Nach Protesten verspricht der HSV-Vorstand neue Verhandlungen. Doch die Ticketplattform verweist auf den gültigen Vertrag.
Hamburg. Es war Punkt 22 Uhr am Montagabend, als Joachim Hilke nach anderthalb Jahren in Amt und Würden als HSV-Vorstand erstmals und mit voller Wucht die unangenehmen Seiten seines Jobs zu spüren bekam. Der Marketingexperte, der bislang für sein Geschick bei der Akquirierung neuer Geldquellen überwiegend mit Lob überhäuft wurde, musste sich auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung im CCH 75 Minuten lang wütende Proteste aufgrund des umstrittenen Viagogo-Deals gefallen lassen. Der Vertrag mit der britischen Ticketplattform sei für viele Mitglieder eine Kriegserklärung, sagte Supporters-Chef Ralf Bednarek, der Hilke am Tag nach der emotionalen Aussprache dazu aufforderte, die Zusammenarbeit mit dem Internetunternehmen zu kündigen: "Ich hoffe, dass wir schnellstmöglich aus dem Vertrag aussteigen."
Am Vorabend hatte Hilke eingeräumt, die lautstarke Kritik der Mitglieder nachvollziehen zu können. "Ich schäme mich unfassbar für diesen Verein", hatte beispielsweise Philipp Marquardt, der Sprecher des bundesweiten Fan-Bündnisses ProFans, geschimpft, der ehemalige Aufsichtsratskandidat Ingo Thiel sagte, dass "so ein Deal nicht mal Bernd Hoffmann eingefallen" wäre.
Am Ende der hitzigen Aussprache sah sich Hilke schließlich gezwungen, neue Verhandlungen mit dem britischen Ticketanbieter, der dem HSV 800 000 Euro jährlich zusichert, anzukündigen. Der 43-Jährige versprach, sich dafür einzusetzen, dass mit Ausnahme der vertraglich festgelegen 1500 Tickets bei Viagogo keine weiteren HSV-Karten mit bis zu 100 Prozent Aufschlag gehandelt werden sollen. Ob sich die Plattform aber darauf einlässt, auf ihr Kerngeschäft zu verzichten, muss nach einer entsprechenden Abendblatt-Anfrage im Anschluss an die Versammlung bezweifelt werden. "Wir sind stolzer Partner des HSV", sagte gestern Viagogo-Manager Steve Roest, der unmissverständlich ergänzte: "Und wir arbeiten nach den Vertragskonditionen, die von beiden Seiten vereinbart wurden."
Sollten sich der Verein und der Neupartner aber nicht zeitnah einigen, will Hilke eine vorzeitige Kündigung zum 31. Juli des kommenden Jahres in Betracht ziehen: "Wenn die Partnerschaft nicht funktioniert und die Mitglieder das Ganze nicht tragen, dann werden wir unsere Konsequenzen ziehen." Solange das aber nicht passiert, sollen in den kommenden Wochen weitere Proteste folgen.