Der HSV verliert vor eigenem Publikum nach einer 1:0-Führung noch mit 2:3 gegen Mainz 05. Das Ziel Europapokal rückt in weite Ferne. Die Hamburger überwintern mit lediglich 16 Punkten auf Platz 14.

Sichtlich angeschlagen und mit tiefen Ringen unter den Augen setzte Bert van Marwijk ohne Umschweife zur knallharten Analyse an. Der Hamburger SV im Abstiegskampf? „Ja, das ist die Realität, schau' dir die Punkte an“, raunte der Trainer des Bundesliga-Dinos nach dem letzten Tiefschlag einer völlig enttäuschenden Hinrunde: „Die Spieler müssen sich darüber bewusst werden, dass wir schnell so viel holen müssen, dass es reicht.“ Für den Klassenerhalt. Denn der ist nach der vollkommen verdienten 2:3 (1:0)-Niederlage gegen den FSV Mainz 05 ernsthaft gefährdet.

Immer wieder schüttelte der 61 Jahre alte frühere niederländische Nationaltrainer mit dem Kopf, vergrub sein Gesicht in den Händen. So etwas habe er noch nicht gesehen, sagte der erfahrene Coach und meinte damit das stümperhafte Abwehrverhalten vor dem entscheidenden Gegentreffer in der letzten Minute der Nachspielzeit. Kurz zuvor zum glücklichen Ausgleich durch Kapitän Rafael van der Vaart gekommen (79.), entblößte sein Team die linke Abwehrseite völlig und ermöglichte Shinji Okazaki vor 50.918 Zuschauern in Hamburg seinen zweiten Treffer zum späten K.o. (90.+2).

Jeder Ball hätte zu diesem Zeitpunkt auf die Tribüne fliegen können, meinte van Marwijk. Bloß den einen Punkt nicht gefährden, zumal der HSV nach der Gelb-Roten-Karte gegen Tomas Rincon (82.) auch noch in Unterzahl spielte. So blieb ein frustrierter Chefcoach zurück, der an der Profi-Eignung einiger seiner Spieler zweifelte. „Für mich werden es keine frohen Weihnachten“, sagte er – und war damit in bester Gesellschaft.

„Wir müssen irgendwann mal die Weiterentwicklung schaffen“, sagte Nationalspieler Marcell Jansen, und Sportdirektor Oliver Kreuzer unterstrich, dass ihm das Christkind doch bitte eines bescheren soll: Punkte für sein Team, das mit einer deutlichen Verschärfung der Gangart rechnen muss. Jeder Profi des HSV stehe auf dem Prüfstand. Wenn es für den einen oder anderen nicht reiche, dann werde der HSV die Zusammenarbeit radikal beenden, sagte Kreuzer.

Personell nachlegen kann der klamme Klub kaum, der mit quirligen Mainzern zum Teil überfordert war. Selbst die Führung durch Mittelfeld-Juwel Hakan Calhanoglu (21.) verlieh den „Rothosen“ nicht das Gefühl der Sicherheit. Nach dem Ausgleichstreffer des Japaners Okazaki (47.) zerfiel die Defensive in ihre Einzelteile. Was die Mainzer gnadenlos bestraften und durch Nationalspieler Nicolai Müller direkt nachlegten (50.).

„Wir hatten eine tolle Mentalität auf dem Platz und haben verdient gewonnen“, sagte der Mainzer Trainer Thomas Tuchel: „Auch wenn es immer glücklich ist, wenn man mit der letzten Aktion den Siegtreffer erzielt.“

Durch Okazakis dritten Doppelpack – zuvor traf Tuchels „jahrelanger Wunschspieler“ schon gegen Werder Bremen und Eintracht Braunschweig doppelt – halten sich die 05er wohl aus dem Kampf um den Klassenerhalt raus. Der HSV steckt dagegen mittendrin. „Ich bin keiner, der aufgibt und kriege in solchen Situation eher noch mehr Energie“, versprach van Marwijk. Seine Mannschaft kann sie gut gebrauchen.

Aufstellungen:

Hamburg: Drobny – Rincon, Tah, Djourou, Jansen – Badelj, Arslan (59. Jiracek) – Beister (59. Zoua), van der Vaart, Calhanoglu (84. Lam) – Lasogga. – Trainer: van Marwijk

Mainz: Karius – Pospech, Bell, Noveski, Park – Geis – Malli (77. Choupo-Moting), Soto (65. Diaz) – Moritz (84. Saller) – Okazaki, Nicolai Müller. – Trainer: Tuchel

Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock)

Tore: 1:0 Calhanoglu (21.), 1:1 Okazaki (47.), 1:2 Nicolai Müller (50.), 2:2 van der Vaart (79.), 2:3 Okazaki (90.+2)

Zuschauer: 50.918

Beste Spieler: Drobny, Calhanoglu – Malli, Okazaki

Gelb-Rote Karte: Rincon wegen Foulspiels (82.)

Gelbe Karten: Djourou – Moritz (3)

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 18:13

Ecken: 5:3

Ballbesitz: 42:58 %