Beim HSV sind nach wie vor zahlreiche Baustellen geöffnet, die der neue Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer nun schließen muss. Der 50-Jährige steht vor seiner schwierigsten Aufgabe als Manager.

Wenn Dietmar Beiersdorfer, 50, während seiner ersten HSV-Amtszeit, die 2009 endete, das Haus in Winterhude verließ, waren da immer diese zwei Buchstaben. „JA“ stand in großen Lettern auf der Innenseite der Haustür. Dieses Wort, gleichsam das Motto, das ihn in der großen, weiten Welt außerhalb der vertrauten vier Wände begleitete, hat vielleicht auch eine Rolle gespielt, als es nun zur finalen Entscheidung über seine Rückkehr nach Hamburg kam. Am Ende hat Dietmar Beiersdorfer tatsächlich „Ja“ gesagt zum HSV.

Nach dem Fußball-Eldorado in Salzburg bei Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz, nach der womöglich nicht versiegenden Quelle bei Zenit St. Petersburg und Energie-Lieferant „Gazprom“ nun also der Sanierungsfall der Bundesliga HSV. Der Kreis schließt sich für Dietmar Beiersdorfer.

Er war Spieler, DFB-Pokalsieger, Mannschaftskapitän und Sportchef – jetzt ist Dietmar Beiersdorfer wahrscheinlich der mächtigste Vorstandsvorsitzende in der Geschichte des HSV. Wirtschaftlicher Niedergang und Fast-Abstieg des Traditionsvereins machen es möglich. Durch die Ausgliederung in eine Fußball-AG hat sich der Verein hübsch gemacht, um den verlorenen Sohn heimzuholen.

„Wir haben versprochen zu liefern“


In seinem ersten Kommentar nach der Vertragsunterzeichnung in Hamburg hat Dietmar Beiersdorfer genau diese Karte gespielt. Es sei ein „ganz besonderer und emotionaler Tag“ für ihn, bekannte der gebürtige Franke. Sein Ziel sei es, dass „alle HSVer und Hamburger wieder stolz“ auf ihren Verein sein können.

2009, als der alte Aufsichtsrat ihn aus dem Amt ließ, verlor der HSV seine letzte große Integrationsfigur. Mit der Rückholaktion holt der designierte Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt neben Beiersdorfers Kompetenz jetzt den emotionalen Faktor gleich mit zurück. „Wir haben versprochen zu liefern“, sagte Gernandt, „und wir haben geliefert. Ich denke, dass wir auch in Zukunft liefern werden. Daran arbeiten Dietmar Beiersdorfer und ich.“

Ein paar Euro musste sich der HSV die Verpflichtung Beiersdorfers freilich kosten lassen. Zwar verzichtete Zenit St. Petersburg auf eine Ablöse, allerdings musste Beiersdorfer Prämien-Abstriche machen, die sein neuer Arbeitgeber auszugleichen hatte.

Trotz Vorschusslorbeeren auch kritische Stimmen


Im HSV-Umfeld gibt es trotz aller Vorschusslorbeeren nicht wenige, die Dietmar Beiersdorfers neue Rolle kritisch sehen. War er nicht immer der Zögerliche und Zaudernde, der Entscheidungen vor sich herschob? Ist er nicht eigentlich ein Sport-Fachmann, wo dieser HSV doch einen strengen Kassenwart benötigt?

Sein ehemaliger Partner in der HSV-Führung, der eher ungeduldige Bernd Hoffmann, ist damals an Beiersdorfers Phlegma fast verzweifelt. Inzwischen sagt Hoffmann: „Dietmar Beiersdorfer ist jetzt genau der Richtige für den HSV.“ Hoffmann ist einer von Beiersdorfers häufigsten Gesprächspartnern der vergangenen Wochen gewesen.

So bitter und hart das Ende 2009 war, so klar war damals auch die Erkenntnis, dass der HSV nur im Team zu führen ist. 2014 gilt das noch ganz genauso, auf diesen Nenner haben sich Beiersdorfer und Hoffmann geeinigt.

Beiersdorfer baut sein Team auf


Nun arbeitet Dietmar Beiersdorfer im Hintergrund daran, sein neues Team aufzubauen. Dazu gehört Marketing-Fachmann Joachim Hilke, der im Verein zwar umstritten ist, allerdings höchstes Ansehen bei Karl Gernandt und seinem Chef Klaus-Michael Kühne genießt.

Milliardär Kühne ist der mächtige Mann im Hintergrund. Mit seinen Millionen muss sich der HSV soweit auf sichere Beine stellen, dass an einen Neuanfang überhaupt zu denken ist. Beiersdorfer möchte gern eine funktionierende Ebene unterhalb des zweiköpfigen Vorstands einbauen, die effektiv zuarbeitet.

Ein Finanzchef, ein Sportchef, ein Nachwuchs-Experte gehören dazu. Ex-Torwart Jens Lehmann, so viel scheint klar, kommt für den Posten des Sportchefs nicht infrage. Mit Peter Knäbel, dem aktuellen Sportlichen Leiter des Schweizerischen Fußballverbandes, steht immerhin schon ein Mann für den brachliegenden Jugendbereich des HSV parat. Am liebsten würde Beiersdorfer allerdings erst öffentliche Erklärungen abgeben, wenn die entscheidenden Personalien geklärt sind.

Die Großbaustelle HSV


Doch die Aktualität hat ihn in den vergangenen Tagen rechts überholt. Mit Äußerungen zu Trainer Mirko Slomka („Es ist eine schwebende Situation. Wenn es keine gemeinsamen Ziele gibt, müssen wir uns zusammensetzen, um Entscheidungen zu treffen.“), zur jüngeren HSV-Vergangenheit („Da kriege ich Hautausschlag!“) oder auch zum wechselwilligen Hakan Calhanoglu („Calhanoglu ist wie ein unerzogenes Kind.“) hat Beiersdorfers Förderer Gernandt Baustellen eröffnet, die der neue Vorstandsvorsitzende gern geschlossen hätte.

Offiziell, darauf zieht sich Dietmar Beiersdorfer derzeit zurück, startet sein Job nach Umwandlung des HSV e.V. in eine AG am 1. Juli – missverständliche Aussagen Dritter geradebiegen zu müssen, das ist ohnehin nicht seine Sache.

Am Mittwoch startet Mirko Slomka mit der Bundesliga-Mannschaft bereits in die Vorbereitung auf die kommende Saison. Kein anderer Verein beginnt so früh mit dem Training wie der HSV. Eine Beiersdorfer-Handschrift wird noch nicht zu erkennen sein. Das wird dauern. Sein Einfluss auf den Verein ist bislang nur ein „Ja“ gewesen. Dietmar Beiersdorfer steht in Hamburg vor der schwierigsten Aufgabe in seiner Karriere als Fußball-Manager.