Es wirkt wie ein Spiegelbild der vergangenen Saison. Nach dem 0:2 in Hannover rutscht der HSV auf den 18. Tabellenplatz ab. Trainer Mirko Slomka steht unter Druck, aber darf wohl vorerst bleiben.
Das dritte Spiel dieser Saison war nicht mal eine Stunde vorbei, als HSV-Trainer Mirko Slomka ungefähr zur Zeit des ARD-„Tatorts”, die Frage der Fragen gestellt bekam. „Herr Slomka, glauben Sie, dass Sie gegen Bayern München noch auf der Bank sitzen werden“, fragte ein Reporter den Fußballlehrer in der Pressekonferenz nach dem 0:2 gegen Hannover. Slomka holte Luft und antwortete mit fester Stimme: „Davon gehe ich ganz sicher aus.“
Am Montagmorgen leitete Trainer Slomka jedenfalls noch das Vormittagstraining um 10 Uhr. Die Parkplätze der Verantwortlichen vor der Imtech Arena waren indes leer geblieben. Allerdings soll es am Mittag zu einer Krisensitzung gekommen sein. Ob Slomka zu halten ist, bleibt fraglich. „Wir werden nicht in Hektik verfallen, sondern uns in aller Ruhe hinsetzen, alles analysieren und den enttäuschenden Saison-Start besprechen“, sagte Aufsichtsrats-Vorsitzender Karl Gernandt.
Nach drei Spielen und 0:5 Toren steht der HSV erneut da, wo er bereits in der vergangenen Saison in etwa stand: am Tabellenende. Der Unterschied: Diesmal rutschte der HSV, als einziger Bundesligaclub noch ohne eigenen Treffer, tatsächlich auf den letzten Platz ab. Dort rangierten die Hamburger zuletzt im Oktober 2011, kurz bevor der Trainer ausgewechselt wurde und Slomka-Vorvorgänger Thorsten Fink das Zepter übernahm.
Ob das auch diesmal passiert, wollte HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer im Anschluss an das insgesamt enttäuschende Spiel gegen Hannover nicht öffentlich kommentieren. Und obwohl genau das normalerweise im Zirkus Bundesliga ein untrügliches Zeichen für einen zeitnahen Trainerwechsel ist, kommt es diesmal anders. Slomka darf trotz der erneuten Niederlage bleiben – zumindest vorerst.
„Dietmar Beiersdorfer und ich arbeiten insgesamt sehr intensiv und gut zusammen – wir wollen diese Mannschaft gemeinsam Schritt für Schritt weiterentwickeln. Wir brauchen dafür ein wenig Zeit, das hat man heute gesehen“, sagte Slomka nach einem kurzen Vieraugengespräch mit dem HSV-Vorstandsvorsitzenden bei Sky. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie viel Zeit Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Karl Gernandt ihrem leitenden und bislang glücklosen Angestellten einräumen.
Schonfrist bis zum Spiel gegen Mönchengladbach
Intern soll man sich darauf geeinigt haben, dass spätestens bis zum übernächsten Spiel in Mönchengladbach eine deutliche Entwicklung nach oben zu erkennen sein soll (das Abendblatt berichtete). Zudem wäre es für einen neuen Trainer eine denkbare schwere Aufgabe, gleich gegen Meister Bayern und in Gladbach spielen zu müssen. „Wir müssen in Ruhe an uns arbeiten und die Unruhe, die sicherlich auch von außen weiter kommen wird, an uns abprallen lassen“, konterte Slomka.
Dabei scheint das Abwehrverhalten abseits des Platzes momentan noch sehr viel besser als auf dem Feld zu funktionieren. So dauerte es zuvor nicht mal drei Minuten, ehe so ziemlich jeder der mehr als 5000 mitgereisten Hamburger unter den 49.000 Zuschauern wusste, dass es erneut ein bitterer Tag für die HSV-Anhänger werden dürfte. Gleich zweimal innerhalb der ersten 128 Sekunden hatte Hannovers Stürmer Joselu die frühe Führung auf den Fuß, die er sich aber als guter Gastgeber bis zur 13. Minute aufhob. Sein Pass zu Albornoz hebelte die komplette HSV-Hintermannschaft auseinander. Flanke, Kopfball Andreasen – Tor!
„Wir haben ganz schlecht angefangen, standen zu Beginn gar nicht auf dem Platz“, sagte Johan Djourou, der allerdings auch keine Antwort auf das Warum hatte. Die mit sieben Neuzugängen (Cléber, Ostrzolek, Behrami, Holtby, Green, Müller und Stieber) verstärkte Startelf bräuchte eben noch Zeit, so Djourou, der aber auch um das Kernproblem seiner Aussage wusste: „Diese Zeit haben wir leider nicht.“
Für den Beweis dieser These brauchte die bestens eingestellte und gut eingespielte 96-Mannschaft gerade mal elf weitere Minuten. Diesmal waren es Albornoz, Kiyotake, Joselu und schließlich Sobiech, die die indisponierte Hamburger Hintermannschaft gehörig durcheinander wirbelten und nach 24 Minuten für die vorzeitige Entscheidung sorgten. Dass der HSV anders als im Heimspiel zuvor gegen Paderborn (0:3) nach dem zweiten Gegentor nicht auseinanderbrach und in der zweiten Halbzeit sogar noch mehrfach den ersten Saisontreffer hätte erzielen können, war nach dem Abpfiff lediglich eine Randnotiz. „Hannover war präsenter, klarer vor dem Tor, mutiger und selbstbewusster“, analysierte Slomka richtig, „sie zeigten zu Anfang all das, was uns noch fehlte.“
Nun liegt es an Slomka selbst, den berühmt-berüchtigten Schalter innerhalb der kommenden zehn Tage umzulegen. „Der Trainer erreicht uns noch. Er macht seine Sache gut“, sagte Lewis Holtby. Aber: Zehn Spiele in Folge konnte Slomka mit dem HSV schon nicht mehr gewinnen, seit 16 Monaten wartet er auf einen Auswärtssieg, und auch innerhalb der Mannschaft soll es trotz Holtby Fürsprache immer lauteren Unmut geben.
Viele Argumente sprechen derzeit nicht für eine langfristige Zukunft Slomkas in Hamburg, doch aufgeben kommt für den 47 Jahre alten Coach nicht infrage. „Wir werden auch gegen Bayern alles versuchen“, sagte der Hannoveraner zum Ende der elfminütigen Pressekonferenz, lächelte noch einmal in die Runde und verschwand – aber natürlich nur für den Moment.