Auf dem Spielfeld läuft Rafael van der Vaart mehr als fast jeder andere HSV-Profi. Aber der Ertrag fürs Team ist nur gering. 1:0-Sieg bei Kreuzers Ablösespiel in Karlsruhe.
Karlsruhe/Hamburg. Es war trotz des 1:0-Sieges ein enttäuschender Dienstagabend für den HSV. Nur 3000 Zuschauer, davon 602 zahlende (Dauerkarteninhaber hatten freien Eintritt), wollten im Wildparkstadion den insgesamt schwachen Auftritt der Hamburger beim KSC sehen (Tor: Badelj, 84.). Vor allem war es ein teurer Ausflug: Da der HSV beim Wechsel von Sportchef Oliver Kreuzer eine Garantieeinnahme von 200.000 Euro für dieses Ablösespiel zugesichert hatte, muss der Club nun vertragsgemäß den Fehlbetrag aufstocken – also fast die gesamte Summe.
Auch Rafael van der Vaart hatte offensichtlich wenig Spaß an der Pflichtveranstaltung, sein Radius blieb wieder einmal mehr als überschaubar. Glänzen kann der HSV-Kapitän derzeit nur abseits des Platzes, wie am vergangenen Sonnabend nach dem 2:2 gegen Frankfurt. „Ja, da gibt es bei mir ja viel zu schreiben“, sagte er und lachte wieder dieses fröhliche Lachen. Entwaffnend. Gerade hatte ein Fernsehreporter nach dem geplanten Persönlichkeitstest für die HSV-Profis gefragt und speziell nach der Kategorie, die sich mit dem Privatleben befasst. Das wirkte souverän. Van der Vaart stellt sich, ist auch immer derjenige, der nach enttäuschenden Spielen vor der Werbestellwand der TV-Sender steht. Der Kapitän erledigt seinen Job als Öffentlichkeitsarbeiter. Für den Club, für sich.
Und auf dem Platz? „Ein Liebhaber des Fußballs“ sei van der Vaart, urteilte der neue HSV-Trainer Bert van Marwijk bei seiner Vorstellung über die spielerischen Fähigkeiten seines niederländischen Landsmannes. Nach den ersten sieben Spielen allerdings wenden sich die Ersten enttäuscht ab, haben den Kapitän mit Liebesentzug gestraft.
Im Fachmagazin „Kicker“ gab es für van der Vaart im Durchschnitt nur die Note vier. Ausreichend? Die Ansprüche sind hoch an die zentrale Figur im HSV-Spiel. Auch Investor Klaus-Michael Kühne („Sportlich ging’s bergab“) sparte bei seinen Rundumschlägen gegen den Verein und dessen Führung seinen einstigen Lieblingsspieler nicht aus.
Van der Vaarts Wechsel aus Tottenham nach Hamburg im August 2012 wurde erst möglich, nachdem die Hotspurs den ehemaligen Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson für zehn Millionen Euro verpflichteten. Dem drohenden Konkurrenzkampf musste van der Vaart sich nicht aussetzen, nachdem ihn der Hilferuf aus der alten Heimat ereilte, Kühne bei der Ablöse von 13 Millionen Euro half und der Verein seiner Lichtgestalt aus der jüngeren Vergangenheit ein Jahresgehalt von 3,5 Millionen bot.
Van der Vaart läuft am meisten
Fehlenden Einsatz für das Team kann Rafael van der Vaart niemand vorwerfen. Im Spiel läuft außer Maximilian Beister tatsächlich kein HSV-Spieler in der bisherigen Saison mehr als der Kapitän. Elf Kilometer ist er im Schnitt auf dem Platz unterwegs, hat das Sportdaten-Unternehmen OPTA ermittelt. Dass ein Trainerwechsel einer Mannschaft Beine machen kann, hat der HSV dabei auch beim erkämpften Unentschieden in Frankfurt gezeigt. In der Partie verbuchte das Team seinen mit Abstand höchsten Mannschafts-Laufwert dieser Saison. Die insgesamt 120, 5 Kilometer bedeuteten vier Kilometer mehr als die bisherige Höchstleistung. Kapitän Rafael van der Vaart stellte dabei mit 12.58 gelaufenen Kilometern den Bestwert seiner Mannschaft auf.
Er läuft die gegnerischen Verteidiger an und holt sich die Bälle auch schon in der eigenen Hälfte ab. Überwiegend ist er sehr zentral unterwegs, 59 Ballkontakte hat er pro Spiel. Das ist viel mehr als die 42 bei seinem ersten HSV-Engagement 2005 bis 2008. Allerdings geht er vergleichsweise selten in die Spitze. Nur alle 36 Minuten hat van der Vaart einen Torschuss abgegeben. Zum Vergleich: In seinen drei ersten Jahren beim HSV schloss Hamburgs Nummer 23 alle 19 Minuten ab. Die fehlende Torgefährlichkeit ist sicherlich mitentscheidend für den unbefriedigenden Eindruck. In seiner Hamburger Glanzzeit traf er alle 308 Minuten, jetzt ist er nur alle 608 Minuten aus dem Spiel heraus erfolgreich.
„Er kann selbst nicht in die Schnittstellen gehen wie zum Beispiel die Dortmunder Marco Reus und Henrich Mchitarjan. Dafür hat er nicht das Tempo“, sagt Philipp Obloch, der bei OPTA für Fußballdaten verantwortlich ist. Ein Sprinter war van der Vaart auch in seiner ersten HSV-Zeit nicht, möglicherweise sind in der Bundesliga inzwischen die Ansprüche an einen offensiven Mittelfeldspieler in dieser Hinsicht gewachsen. Der derzeit verletzte Hannoveraner Szabolcz Huszti, in seinem Stil van der Vaart durchaus ähnlich, sprintet in Höchstgeschwindigkeit 34,1 km/h. Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang, der als schnellster Spieler der Liga gilt, schafft 35 km/h. Dagegen sieht der HSV-Kapitän mit seinen maximal 29,88 km/h alt aus. Seine Passgenauigkeit in der gegnerischen Hälfte liegt nur noch bei 69,1 Prozent, ganz vorne in der Spitze sind es sogar nur 62 Prozent. Nur 1,3 Flanken schlägt er außerdem pro Partie und verliert 55,4 Prozent seiner Zweikämpfe. Das sind höchst durchschnittliche Werte.
Nach einer Auswechslung im Spiel gegen Hoffenheim feuerte van der Vaart wütend seine Kapitänsbinde auf den Boden. Den Weg in die Fankurve findet er nach Niederlagen wie gegen Bremen ungern. Dafür ist der 30-Jährige nicht selten der Erste, der nach den Spielen in seinem schneeweißen SUV aus bayerischer Fabrikation davonbraust. Ab ins viel beschriebene Privatleben. Dass bei der Internetsuche nach seinem Namen immer noch mehr Verweise auf „Zickenzoff“, „Liebesleben“ und „Hochzeitglocken“ als beispielsweise „Traumtor“ oder „Auswärtssieg“ erscheinen, macht die Situation nicht einfacher. „Ich fühle mich nicht verantwortlich, mich wegen der Berichte vor die Mannschaft zu stellen“, sagte van der Vaart der „Sport-Bild“, „man muss Leistung bringen, fit bleiben und der Mannschaft helfen.“ So ist es, und der Kapitän ist stets bemüht.
HSV beim KSC: Drobny – Westermann, Tah (46. Sobiech), Djourou, Jansen (66. Mancienne) – Badelj, Arslan (46. Jiracek) – Beister (46. Zoua),van der Vaart, Calhanoglu – Lasogga (59. Rudnevs)..