Der HSV-Coach steht vor seiner Rückkehr nach Hannover unter extremem Erfolgsdruck. Das Verhältnis zu Spielern soll frostig sein. Aber einfach aufgeben, das kommt für Mirko Slomka nicht infrage.
Hamburg. Mirko Slomka weiß, was sich gehört. Eine ganze Ladung edler Rumpsteaks gab das Geburtstagskind seinen Fußballern nach dem Training am Freitag aus. „Aus Uruguay“, so der Trainer, der sich beim Grillfest zu seinem 47. Geburtstag durchaus etwas gedacht hatte: „Die Urus haben ja zum einen richtig gutes Fleisch und zum anderen ein großes Kämpferherz. Davon kann dann gerne etwas übrig bleiben.“
Es wäre mehr als ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk, wenn Slomkas Grillplan am Sonntag beim Auswärtsspiel gegen Hannover 96 (17.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) aufgehen sollte. Denn nach dem Fastabstieg und dem krassen Fehlstart in die neue Saison mit nur einem Punkt und null Toren gegen die Aufsteiger Köln und Paderborn braucht nicht nur der HSV dringend ein positives Ergebnis.
Vor allem das Geburtstagskind muss auf ein rasches Erfolgserlebnis hoffen. „Die Diskussionen um Trainerposten gehen in der Bundesliga ja immer um diese Zeit los“, sagt Slomka betont entspannt, „das ist auch normal.“
Dabei ist es eigentlich alles andere als normal, dass es nach nur zwei Spielen auch hinter den Kulissen derart rumpelig zur Sache geht. Dass es extern nach dem desaströsen 0:3 gegen das Low-Budget-Team aus Paderborn etwas ungemütlich werden würde, war zu erwarten. Im Gegensatz dazu, dass auch intern intensiv über die Rolle des Trainers nachgedacht wurde. Nach saisonübergreifend neun Spielen in Folge ohne Sieg haben sich die Verantwortlichen zwar nach mehreren Gesprächen dagegen entschieden, die Partie in Slomkas Heimat Hannover zu einem Endspiel zu deklarieren, eine deutliche Entwicklung nach oben in den kommenden drei Spielen (Hannover, Bayern, Gladbach) soll es aber bitteschön schon sein.
Thomas Tuchel ist offenbar noch immer ein Thema beim HSV
So habe man sehr wohl registriert, dass sich nicht ein HSV-Spieler in den vergangenen Monaten individuell verbessert habe. Und auch eine echte Philosophie sei kaum erkennbar. Beides sei nun mal Aufgabe des Trainers. Deswegen ist es auch wenig verwunderlich, dass man sich – trotz öffentlichem Dementi – sehr wohl nach Abendblatt-Informationen mit Thomas Tuchel als möglichen Nachfolger beschäftigt hat.
„Wichtig ist, dass wir intern alle das Gefühl haben, dass wir an einem Strang ziehen“, sagte Slomka, der allerdings selbst dafür verantwortlich war, dass dieses Gefühl im Vorstand und Aufsichtsrat zuletzt nicht von allen geteilt wurde. So sorgte seine heftige und vor allem nicht abgesprochene Abrechnung in der „Bild“-Zeitung mit den Paderborn-Verlierern, die überwiegend bereits in der vergangenen Saison da waren, sowohl im Team als auch in den Gremien für kräftiges Kopfschütteln.
Hinter vorgehaltener Hand wurde der Verdacht laut, dass da öffentlich wirksam von möglichen eigenen Fehlern abgelenkt werden sollte.
Ein frostiges Verhältnis zu van der Vaart, Adler, Lasogga
Gerade mit den etablierten Profis wie Kapitän Rafael van der Vaart, Torhüter René Adler, Marcell Jansen, Pierre-Michel Lasogga und sogar dem eigentlich von Slomka geschätzten Vizekapitän Johan Djourou soll das Verhältnis eher frostig sein. So hatte etwa der Schweizer nach seinem verkürzten WM-Urlaub um einige Tage Extraurlaub gebeten, um seine leeren Akkus wieder aufzuladen. Slomka soll zunächst ziemlich rüde abgelehnt und erst nach einer erneuten Intervenierung eine eher widerwillige Rolle rückwärts gemacht haben.
Die Konsequenzen, so Slomka damals drohend zu Djourou, müsse der Schweizer aber selbst tragen. Ein weiterer Vorwurf aus der Mannschaft: Slomka würde kaum loben, sondern immer nur kritisieren. Dabei ist es für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen, ob die in der Vorsaison so enttäuschenden Profis, die tatsächlich kaum Lob verdienten, sich nur um ihre eigene Position sorgen. Oder ob es wirklich der Trainer ist, dem laut mehreren Spielern das Fingerspitzengefühl hier und da fehlen würde.
Slomka selbst will sich vor dem Nordderby in der alten Heimat von derartigen Nebenkriegsschauplätzen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Auch nicht von der Kritik von Aufsichtsrat Peter Nogly, der am Rande des Walk of Fame Slomkas angeblich zu hartes Training infrage gestellt hatte. „Dietmar Beiersdorfer war ja im Urlaub. Da gab es in den vergangenen zwei Wochen bei Festivitäten offenbar viele Gelegenheiten für andere, um etwas über die Mannschaft zu sagen“, konterte der HSV-Trainer süffisant, und weiter: „Eigentlich habe ich Peter Nogly als ,Eiche‘ kennengelernt. Da wundert es mich dann schon, dass er zu hartes Training bemängelt.“ Derartige Kritik, so Slomka, würde er aber erst gar nicht an sich heranlassen.
So einfach ignorieren wollte Slomka die Dauernörgler von außen dann aber doch nicht. „Alle, die uns von außen kritisch bewerten, haben zu einhundert Prozent recht“, antwortete der Trainer auf die Frage, ob er denn ein „qualifizierter Trainer, der aus dem Potenzial das Maximale herausholt“ sei, den HSV-Investor Klaus-Michael Kühne im Abendblatt eingefordert hatte. Das Spiel gegen Paderborn sei „unterirdisch“ gewesen, so Slomka selbstkritisch, deswegen könne man von allen Mitarbeitern – „auch vom Trainer“ – einen sehr viel besseren Job erwarten.
Dabei wurde Slomka nach der längsten Vorbereitung von so ziemlich jedem, den man fragte, bescheinigt, dass der Coach nach der Horrorvorsaison die richtigen Lehren gezogen und im Sommer ausgezeichnet trainiert habe. Doch von dem schnellen Umschaltspiel, das der Fußballlehrer nach dem Vorbild Hannovers auch beim HSV einführen wollte, war dann plötzlich mit dem Start in die Saison nichts mehr zu sehen. Innerhalb von nur zehn Sekunden sollten die Angriffe abgeschlossen werden, so der theoretische Plan. Dass die Bälle ganz praktisch in dieser Zeitspanne aber nahezu ausnahmslos an den Gegner verloren gingen, war selbstverständlich nicht der Plan.
So musste sich auch Lasogga einen Rüffel nach dem 0:3 gegen Paderborn gefallen lassen. Ob er vor dem Tor zum 0:2 nicht hätte entgegenkommen können, wurde der Stürmer gleich zweimal vom genervten Slomka gefragt. Dass dieser Dialog eine Woche später von der „Sportbild“ Wort für Wort abgedruckt wurde, nervte den Trainer, der dies am Donnerstang erneut in der Kabine ansprach, dann mindestens genauso sehr.
„Wir haben intern eine sehr gute Atmosphäre, auch wenn von außen versucht wird, bei uns einen Keil reinzuhauen“, sagte der frühere Rekordtrainer von Hannover 96, der an seinem Geburtstag noch mal „das gute Miteinander“ auch in Hamburg betonte. „Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt. Wichtig ist nur, was ich intern erfahre.“
Dabei ist Fußball am Ende doch immer noch ein ganz simples Spiel. Gewinnt der HSV in Hannover, werden die Slomka-Kritiker für den Moment etwas leiser. Verliert der HSV, wird es lauter. „Wir wissen auch, dass Ergebnisse wichtig sind“, sagte der Trainer am Freitag, ehe er sich schließlich auf den Weg zu den von Zeugwart Mario Moser vorbereiteten Steaks machte. Die echte Geburtstagsbescherung soll für Slomka ja ohnehin erst am Sonntag folgen: „Leider gibt es die drei Punkte ja nicht auf dem Geschenketisch im Alsterhaus.“