HSV-Marketingvorstand Joachim Hilke spricht über Gründe für den ausgebliebenen Erfolg, Milliardär Klaus-Michael Kühne, den Stadionnamen und die anhaltende Strukturdiskussion im Verein.
Hamburg. Abwarten und Teetrinken ist so überhaupt nicht die Sache von Joachim Hilke, 44. Einen Rooibostee gönnt sich der Marketingexperte zu Beginn des Gesprächs mit dem Abendblatt im Hotel Grand Elysée dann aber doch.
Hamburger Abendblatt: Herr Hilke, beim Trainingsauftakt des FC Bayern kamen diese Woche Zigtausende Zuschauer. Dürfen sich die HSV-Fans am Montag zumindest auf ein Spektakelchen freuen?
Joachim Hilke: Wir wollen uns nicht mit München und dem Trubel um Guardiola vergleichen. Aber auch unsere Fans können sich auf die Saison freuen.
Auf was genau?
Hilke: Wir wollen uns etwas vornehmen, insbesondere die Qualifikation für Europa. Dafür müssen wir hart arbeiten und es uns verdienen. Das haben wir in der vergangenen Saison nicht geschafft, obwohl manch einer so tut, als wären wir knapp dem Abstieg entkommen.
Was meinen Sie?
Hilke: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im „Kicker“, also im Fußball-Fachmagazin, lag der HSV in der vergangenen Saison laut Notendurchschnitt auf Platz 17, tatsächlich waren wir aber auf Platz 7 in der Tabelle. Da frage ich mich, warum es da diese Differenz zwischen gefühlter und tatsächlicher Wirklichkeit gibt.
Haben Sie eine Antwort gefunden?
Hilke: Mir ist klar geworden, dass der HSV ein Grundproblem hat, das man nicht so einfach mit ein paar netten Sätzen umschreiben kann. Ein großes Problem im Verein ist unsere Vielstimmigkeit, unsere fehlende Geschlossenheit. Ohne diese Geschlossenheit wird dauerhaft kein Erfolg möglich sein.
Ist das nicht ein hausgemachtes Problem?
Hilke: Bestes Beispiel ist die Genese des angeblichen 24-Millionen-Euro-Minus. Wer auch immer diese Zahl ausgeplaudert hat, hat in hohem Maße geschäfts- und vereinsschädigend gehandelt. Mit dieser Zahl mussten wir uns ein halbes Jahr rumschlagen, obwohl es sich nur um eine Zwischenrechnung gehandelt hat.
Ist das so? Ist es nicht viel mehr so, dass dieses Rekordminus von 24 Millionen Euro, über das auch das Abendblatt von Anfang an berichtet hat, nur durch den Sportfive-Deal verhindert wurde?
Hilke: Uns war doch von Anfang an klar, dass wir uns rechtzeitig über den Sportfive-Vertrag Gedanken machen müssen. Wir hätten 2015 insgesamt rund 20 Millionen Euro aus einem bestehenden Darlehen und handelsrechtlichen Ansprüchen von Sportfive zahlen müssen, nur um aus einer extrem gut funktionierenden Partnerschaft auszusteigen. Deshalb war immer klar, dass wir eine neue Lösung brauchten, die wir ja nun auch gefunden haben. Als wir uns sicher waren, dass wir unsere Partnerschaft mit Sportfive verlängern wollen, hat es Sinn gemacht, über den besten Zeitpunkt nachzudenken. Die jetzt geschlossene Vereinbarung ist wichtig für unseren künftigen Erfolg.
Was bedeutet Erfolg denn für Sie?
Hilke: Dass wir aus unseren Voraussetzungen das Bestmögliche erreichen und uns unter den Top-Clubs der Liga etablieren. Das ist uns nie dauerhaft gelungen. Das deutet ganz unabhängig von Personen auf eine grundsätzliches Problem hin.
Otto Rieckhoff und Jürgen Hunke haben eine Debatte um eine Strukturreform längst angestoßen. Sollten nicht Sie als Vorstand die Richtung vorgeben?
Hilke: Wir als Vorstand können nur aufzeigen, unter welchen Bedingungen wir unsere Ziele am besten erreichen können. Daher ist eine offene Diskussion innerhalb des Vereins darüber wichtig. Am Ende kann eine Veränderung nur von den Mitgliedern ausgehen.
Warum spricht niemand das Kind beim Namen an: es geht doch um nichts anderes als um eine Ausgliederung.
Hilke: Zuerst geht es um die gemeinsame Linie, die wir mit aller Konsequenz verfolgen wollen. Wir müssen aus der gefühlten Negativspirale raus.
Reicht das, um das Imageproblem des HSV zu beseitigen?
Hilke: Natürlich steht es uns nicht gut zu Gesicht, dass wir im vierten Jahr in Folge nicht international vertreten sind. Dennoch haben wir schon wieder fast 30.000 Dauerkarten verkauft und werden erneut mit einem hervorragenden Vermarktungsergebnis in die Saison starten. Dazu erhoffe ich mir perspektivisch viel von unserem langfristig angelegten Campus-Projekt. Sie können zigmal einen Nachwuchschef austauschen, was alleine aber nichts ändert. Die Frage ist doch, wie ich Durchlässigkeit organisiere und lebe. Wenn der Nachwuchsleiter in der Organisation keine Rolle spielt, wird es niemals funktionieren. Sportchef, Profitrainer und Nachwuchsleiter müssen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren.
Die Leute wollen Fortschritte sehen, die Entwicklung einer Identität.
Hilke: Der HSV hat per se eine enorm starke Identität, aber wir müssen Ziele fokussieren. Auch hierbei spielt unser Campus-Projekt eine wichtige Rolle. Kurzfristig war unser Problem in den vergangenen zwei Jahren die fehlende Konstanz, nicht die faktische Fähigkeit des Teams. Ich glaube fest daran, dass wir mit dieser Mannschaft kontinuierlich arbeiten müssen und diese sich dann weiterentwickelt. Das braucht nun mal Zeit und bekommt man nicht durch ständige Gewaltakte hin.
Wie mit Rafael van der Vaart.
Hilke: Das war eine notwendige Maßnahme, unverzichtbar für die Stärkung unseres Kollektivs. In der Phase der Saison mussten wir feststellen, dass wir nicht wettbewerbsfähig waren. Ich glaube, es hat selten einen Transfer gegeben in der Bundesliga, der so einen Stimmungsumschwung bewirkt hat.
Der Stimmungsumschwung war teuer erkauft. Wie schlimm wird der Sparkurs im kommenden Jahr?
Hilke: Für mich ist Sparen keine Strategie. Eine Strategie leitet sich aus Zielen, Handlungsschemata und einem Maßnahmenplan ab. Man kann nicht sagen: Wir sparen, weil wir keine Zé Robertos mehr kaufen. Sondern wir sagen: Wir wollen einen vernünftigen Mix aus erfahrenen und jungen Spieler und nicht nach Namen kaufen. Dass wir ein Budget vorgeben, ist klar.
Das unter 40 Millionen Euro liegt?
Hilke: Es wird sich in dieser Größenordnung bewegen müssen. Genaue Zahlen kann und will ich nicht nennen. Es muss ein Plan erkennbar sein.
Das fordert auch Klaus-Michael Kühne, der signalisiert hat, dass er sich vorstellen könnte, sich unter bestimmten Voraussetzungen beim Stadionnamen zu engagieren. Was können Sie ihm sagen?
Hilke: Wir befinden uns im intensiven Austausch und sind Herrn Kühne sehr dankbar für das, was er für uns getan hat. Er knüpft offensichtlich sein weiteres Engagement an ein paar Grundvoraussetzungen, weil er als erfolgreicher Geschäftsmann eine gewisse Vorstellung von Abläufen hat.
Haben Sie denn bereits mit Imtech, dem aktuellen Namenssponsor, gesprochen?
Hilke: Die deutsche Geschäftsführung hat uns versichert, dass sämtliche Verträge, die wir mit Imtech abgeschlossen haben, vollumfänglich erfüllt werden. Die Aussage von Herrn von der Aast ist ja nur, dass er so schnell wie möglich aussteigen will. Dafür sehe ich im Moment keine Möglichkeit. Das Namensrecht unseres Stadions ist ein für unseren Verein äußerst werthaltiges Recht, und wir haben in Imtech einen Partner mit einem laufenden Vertrag.
Im Fußball sind Verträge bekanntlich dazu da, gebrochen zu werden ...
Hilke: Nicht in diesem Fall.