Sturm-Hoffnung Beister soll in die Fußstapfen des Südkoreaners treten, der den HSV verlässt. Dabei war der HSV-Trainer lange Zeit kein Fan seines Schützlings.
Hamburg. An diesem Donnerstag hätte Maximilian Beister einen Schlussstrich hinter eine verkorkste Saison ziehen können. Mit einer guten Leistung oder sogar dem Siegtreffer beim ersten EM-Spiel der deutschen U21-Nationalmannschaft gegen die Niederlande hätte der HSV-Profi vielleicht den Weg zum Titelgewinn geebnet und Selbstvertrauen für die kommende Spielzeit gesammelt. Hätte. Doch Trainer Rainer Adrion hatte den Außenstürmer vor drei Wochen aus dem EM-Kader gestrichen. Das erste Mal seit Jahren gehört Beister nicht mehr zur Nachwuchsauswahl. Die "Gesamtsituation Beisters im Verein" sei für die Nichtberücksichtigung ausschlaggebend gewesen, ließ Adrion damals verlauten. Der negative Höhepunkt einer Saison, in der kaum etwas so lief, wie Beister es sich vorgestellt hatte. Denn der war mit der Empfehlung von elf Toren und 13 Vorlagen von seiner Leihstation Fortuna Düsseldorf immerhin als großer Hoffnungsträger nach Hamburg zurückgekehrt.
Son-Wechsel nach Leverkusen fast perfekt
Da überrascht es etwas, dass HSV-Trainer Thorsten Fink nun ausgerechnet ihn auserkoren hat, die Lücke zu schließen, die Heung Min Son hinterlässt. Denn dessen Verkauf scheint beschlossene Sache zu sein. Laut „Bild“-Zeitung wird der 20-Jährige zu Bayer Leverkusen wechseln. Es müssen nur noch letzte Formalitäten geklärt werden, dann unterschreibt Son einen Vierjahresvertrag in Leverkusen und bringt dem HSV eine Ablöse von rund zehn Millionen Euro. Der HSV hatte versucht den dynamischen Torjäger zu halten, bot 2,8 Millionen Euro Jahresgehalt, doch der Südkoreaner, der momentan mit seiner Nationalmannschaft unterwegs ist, sucht eine neue Herausforderung. „Wir bedauern das, aber müssen es akzeptieren. Wir haben ja schon seit Wochen gesagt: Entweder verlängert Son oder er geht. Seinen Vertrag einfach so auslaufen zu lassen, kam nie in Frage“, so Klub-Boss Carl E. Jarchow.
Zwar soll durchaus noch ein weiterer Angreifer verpflichtet werden, doch dieser wird eher nicht den Spielertypen Son kopieren, sondern ein großer, bulliger Stoßstürmer sein. Der Hoffenheimer Eren Derdiyok wäre so ein Kandidat, der für einen geringen finanziellen Aufwand kommen könnte und dessen Qualitäten beim HSV trotz seiner miesen letzten Saison mit nur einem Treffer offenbar geschätzt werden. Fink ist die Verpflichtung eines spielstarken Innenverteidigers internationalen Formats jedoch wichtiger, in den der Großteil der durch den Verkauf Sons zu erwartenden Ablösesumme von mehr als zehn Millionen Euro fließen dürfte. Somit ist der Coach bestrebt, die Lücke des zwölffachen Torschützen Son in Person von Beister aus den eigenen Reihen zu schließen. Zuletzt redete der Coach den 22-Jährigen stark, wunderte sich über die Nichtnominierung für die U21. "Ich bin mir sicher, dass er dem Team hätte helfen können" sagte Fink.
Dabei war der HSV-Trainer lange Zeit kein Fan seines Schützlings. Die vergangene Saison zählte gerade einmal vier Spieltage, als der Trainer das Bedürfnis hatte, klarzustellen, warum der Neuzugang den Großteil der bisherigen Spielzeit auf der Bank versauerte. "Er ist einfach noch nicht so weit. Die Umstellung von der Zweiten auf die Erste Bundesliga fällt ihm schwer." Deutliche Worte, die Beister selbst so nicht teilen wollte. Auch für viele Fans und Journalisten war es damals nur schwer nachzuvollziehen, dass der HSV trotz des missratenen Saisonstarts auf den vielleicht besten Offensivspieler der vorherigen Zweitligasaison weitgehend verzichtete. Doch auch nach seinem Startelfdebüt am 9. Spieltag benötigte Beister fünf Spiele, um seinen ersten wirklich überzeugenden Auftritt beim 3:1-Sieg über Schalke 04 hinzulegen, als ihm auch sein erster Bundesliga-Treffer für den HSV gelang. Doch diese Partie sollte einer der wenigen Höhepunkte für Beister im HSV-Trikot bleiben. Vielmehr manövrierte sich der gebürtige Göttinger nach seiner Roten Karte im Spiel gegen Augsburg weiter ins Abseits, als er nur zehn Minuten nach seiner Einwechslung vom Platz gestellt wurde und Schiedsrichter Tobias Welz anschließend den Vogel zeigte. Fink war erbost, zeigte sich nach einem persönlichen Gespräch dann aber versöhnlich und gestand selbst den einen oder anderen Fehler im Umgang mit dem sensiblen Stürmer ein, den er nun zu Sons legitimem Nachfolger ausbilden will.
Zweifelsohne ist Beister mit ähnlichen Qualitäten gesegnet: Auch er ist in vollem Tempo nur schwer aufzuhalten, auch er hat eine gute Schusstechnik, und auch er gilt als Stürmer, der sich für keinen Weg zu schade ist. Doch Son ist technisch beschlagener und hat in fast allen Kategorien, die die Statistik erfasst, die Nase vorn (siehe Tabelle oben). Um ein Beispiel hervorzuheben: Son, dem oft vorgeworfen wird, er sei nicht durchsetzungsfähig, gewann mehr als 42 Prozent seiner Zweikämpfe und liegt damit noch vor Dortmunds Top-Stürmer Robert Lewandowski (41 Prozent). Beisters Wert (knapp 40 Prozent) ist aber ebenfalls guter Durchschnitt für einen Offensivspieler.
Der ehemalige HSV-Stürmer Horst Hrubesch traut Beister zumindest zu, in die Fußstapfen Sons zu treten. Und zwar in erster Linie, weil er den Südkoreaner nicht für den "Überspieler" hält, der beim HSV unersetzbar wäre. "Hat Son denn eine überragende Saison gespielt? Ich habe ihn zumindest nicht oft wirklich stark in Erinnerung. Beister selbst mag ich gar nicht vorschnell beurteilen, dafür habe ich ihn viel zu selten spielen sehen", sagte das HSV-Idol, das bei angemessener Ablösesumme Verständnis für einen Verkauf des besten Hamburger Torschützen hätte. Angesichts der prekären finanziellen Lage bleibt dem HSV wohl kaum eine Alternative. Und wer gesehen hat, wie sich Sons Sturmpartner Artjoms Rudnevs innerhalb einer Saison gesteigert hat, darf einen solchen Leistungsschub auch Beister zutrauen.