Die Vorzeichen vor dem Duell haben sich umgekehrt: Hannover geht als Favorit ins Duell. Trainer Fink muss auf einer Position tauschen.

Hamburg/Hannover. Der „große“ HSV kommt aus Hamburg, der „kleine“ HSV aus Hannover - ein Jahrzehnt lang galt das als sportliches Naturgesetz, nun ist es schon seit Monaten außer Kraft. In der Bundesliga liegen die Niedersachsen sechs Punkte voraus, im Pokal ist der Unterschied noch krasser: „96“ hat gute Chancen, in der Europa League zu überwintern, die Hamburger müssen hoffen, wenigstens im DFB-Pokal das Achtelfinale zu erreichen.

Doch mit dem Schwung des neuen Trainers Thorsten Fink wollen die Gäste im Nordderby am Sonnabend (18.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) damit beginnen, die alte Hierarchie wieder aufzubauen. „Die Mannschaft hat ganz eindeutig die Qualität dazu“, sagt der Coach, der mit seiner neuen Mannschaft schon fünf Pflichtspiele bestritten und noch keins davon verloren hat.

Und damit dies auch in der mit 49.000 Zuschauern ausverkauften Hannoveraner WM-Arena so bleibt, warnte der einstige Bayern-Profi vor allzu großer Selbstzufriedenheit, die nach dem ersten Heimsieg der Saison gegen 1899 Hoffenheim (2:0) an der Elbe aufgekommen war: „Zufriedenheit ist für mich Rückschritt. Die Interviews meiner Jungs waren mir alle zu positiv.“

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Schließlich ist Platz 14 - dort stehen die Hamburger nach 13 Spieltagen - alles andere als das HSV-Saisonziel. Doch ganz im Gegensatz zu seinen Schützlinge mag Fink über eine Siegesserie bis zur Winterpause nicht spekulieren: „Wir sind erst am Anfang eines Weges und müssen Schritt für Schritt weitergehen.“

Verzichten muss Fink am Sonnabend auf Stürmer Marcus Berg, der zuletzt das Vertrauen bekommen hatte. Der Schwede brach das Abschlusstraining am Freitag wegen muskulärer Probleme im rechten Oberschenkel ab und verzichtete auf die Reise zu den Niedersachsen. Im Trainingsspiel am Freitag stand für ihn Heung Min Son in der ersten Elf und wird wohl auch in Hannover auflaufen. In der vergangenen Spielzeit traf der Koreaner in Hannover doppelt, der HSV verlor dennoch mit 2:3 in letzter Minute durch ein Tor von Mike Hanke.

Eine Taktik, mit der Finks Kollege Mirko Slomka bei den „Roten“ in der vergangenen Saison durchschlagenden Erfolg hatte. Im Jahr nach dem Drama um Robert Enke und dem Fast-Abstieg arbeiteten sich die Hannoveraner peu a peu nach vorne, bis die erste Qualifikation für das internationale Geschäft seit 19 Jahren unter Dach und Fach war, getoppt von einem fast sensationellen Erfolg im August über den favorisierten FC Sevilla in der K.o.-Runde.

So können auch die Gastgeber selbstbewusst in das Nachbarschaftsduell gehen, zumal sie im eigenen Stadion saisonübergreifend seit acht Begegnungen ungeschlagen sind. Zudem hat Slomka beim HSV durchaus noch Schwachstellen ausgemacht, die er gerne nutzen möchte: „Der HSV lässt in der Bundesliga bisher die meisten Torschüsse des Gegners zu. Auch Hoffenheim hatte diese Chancen. Wir müssen sie nur effektiver nutzen.“

Was nicht ganz einfach werden wird, denn den Platzherren fehlen der rotgesperrte Torjäger Didier Ya Konan und auch der offensive Mittelfeldspieler Lars Stindl (Gelbsperre). Der Ivorer muss zähneknirschend zuschauen und auf bessere Zeiten in den verbleibenden Begegnungen bis zur Winterpause hoffen: „Ich bin mir sicher, dass ich der Mannschaft mit meiner Leistung noch helfen kann.“

Dies tut bei den Hamburgern seit Wochen Paolo Guerrero. Der exzentrische Stürmer aus Peru ist unter Fink nach einer Durststrecke wieder aufgeblüht und verkörpert das neue Selbstwertgefühl beim HSV. Er warnt vor dem Gegner: "Hannover ist sehr stark, gerade zu Hause. Sie haben sehr gute Spieler." Seinen Aufschwung sieht er im neuen Trainer begründet: "Er macht mich stark. Wir kennen uns schon lange aus Münchner Zeiten." Damals hatten Fink und Guerrero zusammen einige Einsätze in der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Für den Coach ist der starke Guerrero alles andere als Hexerei. „Paolo ist Südamerikaner, den muss man einfach spielen lassen“, lautet Finks simples Erfolgsrezept. (sid/abendblatt.de)