Die Hamburger verloren 0:1 gegen Augsburg und verpassten den Sprung auf Platz 4. Am nächsten Spieltag geht es nach München. Die Bayern könnten dann schon Meister werden. Fink sauer auf Beister.

Hamburg. Nationaltorhüter René Adler hatte die Nase gestrichen voll. „Wenn wir nicht 100 Prozent abrufen, dann reicht es nicht. Dann haben wir nicht die spielerische Klasse, um nach Europa zu kommen“, schimpfte der Schlussmann des HSV, während seine flackernden Augen nervös den Horizont absuchten. 0:1 hatten er und seine Mannen gerade gegen den Abstiegskandidaten FC Augsburg verloren. Und das zu Hause. Nächste Woche geht es auch noch gegen die Bayern. Aussichten auf Erfolg sehen anders aus.

Die ganze Woche hatten die HSV-Profis ihre internationalen Ansprüche formuliert. Die Stimmung im Stadion war prächtig nach dem 1:0-Sieg beim VfB Stuttgart am vergangenen Spieltag. Eine Woche davor hatte die Truppe ein peinliches Heim-1:1 gegen den Tabellenletzten Greuther Fürth verbrochen, weitere sieben Tage zuvor kassierte sie gar 1:5-Prügel in Hannover. Danach hatte Trainer Thorsten Fink Straftraining am freien Tag befohlen. Es wurde malocht und gegrätscht, und niemand durfte von der Europa League schwadronieren. Die Maßnahmen variierten, der HSV blieb gleich. Da irrte jüngst auch Sportchef Frank Arnesen, der versprach: „Jetzt ist die Leidenszeit vorbei.“

Der Mannschaft ist eine einzige Wundertüte. Ein 4:1-Sieg bei Borussia Dortmund ist ebenso drin wie ein 0:1 zu Hause gegen Augsburg. So unterhaltsam das auch sein mag, nach der zweiten Blamage gegen einen möglichen Absteiger kann es nur ein Urteil geben: Die Mannschaft ist nicht reif für die Europa League. „Wir sind nicht konstant genug“, befand Fink ernüchtert und präzisierte: „Der eine oder andere hat nicht die Qualität, um konstante Leistungen abzurufen.“ Eine Weile überlegte er, dann fügte er an: „Noch nicht.“

Ohne Rafael van der Vaart mangelte es an Ideen und Kreativität. Der Niederländer hatte sich einen Magen-Darm-Infekt eingefangen und musste kurz vor dem Spiel aufgeben. „Das Überraschungsmoment hat gefehlt“, bedauerte Fink. „Rafael kann ein Spiel in die Hand nehmen.“ Zwar gab es Torchancen zuhauf für die Hamburger, darunter laut Kapitän Heiko Westermann „vier bis fünf tausendprozentige“, aber nichts klappte. Anders die harmlosen Augsburger: Zwei 50-prozentige Gelegenheiten reichten.

+++ DER SPIELVERLAUF ZUM NACHLESEN +++

Linksverteidiger Marcell Jansen hat es derweil satt, über internationales Engagement zu orakeln. „Wir sollten kleinere Brötchen backen“, riet der auffälligste HSV-Akteur und empfahl jedem Profi eine grundlegende Steigerung. „Ansonsten“, meinte er verbittert, „sollten wir nicht über irgendwelche Dinge sprechen“. Gemeint war der Europacup. Das wiederum will sich Torhüter Adler nicht vorschreiben lassen. „Wenn wir jetzt ausgeben, um Platz neun oder zehn zu spielen, dann kann ich Urlaub buchen“, meinte der Sachse verbissen. Am nächsten Spieltag gastieren die Hamburger bei Bayern München. Nach dem Gesetz der schlampigen Serie wäre ein Sieg dran.

Und dann war da ja auch noch der kapitale Aussetzer von Maximilian Beister, der mit seinem Tritt in den Unterleib von Daniel Baier, für den er die Rote Karte sah, seiner Mannschaft einen Bärendienst erwies. Fink redete direkt nach dem Abpfiff nicht um den heißen Brei herum: „Er hat sich weit nach hinten manövriert und hätte schon zuvor einen Denkzettel verdient gehabt.“

Der Chefcoach bemühte sich gar nicht erst, seine Wut auf Beister zu verbergen, der nur zehn Minuten nach seiner Einwechslung des Feldes verwiesen wurde. „Ich fand es etwas übertrieben und denke, dass eine Gelbe Karte auch gereicht hätte“, sagte Fink: „Aber es war trotzdem von ihm eine falsche Reaktion.“ Falsch war sicher auch, dass Beister beim Verlassen des Platzes einen „Vogel“ in Richtung des Schiedsrichters andeutete, dies könnte seine Sperre verlängern.

Der Trainer machte klar, dass er die Einwechslung von Beister bereute: „Aber mir blieb leider nichts anderes übrig, da Marcus Berg verletzt ist und ich mehr für die Offensive tun musste.“

Nach der Länderspielpause geht es am 30. März nach München zu den Bayern (Sonnabend, 18.30 Uhr). Der FC Bayern führt die Tabelle mit mittlerweile stolzen 20 Punkten Vorsprung auf den Titelverteidiger Borussia Dortmund an. Gewinnt der BVB beim VfB Stuttgart nicht und gewinnen die Bayern ihr Heimspiel gegen den HSV, wäre die 23. Meisterschaft des Rekordmeisters perfekt.

Bekommt der HSV also doch noch eine Hauptrolle im Rennen um die Schale und kürt den FC Bayern Ostern zum neuen Meister? Dieses Szenario ist keineswegs unwahrscheinlich. Die Dortmunder konnten die letzten zwei Auswärtsspiele in der Bundesliga nicht gewinnen, verloren zuletzt sogar das Revierderby auf Schalke.

Patzt die Borussia auch beim abstiegsbedrohten VfB (Sonnabend, 15.30 Uhr), können die Bayern nur wenige Stunden später ihre nahezu perfekte Saison krönen - wenn der HSV mithilft. Und auch das wäre keine Überraschung, denn die Statistik spricht klar für den FC Bayern. Von 47 Auswärtsspielen in München verloren die Hamburger 34 Partien.

In den vergangenen drei Spielen in der Allianz Arena gab es für den HSV nichts zu holen. Der Bundesliga-Dino schoss dabei nicht mal mehr einen eigenen Treffer, kassierte aber insgesamt zwölf Gegentore. Unvergessen für alle HSV-Fans bleiben die letzten beiden Auswärtsspiele in München, als ihr Klub sang- und klanglos unterging. 0:5 hieß es vergangene Saison, ein Tor mehr kassierte der HSV sogar ein Jahr zuvor beim 0:6-Debakel in München. Eine Wette auf die Meisterschaft des FC Bayern München am 27. Spieltag der Bundesliga abzuschließen, wäre wohl kein schlecht investiertes Geld.