Nur der Medizincheck steht der offiziellen Vorstellung des Schweizer Nationalspielers noch im Wege. Hannovers Ex-Manager Jörg Schmadtke gratuliert dem HSV zu dem geplanten Transfer.
Hamburg Es war zwar nur ein bedeutungsloses Freundschaftsspiel, als Johan Djourou im Winter bei Hannover 96 sein Debüt feierte. Doch gleich seine erste Szene machte deutlich, welche Art von Verteidiger die Bundesliga künftig bereichern würde: Gegen den SC Heerenveen stand er als letzter Mann einem Angreifer der Niederländer gegenüber. Doch anstatt den Ball zum Torwart zurückzuspielen oder ihn blind nach vorne zu schlagen, legte der Djourou den Ball mit der Hacke hinter dem Rücken vorbei und ließ den gegnerischen Angreifer ins Leere laufen.
Solch eine technische Delikatesse eines Abwehrspielers blieb den Hamburger Fans während der gesamten Saison verwehrt. Nun hat sich Djourou aber für Hamburg und gegen Hannover entschieden – und macht damit nicht nur HSV-Trainer Thorsten Fink glücklich. „Es ist kein Geheimnis, dass ich mich über seine Verpflichtung freuen würde“, sagte der Coach, der sich mit weiteren Kommentaren jedoch so lange zurückhalten will, bis die Tinte unter dem Vertrag getrocknet ist. Schon im Laufe der vergangenen Saison hatte sich Fink nach einem Innenverteidiger gesehnt, der in der Lage ist, das Spiel von hinten konstruktiv aufzubauen, gleichzeitig über Dynamik und Zweikampfstärke verfügt. Nur der Medizincheck steht der offiziellen Vorstellung des Schweizer Nationalspielers noch im Wege. Für ein Jahr soll der 26-Jährige von Arsenal London zunächst ausgeliehen werden – überzeugt er, kann der HSV Djourou per Kaufoption im Anschluss fest verpflichten. Das hätte auch Hannover 96 nach der Ausleihe gern getan, doch der damalige Manager Jörg Schmadkte scheiterte im Winter beim Versuch, diese Klausel in den Vertrag einzubauen. „Das Gesamtkonstrukt wäre finanziell nicht zu stemmen gewesen“, erläutert Schmadtke, dessen ehemaliger Club während der Leihdauer dem Vernehmen nach nur etwa eine Million des Drei-Millionen-Euro-Gehaltes Djourous aufbringen musste.
Doch was kann der 41-fache Internationale wirklich? 14 Partien absolvierte Djourou in der vergangenen Rückrunde für Hannover 96, alle von Beginn an. Seine Auftritte waren durchwachsen, das Fachmagazin „kicker“ verpasste ihm einen Notenschnitt von 3,82. Mit dieser Bewertung liegt er freilich immer noch vor seinen Konkurrenten Slobodan Rajkovic (4,14) und Michael Mancienne (4,28). Bei Arsenal absolvierte Djourou in der Hinrunde nicht eine einzige Partie in der Premier League, seine Konkurrenten Per Mertesacker, Thomas Vermahlen oder Laurent Koscielny liefen ihm den Rang ab. Zuvor hatte der in der Elfenbeinküste geborene Djourou, der im Alter von 17 Monaten von seiner Schweizer Adoptivmutter aufgenommen wurde, oft als Rechtsverteidiger aushelfen müssen, was ihm gar nicht lag und nach eigener Aussage an seinem Selbstbewusstsein nagte. Doch sein Ex-Trainer Mirko Slomka in Diensten der 96er war dennoch überzeugt von den Qualitäten des 1,92-Meter-Hünen. „Johan ist stressfrei und cool in seiner Spielweise. Er hat eine offensive Interpretation des Abwehrspiels. Ohne ihn sind wir zurückgewichen und haben nicht nach vorne verteidigt“, erklärte Slomka unlängst.
In dem von Rückpässen und manches Mal planlos nach vorne geschlagenen Bällen geprägten Aufbauspiel des HSV würde ein solcher Spielertyp dem Team fraglos helfen. Zusammen mit Heiko Westermann, dessen Stärken eher im kompromisslosen Zweikampfverhalten und der Führungsarbeit liegen, könnte ein Abwehrduo gedeihen, das sich prächtig ergänzt. Früher spielte Djourou noch im defensiven Mittelfeld. Seine bevorzugte Art zu verteidigen, die Gegner bereits sehr früh nahe der Mittellinie zu attackieren, hat er auch als Abwehrspieler bis heute beibehalten.
Schmadkte, der ja um ein Haar ebenfalls beim HSV als Sportdirektor gelandet wäre, hätte sich vermutlich auch bemüht, Djourou ins Boot zu holen. Denn der mittlerweile als Geschäftsführer Sport zum 1. FC Köln gewechselte Ex-Torwart lobt seinen ehemaligen Zögling in höchsten Tönen. „Gutes Tempo, guter Kopfball, gute Spieleröffnung. Eigentlich ist Djourou ein kompletter Abwehrspieler, der in Hannover anfangs mit kleineren Blessuren zu kämpfen hatte. Doch wenn er konstant spielt, wird er immer besser. Wer sich acht Jahre lang bei Arsenal hält, kann nicht so schlecht sein.“ Zudem sei der im Alter von 16 Jahren von Genf nach London gewechselte Defensivspezialist problemlos zu integrieren. „Ein sehr angenehmer Zeitgenosse, der Englisch und Französisch spricht, Deutsch versteht und über einen tollen Charakter verfügt“, sagt Schmadkte.
Bei solchen Lobeshymnen stellt sich die Frage, warum Arsenal ihn nach Stationen in Birmingham und Hannover nun schon ein drittes Mal verleiht. So elegant sein Spiel auch wirkt, birgt es offenbar Risiken. Der Versuch, jede Situation spielerisch zu lösen, ging ab und zu nach hinten los und sorgte für Ballverluste in der Vorwärtsbewegung. So hatte der Vater zweier Töchter nicht nur bei Arsenal seine Wackler, auch in Hannover war er mit individuellen Fehlern an Gegentoren beteiligt. Dort zeigte er zudem Probleme beim Stellungsspiel, die er mit zunehmender Spielpraxis jedoch in den Griff bekam.
Doch diese Bedenken sind in Hamburg untergeordneter Natur. „Johan verkörpert den Stil, den wir gesucht haben“, sagt Sportchef Oliver Kreuzer. Wenn Djourou die hohen Erwartungen tatsächlich erfüllen kann, dürften zu seinen über 11.000 „likes“ auf seiner Facebook-Seite noch einige hinzukommen – und auch die letzten Einträge gefrusteter Hannoveraner Fans, die teilweise unter der Gürtelline liegen, von lobenden Worten verdrängt werden.