Am Freitag spielen die Hamburger gegen seine eigentliche Zukunft. Denn mit Son, Sam und Öztunali stehen die größten Talente der vergangenen Jahre in Leverkusen unter Vertrag.

Hamburg. Als dieses denkwürdige Spiel mit acht Toren im vergangenen November schon längst vorbei war, musste Heung-Min Son auch knapp eine Stunde später noch Rede und Antwort stehen. Drei Treffer hatte der Südkoreaner beim 5:3-Sieg Leverkusens gegen den HSV erzielt, was schon bemerkenswert für sich ist. Doch drei Tore im Spiel seines neuen Clubs (Bayer) gegen seinen früheren (HSV), das darf man als einmalig bezeichnen. „Ich bin richtig happy, aber irgendwie auch traurig“, so der frühere Hamburger, dessen Mitleid sich aber schnell in Grenzen hielt. „Ich gehe jetzt gleich rüber in die Kabine, den Heiko ärgern“, kündigte Son mit einem spitzbübischen Grinsen an.

In der Kabine tauschte Son sein Trikot mit Kumpel Tolgay Arslan. Aber den Heiko hat der Heung-Min natürlich nicht noch mal geärgert, das hatte er schon in den 90 Minuten zuvor auf dem Platz mehr als genug getan. Westermann sprach später davon, dass es das schlechteste Spiel seiner Karriere gewesen sei. Besonders weil Dreifachtorschütze Son sein direkter Gegenspieler gewesen war. „Dass er große Qualität hat, hat er ja schon zu seiner Zeit bei uns bewiesen. Er hat eine große Lücke hinterlassen“, sagt Westermann nun knapp fünf Monate später.

Noch einmal, das steht drei Tage vor dem Wiedersehen am Freitagabend (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei Abendblatt.de) fest, wird Son aber nicht als direkter Gegenspieler treffen. „Diesmal spiele ich ja links in der Viererkette, deswegen spielt Dennis Diekmeier nun gegen Sonny“, erklärt Westermann, der sich aber hütet, seinem Abwehrkollegen Ratschläge zu erteilen. „Dennis braucht keine Tipps. Wir können Sonny nur mit der ganzen Mannschaft stoppen. Wir müssen am Freitag dafür sorgen, dass er dieses Potenzial nicht abrufen kann.“

Großes Potenzial haben ohne Zweifel auch Sidney Sam und Levin Öztunali, die das Hamburger Dreigestirn im Westen komplettieren. Dass Sam und Öztunali wie Son gegen ihren Ex-Club von Anfang an spielen dürfen, ist eher unwahrscheinlich. Ziemlich sicher ist aber, dass es aus Hamburger Sicht extrem ärgerlich ist, dass die besten drei Talente aus dem eigenen Nachwuchs der vergangenen zehn Jahre ausgerechnet beim kommenden Gegner unter Vertrag stehen. Uwe Seelers gerade erst 18 Jahre alt gewordener Enkel Öztunali wechselte im Sommer ablösefrei zu Bayer, kam seitdem immerhin sechsmal bei den Profis zum Einsatz. Sam, den es im Sommer zu Schalke 04 zieht, kam 2010 für zwei Millionen Euro, entwickelte sich in Leverkusen zum Nationalspieler und bringt es in dieser Saison wieder auf beachtliche 15 Scorerpunkte.

Und Son? Abgesehen von Stefan Kießling stand kein Leverkusener Feldspieler in dieser Spielzeit häufiger auf dem Platz als der 21 Jahre alte Asiat, für den Bayer nur zu gern die Rekordablöse von zehn Millionen Euro ausgab. Mit neun Toren zahlte Son ein Teil des Investments bereits zurück, für den Rest sorgte der dank ihm verpflichtete südkoreanische Elektroniksponsor LG.

Vernunftbeziehung mit Bayer

Sons Wechsel nach Leverkusen ist keine neue Lovestory, es ist eine Vernunftbeziehung. „Ich bin sehr glücklich in Leverkusen“, sagt der frühere Hamburger, der vor seinem Wechsel ins Rheinland immer betonte, dass er den HSV, seinen ersten Fußballverein, immer lieben werden. Bayer liebt der teuerste Spieler der Vereinsgeschichte wahrscheinlich nicht, aber er ist seinem neuen Verein dankbar. „Ich versuche mich jeden Tag zu verbessern, und ich lerne viel bei Bayer“, sagt der ehrgeizige Nationalspieler, der im Sommer auch bei der WM für Furore sorgen will. Doch bis Brasilien ist es noch ein weiter Weg, zunächst einmal soll Son die kriselnden Leverkusener zurück in die Königsklasse schießen: „Die Saison läuft für mich persönlich eigentlich sehr gut. Ich habe bis jetzt neun Tore erzielt.“ Allein drei gegen den HSV, seinen HSV.

Und auch bei seinem HSV hat man Sons Karriereweg nicht aus den Augen verloren. „Für Sonny war es sicherlich ein großer Schritt, nach Leverkusen zu wechseln“, sagt mit René Adler einer, der das beurteilen können muss. Der Torhüter spielte selbst neun Jahre lang bei Bayer. „Sonny hat in Leverkusen ein Umfeld, in dem man sich als talentierter Spieler gut und in aller Ruhe weiterentwickeln kann“, sagt Adler, „und Sonny hat noch enormes Entwicklungspotenzial.“ Viel habe er in den vergangenen Wochen zwar nicht mehr mit seinen alten Bayer-Kollegen telefoniert, aber eines weiß Adler: „Die sind schon ganz zufrieden mit Sonny.“

In Hamburg wäre man schon zufrieden, wenn Son sein „enormes Entwicklungspotenzial“ am Freitag ruhen lassen würde. Darauf setzen sollte aber niemand. „Natürlich macht es mich sehr traurig, dass der HSV in so einer schwierigen Situation ist“, sagt Son, „aber das muss und werde ich für die 90 Minuten ausblenden.“ Nur drei Tore müssen es ja nicht gleich wieder sein.