen Respekt zu verschaffen. „Es spielt keine Rolle, dass er es als aktiver Spieler bloß zum Zweitligaprofi gebracht hat. Wichtig ist, ob du fundiertes Wissen vermitteln kannst und wie du mit den Spielern umgehst. Die kennen das Gefühl eines Sieges nicht mehr, da musst du Aufbauarbeit leisten.“
Dolls Erfolgsrezept hatte aber noch andere Zutaten: So habe er mutig und offensiv auftreten wollen, die Raute als Spielsystem eingeführt und die Profis auf den Positionen eingesetzt, auf denen sie sich am wohlsten gefühlt hätten. Und genauso wie auch Zinnbauer angekündigt hat, seine U23-Spieler verstärkt einzubeziehen, die am Donnerstagabend ihre Tabellenführung in der Regionalliga Nord mit einem 4:1 bei Eintracht Braunschweig II und dem neunten Sieg im neunten Spiel auch ohne Zinnbauer ausbauten, warf Doll mit René Klingbeil eines seiner Talente bei den Profis ins kalte Wasser. „Ich brauchte Spieler, die die Ärmel hochkrempeln und ihre Aufgabe erfüllen. Wir hatten in der Viererkette ein Zweikampfproblem, und René hat zur Lösung dieses Problems viel beigetragen.“
Welch Parallele, denn auch der Abwehrverbund des Jahres 2014 ist alles andere als sattelfest. Noch vertraut Zinnbauer wohl auf seine Profis, übte mit ihnen auch am zweiten Trainingstag viele taktische Verhaltensweisen. „Joe steht für Ordnung und Disziplin, er bringt die Dinge bei seinen Ansprachen auf den Punkt. Am wichtigsten ist aber, dass wir kompakt als Einheit auftreten und viel laufen“, sagt Westermann, der Zinnbauer seit 13 Jahren kennt. Eher zufällig liefen sie sich in Fürth über den Weg und sind seitdem befreundet. Nicht nur deshalb kann sich der Abwehrspieler Hoffnungen machen, gegen Hannover wieder für den Brasilianer Cléber ins Team zu rutschen.
Doll traut dem HSV zu, künftig wieder eine akzeptable Rolle in der Bundesliga zu spielen. „Ein einstelliger Tabellenplatz muss mit diesem Team das Ziel sein, gerade nach den vernünftigen, durchdachten Transfers.“ Zumindest ein Punkt gegen die Bayern wäre auf diesem Weg ein guter Anfang.
Kapitän Rafael van der Vaart (Wade), Außenverteidiger Marcell Jansen (Adduktoren) und Offensivspieler Ivo Ilicevic (muskuläre Probleme) fallen für die Partie gegen den FC Bayern aus.