So etwas hat es beim Hamburger SV noch nicht gegeben: HSV-Profis werden nach dem Spiel von wütenden Fans bedroht. Polizei und Ordner versuchen, die aufgebrachte Menge in Schach zu halten.

Hamburg. Tumultartige Szenen nach der Niederlage des Hamburger SV gegen Hertha BSC: Nach Ende des Spiels versammelten sich rund 350 HSV-Anhänger vor der Haupttribüne. Als einige HSV-Profis gemeinsam mit Clubchef Carl Jarchow die aufgebrachte Menge beruhigen wollten, kam es zu verbalen Auseinandersetzungen. Vereinzelt seien sogar Eier und Bierbecher geflogen. Ordner hielten die aufgebrachte Menge in Schach. Wie der HSV bestätigte, wurden einige Profis von Anhängern attackiert. Es kam zu Schubsereien.

„Die Stimmung war sehr aggressiv“, sagte ein Augenzeuge dem Abendblatt. HSV-Profi Jacques Zoua habe Tränen in den Augen gehabt. „So etwas hat es beim HSV noch nicht gegeben.“ HSV-Spieler Rafael van der Vaart lieferte sich demnach lautstark eine minutenlange Auseinandersetzung mit den Fans.

Zudem traten die Fans auf die Autos der Spieler ein. Die Polizei soll Pfefferspray eingesetzt haben. Auch unter den Fans kam es zu Handgreiflichkeiten, bei denen mindestens ein HSV-Anhänger am Kopf verletzt wurde. Die Polizei musste die rivalisierenden Fangruppen trennen.

Der Bus der Gäste aus Berlin konnte nach dem Spiel nicht abfahren, da zahlreiche Anhänger die Ausfahrten blockierten. Nur über einen provisorischen Hinterausgang konnten die Spieler das Stadion verlassen. Gegen 22.30 Uhr beruhigte sich die Lage wieder.

Der Hamburger SV trudelt immer weiter Richtung Abstieg aus der Fußball-Bundesliga, hält aber unverdrossen an Trainer Bert van Marwijk fest. Die Hanseaten verloren am Sonnabend ihr Heimspiel gegen Hertha BSC mit 0:3 (0:3) und liegen nach historischen sechs Pleiten in Serie weiter auf dem vorletzten Tabellenplatz. „Wir haben kein Trainerproblem, sondern ein Verteidigerproblem. Der Trainer bleibt definitiv“, sagte Kreuzer in den Stadionkatakomben.

„Schlechter kann es fast nicht kommen“, sagte van Marwijk. „Ich laufe nicht weg. Ich fühle mich voll verantwortlich für diese Situation.“ Zweimal Torjäger Adrian Ramos (23., 38 Minute) und Sami Allagui (16.) erzielten vor 48.593 Zuschauern in der Arena im Volkspark die Treffer für die Gäste, die damit 2014 ihren ersten Sieg verbuchten. Die Berliner können nach verpatztem Rückrundenauftakt mit zwei Niederlagen aufatmen. Sie richten den Blick als Siebter sogar wieder zu den internationalen Startplätzen.

„Mir fehlen die Worte“, gestand Abwehrchef Heiko Westermann. „Wir sind am Anfang viel gelaufen, haben aber den Gegner stärker gemacht.“ Dagegen herrschte bei den Berlinern Ausgelassenheit. „Das war ein sehr gelungenes Auswärtsspiel. Über 90 Minuten war der Sieg nicht gefährdet“, stellte Gäste-Coach Jos Luhukay mit Genugtuung fest.

Beim Krisen-HSV verschärft sich die desaströse Situation dagegen immer weiter. „Dass das heute ganz schlecht war, können wir nicht schön reden. Wir sind in einer Situation, da dürfen wir nicht auseinanderbrechen“, sagte HSV-Torwart René Adler, der ein bitteres Comeback nach seiner Verletzung erlebte. „Es klemmt überall. Ich kann nur betonen. Es ist wichtig, dass wir zusammenstehen.“ Der Trainer habe absolute Rückendeckung. „Ihn brauchen wir als führungsstarke Persönlichkeit“, sagte Adler.

Die erhoffte Trotzreaktion des HSV war nur in den ersten Minuten zu sehen. Da zeigten die Profis Leidenschaft und Kampfgeist, ohne allerdings gefährlich zu werden. Selbst aus dem verletzungsbedingten Fehlen von Hertha-Kapitän und Abwehrchef Fabian Lustenberger konnten die Gastgeber keinen Nutzen ziehen.

Eigentlich hätte eine Aktion von Adler das Signal zum Aufbäumen sein müssen. Er parierte in der 15. Minute einen von Westermann verschuldeten Foulelfmeter von Ramos. Doch wenige Sekunden später patzte die HSV-Abwehr wie so oft in letzter Zeit, und Allagui beförderte den Ball zum 1:0 für Hertha ins Tor.

Danach wurden die Gastgeber gegen die keineswegs brillierenden, Gäste immer nervöser. Sie wollten zwar, aber sie konnten nicht. Verunsichert gingen die Profis in die Zweikämpfe, verloren diese zumeist und leisteten sich reihenweise technische Fehler. Die Torgefahr tendierte gegen null. Vor allem Jacques Zoua verstolperte den Ball ein ums andere Mal. Er traute sich erst gar nicht, aufs Tor zu schießen. Hertha-Leihgabe Pierre-Michel Lasogga, der mit neun Toren gefährlichste HSV-Stürmer, saß nach auskuriertem Muskelfaserriss nur auf der Bank.

Als Innenverteidiger Johan Djourou, der den Platz des nervlich angeschlagenen 17-jährigen Jonathan Tah in der Startelf eingenommen hatte, Hertha-Torjäger Ramos zum 2:0 einköpfen ließ, war es endgültig um die Hamburger geschehen. Die Berliner zogen fortan ihr Kombinationsspiel auf, der HSV lief hinterher. Schließlich ließ Ramos seinem Gegenspieler Djourou erneut stehen und schoss zum 3:0 ein.

So bauten die Hamburger ihre eklatante Heimschwäche aus. Nur zwei von zehn Partien im eigenen Stadion wurden in dieser Saison gewonnen. Dabei hatte die Statistik zuvor für die Norddeutschen gesprochen: In zehn Heimspielen zuvor hatten sie gegen die Berliner nicht verloren.