Der gerade erst begnadigte Verteidigier verletzte sich bei der 0:1-Derbypleite in Bremen schwer. Jansen bezeichnet die Situation als „sehr, sehr ernst“. Werder-Fans bewerfen HSV-Bus. 17 Festnahmen.
Bremen/Hamburg. Abgekämpft und enttäuscht suchte Marcell Jansen nach den richtigen Worten. „Die Situation war und bleibt schwierig und sehr, sehr ernst“, sagte der HSV-Ersatzkapitän mit gesenktem Kopf zur 0:1-Niederlage im Jubiläums-Derby in Bremen. Nach 96 emotionalen Minuten mussten die Hamburger mitansehen, wie die Werder-Profis ausgiebig in der Fankurve feierten. Für Jansen und Co. blieb nur schwacher Trost. „Wir sind nicht wie sonst auseinandergebrochen“, stellte der 28-Jährige fest.
Allerdings wird das Team des Bundesliga-Dinos im bedrohlichen Abstiegskampf weiter dezimiert. Der in die Mannschaft zurückgekehrte Slobodan Rajkovic erlitt in seinem zweiten Saisonspiel einen Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie und fällt für den Rest der Saison aus. Gerade mit dem ursprünglich aussortierten Serben hatte die Innenverteidigung der Hamburger mehr Halt bekommen. Zu allem Überfluss erlitt auch noch Mittelfeldspieler Milan Badelj einen Handbruch. Der Kroate soll auf die Zähne beißen und weiterhin spielen. Er wird eine Schiene erhalten.
Die 36. Niederlage im 100. Nord-Derby der Bundesliga tut dem HSV besonders weh. Die Hamburger liegen im Abstiegskampf nun bereits sechs Punkte hinter dem ebenfalls gefährdeten Nachbarn. Die Hoffnung auf eine dauerhafte Wende durch den Trainerwechsel ist bereits wieder verschwunden, schon im zweiten Spiel unter Mirko Slomka setzte es die erste Niederlage. „Den Schwung von Dortmund konnten wir nicht ganz mitnehmen“, sagte Manager Oliver Kreuzer mit Blick auf den 3:0-Auftaktsieg unter dem neuen Coach.
Lasogga gibt sich selbstkritisch
„Wir haben statistisch eine gute Partie gemacht“, lautete Slomkas merkwürdig klingender Kommentar. Die Zahlen dokumentierten zwar mehr Ballbesitz, sagten aber wenig über das Spiel, in dem die Bremer deutlich mehr Torchancen hatten und mit einem verdienten Sieg die HSV-Krise verschärften. „Wir sind alle sehr enttäuscht“, gab der neue Coach zu. Kreuzer erkannte realistisch: „Wir hatten nicht unbedingt eine klare Torchance.“
Die Hamburger kamen nur selten in den gegnerischen Strafraum. Die bisher so unsichere Werder-Defensive überzeugte und wackelte dieses Mal nicht. Den Hamburger Mittelstürmer und Neu-Nationalspieler Pierre-Michel Lasogga hatten die Bremer Innenverteidiger sicher im Griff. „Uns hat der entscheidende Punch gefehlt“, kommentierte Lasogga selbstkritisch und kam dennoch zu einer überraschenden Analyse: „Wir haben trotzdem ein ordentliches Spiel gemacht.“ Tatsächlich wird es der HSV mit solch harmlosen Auftritten wie in Bremen im Abstiegskampf sehr schwer haben.
Werder spielte zielstrebiger und mutiger, was sich vor allem vor dem entscheidenden Treffer durch Zlatko Junuzovic (19.) zeigte: Spielmacher Aaron Hunt bereitete das Tor mit einem frechen Hackentrick über die HSV-Abwehr vor und bewies damit seine Sonderstellung im Team. „Das haben wir nicht so trainiert“, witzelte Dutt.
Der HSV hatte solch einen Regisseur in Bremen nicht. Weder vom jungen Hakan Calhanoglu in den ersten 45 Minuten noch vom eingewechselten Routinier Rafael van der Vaart gingen im zentralen Mittelfeld entscheidende Impulse aus. Der eine konnte sich in dem hektischen Derby noch nicht durchsetzen, der andere nicht mehr.
Werder-Fans bewerfen HSV-Bus
Zu allem Überfluss wurde der HSV-Mannschaftsbus auf der Fahrt zum Bremer Weser-Stadion von Werder-Anhängern mit Steinen und Feuerzeugen beworfen. „Das war fast kriminell, was da alles an den Bus geflogen ist“, sagte HSV-Manager Oliver Kreuzer. „Das war kein schöner Empfang.“ Eine Scheibe am Bus wurde dabei zerstört.
Die Stimmung beim Nordderby nach Angaben der Polizei teilweise „hochgradig aggressiv“. Insgesamt blieb es jedoch vergleichsweise ruhig, größere Zwischenfälle blieben aus, es gab keine Verletzten. Die Polizei war mit einem Großaufgebot aus mehreren Bundesländern im Einsatz. 17 Personen wurden in Gewahrsam genommen.
Die Polizei leitete zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung, Landfriedensbruchs oder gefährlicher Körperverletzung ein. „Wir haben die Erwartung gehabt, dass es zu extremen Ausschreitungen kommt“, sagte die Polizeisprecherin. Entsprechend war die Polizei vorbereitet: Mehr als 1000 Polizisten aus mehreren Bundesländern und von der Bundespolizei waren im Einsatz.
Bereits vor dem Anpfiff flogen am Stadion Flaschen zwischen Werder- und HSV-Fans. Die Lage beruhigte sich nach Angaben einer Polizeisprecherin vom Sonntag erst, als Wasserwerfer postiert wurden.
Auch nach dem Spiel wurde es außerhalb des Stadion wieder kritisch. Etwa eine Viertelstunde nach Abpfiff nahmen Anhänger eine Kreuzung in der Innenstadt unter Beschlag und nutzten sie für ein spontanes Fußball-Spiel. Polizisten wurden mit Flaschen beworfen, ein Streifenwagen wurde leicht beschädigt. Erst nach einer halben Stunde hatte die Polizei die Lage wieder unter Kontrolle.