Der mutmaßliche Königstransfer hat den Großteil der Vorbereitung verpasst – und keiner weiß zudem, wann der Stürmer wieder fit ist. Trainer Mirko Slomka hofft auf einen neuen Spieler.
Hamburg. Schlechte Laune wollte Pierre-Michel Lasogga am Tag nach der ernüchternden 0:2-Pleite im letzten Härtetest vor der Saison gegen Lazio Rom gar nicht erst aufkommen lassen. „Schönes Wochenende“ wünschte der am Freitagabend in Lübeck schmerzlich vermisste Torjäger der HSV-Fangemeinschaft via Twitter – und versah ein Foto von sich (natürlich lächelnd) und seiner Schwester Jenny (ebenfalls lächelnd) zusätzlich mit einem ;)))) – einem virtuellen Smiley. Mit vier Klammern! Mehr Zwinkern geht nicht!!
Einen ganz realen Anlass zum Lachen, Lächeln oder auch nur Zwinkern hatte der seit zwei Wochen pausierende Stürmer zuletzt allerdings nicht. Lasogga ist verletzt. Immer noch. Mal wieder. Und erneut länger als gedacht.
Ein Bluterguss im Sprunggelenk. So lautete die vom Verein kommunizierte Diagnose nach dem schmerzhaften Tritt im Telekom-Cup-Spiel gegen den VfL Wolfsburg am 26. Juli. Alles nicht so schlimm, hieß es in den Tagen danach. Bereits im Trainingslager im österreichischen Burgenland sollte Lasogga wieder mit seinen Kollegen trainieren.
16 Tage später und genau eine Woche vor dem Pflichtspielstart beim FC Energie Cottbus ist an ein gemeinsames Mannschaftstraining jedoch nicht zu denken. Während 4,5-Millionen-Euro-Neuzugang Nicolai Müller seine Adduktorenprobleme überwunden hat und an diesem Montag erstmals mit seinem neuen Team trainieren soll, kann und will beim HSV noch niemand eine zuverlässige Prognose abgeben, wann denn nun Acht-Millionen-Euro-Mann Lasogga wieder richtig eingreifen darf.
Dabei sollte doch vor allem beim mutmaßlichen Königstransfer des HSV nach einer von Verletzungen geprägten Rückrunde in dieser Saison alles besser werden. Ob er endlich wieder volles Vertrauen in seinen Körper habe, wurde Lasogga direkt nach seiner Verpflichtung Anfang Juli im Trainingslager in China gefragt. „Ja, absolut“, antwortete Hamburgs einstiges Sorgenkind damals noch zuversichtlich. „Man hat sich halt geopfert in der vergangenen Saison, was oft auch mit größerem Risiko verbunden war. Wenn ich ehrlich bin, war es ab und zu auch zu groß.“
Rückblick: Im Wintertrainingslager hatte sich der Ex-Berliner ausgerechnet im Flieger von Jakarta nach Abu Dhabi eine Muskelverletzung im Oberschenkel zugezogen. Aus anfänglichen Problemchen wurde nach dem ersten Rückrundenspieltag, als Lasogga nach nur 24 Minuten ausgewechselt werden musste, schnell ein Muskelfaserriss und später sogar ein Muskelbündelriss, den der Verein aus unbekannten Gründen offiziell nie bestätigen wollte. Von möglichen 1530 Rückrundenminuten stand Hamburgs personifizierte Nicht-Abstiegsversicherung lediglich 493 Minuten auf den Platz. Dass der HSV überhaupt bis zum letzten Moment der Relegation ums Überleben zittern musste, hatte auch maßgeblich mit Lasoggas nie ausgeheiltem Oberschenkel zu tun. Immer wieder flog der Stürmer nach München zum Nationalmannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, versuchte dann frühzeitig ins Training und in den Spielbetrieb einzusteigen und musste wenig später einen erneuten Rückschlag verkraften.
Ähnliches sollte nun nach seiner Knöchelverletzung verhindert werden. Eigentlich. Doch auch in Österreich versuchte Lasogga, frühzeitig wieder mit den Kollegen zu trainieren. Und erneut erlitt der 22 Jahre alte Fußballer Rückschläge. So verpasste Lasogga von knapp acht Trainingswochen fast fünf. Ein Einsatz im DFB-Pokalspiel in Cottbus ist äußerst fraglich. Und ob Hamburgs teuerster und wichtigster Neuzugang bis zum Saisonauftakt beim 1. FC Köln am 23. August gesund wird, ist ebenso ungewiss. Fit sein wird der Nationalelfkandidat auf keinen Fall.
„Ich will nicht ausschließen, dass wir personell vorne etwas machen“, sagte Trainer Mirko Slomka am Freitag, als ihm beim 0:2 gegen Lazio überdeutlich vor Augen geführt wurde, wie sehr der HSV auch in dieser Saison von der Klasse Lasoggas abhängig ist. Das Risiko, auf Artjoms Rudnevs und Jacques Zoua zu setzen, scheint Slomka zu hoch: „Wir haben es nicht geschafft, die Bälle vorne zu behaupten. Da hat man Defizite gesehen“, kritisierte der Coach, „natürlich hat uns Lasogga gefehlt. Er ist ein Spieler, der sich vorne durchsetzt und immer für ein Tor gut ist.“
Auf Lasoggas Tore muss Slomka auf unbestimmte Zeit weiter verzichten. Ähnlich wie vor einem halben Jahr, als der Grad seiner wirklichen Verletzung lange verheimlicht wurde, scheint das tatsächliche Problem auch diesmal schwerwiegender zu sein. Dabei zeigt bereits ein Blick in Lasoggas Krankenakte, dass der Hamburger verletzungsanfälliger ist als dies sein bulliger Körper vermuten lässt: Überdehnung des Syndesmosebandes, Kreuzbanddehnung, Patellasehnenprobleme, Kreuzbandriss, Außenbandriss. Es gab nichts, was Lasogga nicht schon hatte.
Doch ähnlich wie der Torjäger selbst will sich auch Slomka die vorsaisonale Laune nicht kaputt machen lassen. „Mit Nicolai haben wir einen Spieler bekommen, der auch vorne spielen kann und die Torgefahr erhöht“, pragmatisierte der Fußballlehrer, der ohnehin eher das halbvolle Glas als das halbleere Glas hervorheben mag. „Es waren irre viele Fans hier“, sagte Slomka nach dem 0:2 gegen Rom, „das zeigt, dass wir interessant sind. Wir sind wieder da.“
Nur Pierre-Michel Lasogga, der ist eben noch nicht wieder da.