Aufsichtsrat Thomas von Heesen lobt den neuen HSV-Vorstandschef. Offizieller Antritt ist am 1. Juli. Hinter den Kulissen hat sich Beiersdorfer aber bereits in die Zukunftsplanungen eingeschaltet.
Hamburg. Er verließ den Hamburger Flughafen durch Terminal eins. Natürlich um möglichem Trubel zu entgehen, denn eigentlich war ja Terminal zwei vorgesehen. Aber Dietmar Beiersdorfer, 50, will eben nicht posen und sich präsentieren, das war noch nie seine Natur, das hat sich offenbar nicht geändert. „Ich möchte nichts sagen, bevor ich mein Amt offiziell angetreten habe“, erklärte der designierte neue Vorstandsvorsitzende des HSV bei seiner Ankunft aus Sankt Petersburg am Mittwochmittag.
Endlich da! Mit Ehefrau Olcay und einem halben Hausstand Gepäck war er um 12.28 Uhr in Hamburg eingetroffen. Der Abschied aus Russland ist sichtbar endgültig. Beiersdorfer ist zurück in Hamburg, bereit, die neue Aufgabe beim HSV anzugehen. Schon eine Stunde vorher, um 11.31 Uhr, hatte der Verein die Verpflichtung des Mannes als perfekt gemeldet, auf den die meisten HSV-Fans seit Wochen teilweise sehnsüchtig warteten. „Für mich ist heute ein ganz besonderer und emotionaler Tag“, erklärte Beiersdorfer in der Mitteilung. „Nach den spannenden letzten Wochen bin ich sehr stolz und glücklich, nunmehr konkret die Neuaufstellung des HSV mitgestalten zu können.“
Sein wichtigster Ansprechpartner wird dabei voraussichtlich Thomas von Heesen, der im neuen Aufsichtsrat als stellvertretender Vorsitzender für die sportlichen Belange zuständig ist.
„Didi kennt den Verein, er liebt den Verein, und er lebt vor allem den Verein“, urteilt von Heesen, der mit Beiersdorfer in jener Mannschaft stand, die 1987 deutscher Vizemeister wurde und dann mit dem DFB-Pokal den bislang letzten Titel für den HSV holte.
„Schon als Spieler hatte Didi die höchsten Ansprüche an sich und seine Mannschaftskollegen“, charakterisiert von Heesen den ehemaligen und künftigen Weggefährten: „Er ist schlichtweg komplett fokussiert auf das, was er gerade macht und erwartet Bestleistungen.“ Dieser Ehrgeiz, eine klare Philosophie, seine integrative Persönlichkeit und seine guten Kontakte in der Szene machen Beiersdorfer für von Heesen zum „genau richtigen Mann für den HSV“.
Hinter den Kulissen hatte sich Beiersdorfer bereits in die Zukunftsplanungen beim HSV eingeschaltet. „Er hat schon in den vergangenen Wochen eng mit Sportchef Oliver Kreuzer zusammengearbeitet – etwa in unserem Bestreben, Pierre-Michel Lasogga zu halten“, sagte Karl Gernandt, der künftige Aufsichtsratschef der HSV-Fußball AG, dem Abendblatt. Auch der noch amtierende Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow bestätigt den steten Kontakt zu seinem Nachfolger: „Es gab und gibt mit ihm einen regelmäßigen Austausch. Wir haben erst in der letzten Woche persönlich über die sportliche Ausrichtung des HSV gesprochen.“
Ablösespiel zwischen HSV und Zenit
Am 20. Mai, fünf Tage vor der Mitgliederversammlung des Vereins, auf der die Ausgliederung der Profiabteilung beschlossen wurde, hatte Gernandt erstmals die Personalie Beiersdorfer genannt und sofort Begeisterung geweckt. In Beiersdorfers Amtszeit als Sportchef von 2003 bis 2009 war der HSV schließlich außergewöhnlich erfolgreich. Zur Hängepartie wurde die offizielle Inthronisierung des neuen Vorstandschefs lediglich wegen der fehlenden Freigabe von Zenit St. Petersburg, wo er noch bis 30. Juni 2015 als Sportchef unter Vertrag stand.
Das hat sich nun erledigt. Beiersdorfer selbst hatte seinen Chefs in Russland erläutert, dass er „nach Hause“ möchte. Weil „sein“ HSV rief, aber auch, weil seine Ehefrau ihren Mann gern öfter in der Heimat bei sich hätte. „Die Einigung mit St. Petersburg war völlig unproblematisch. Dafür gebührt dem Club höchste Anerkennung“, sagte Gernandt dem Abendblatt. Auch die „Ablösesumme“ für Beiersdorfer ist offenbar geringer, als vom HSV befürchtet. „Zu den genauen Modalitäten möchte ich nichts sagen. Klar ist jedoch, dass sich der HSV nur in sehr bescheidenem Rahmen engagieren muss“, so Gernandt. Ein Ablösespiel zwischen den Vereinen aus den beiden Partnerstädten fände er „eine schöne Idee“.
Der weitere Weg ist nun klar. Ab 1.Juli ist die HSV-Fußball AG zuständig für den Profibereich. Deren Aufsichtsrat beruft den AG-Vorstand, der aus zwei Personen bestehen wird: Dem Vorsitzenden Beiersdorfer und einem weiteren Vorstand für den Marketingbereich. Dies wird Joachim Hilke werden. Bis zur ordentlichen Mitgliederversammlung Anfang 2015 gehört allerdings auch Carl Jarchow dem Vorstand der Fußball AG an.
Der noch bis 30. Juni amtierende Vorstandsvorsitzende bleibt bis zur Mitgliederversammlung auch Präsident des HSV e.V., der für die Breitensportabteilungen und die Fördernden Mitglieder zuständig ist. Jarchow wird bezahlt, sein Vertrag läuft noch bis Mitte Mai 2015. „Alle vier Vorstandsmitglieder, die zurzeit im Amt sind, wollen ihre Verträge erfüllen“, sagte Jarchow dem Abendblatt. „Bis zur Mitgliederversammlung ist noch so lange hin, ich habe noch nicht entschieden, ob ich dann kandidieren werde.“ Tendenz: Eher nein. Für Jarchow müssten danach auch nur noch vier Monatsgehälter bezahlt werden. Bei Kreuzer sieht das anders aus, sein Vertrag läuft noch bis Ende Juni 2016, eine Abfindung wäre fällig. „Das müssen wir mit Dietmar Beiersdorfer abklären“, sagt Gernandt, „dazu gibt es vorerst nichts zu sagen.“