HSV-Profi Marcell Jansen sieht sich nach einer schweren Zeit wieder auf dem Weg zu alter Stärke. Sein Ziel: die Teilnahme an der EM 2012.
Hamburg. Die Umarmung war innig. Und lang. Als Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff gestern um 11.12 Uhr das Trainingsgelände des HSV betrat, war Marcell Jansen der erste Spieler, der ihn umarmte. Ein kurzer Plausch, ein lautes gemeinsames Lachen, und Jansen widmete sich wieder seiner vorrangigen Aufgabe: dem HSV-Training. "Natürlich wäre ich gern bei der Nationalelf dabei, gerade beim Spiel in Hamburg", sagt Jansen, dessen Ziel weiterhin die Teilnahme an der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine ist. Jansen: "Ich bin geduldig. Ich muss zuerst zusehen, mit dem HSV zu punkten. Kommt das und ich leiste meinen Teil dabei, dann kommt der Rest automatisch auch wieder." Wie schwer der Weg zurück zu alter Stärke ist, vermag eh kaum einer besser zu beurteilen als Jansen. Zwei Endrunden- und 36 A-Länderspiele hat Jansen bestritten - dennoch war er in den letzten 24 Monaten beim HSV nie unumstritten. Bis Thorsten Fink kam. Das Abendblatt sprach mit dem 26-Jährigen über seine schwierige Zeit und sein Comeback. Jansen über ...
... die Zeit als Reservist unter den Trainern Armin Veh und Michael Oenning: "Ich hatte sehr schwere Monate, ganz klar. Körperlich wie mental. Trotzdem habe ich nie gemault, mich immer reingehängt. Ich konnte auch Glanzpunkte setzen - leider ohne Wirkung. Letzte Saison habe ich gegen Kaiserslautern und Mainz jeweils ein Tor gemacht, gut gespielt und musste trotzdem nach der Pleite beim FC Bayern (0:5, d. Red.) fast nur noch zusehen. Ich wurde sogar zweimal vom Stadionsprecher als "verletzt ausgewechselt" verkündet, war aber gar nicht verletzt. Ehrlich, da fühlst du dich richtig mies. Dieses Jahr habe ich gegen Dortmund nach meiner Einwechslung ein sehr gutes Spiel gemacht - blieb aber anschließend wieder nur auf der Bank. Das hat richtig an mir genagt. Aber Oenning war vorher Vehs Co-Trainer, und ich glaube nicht, dass mein Platz auf der Bank allein auf meinen Leistungen beruht hat."
+++Der HSV kann nicht mehr zu null spielen+++
... den neuen Trainer Thorsten Fink: "Es ist einfach wieder eine faire Basis da. Fink bezieht alle mit ein, alle sind für ihn wichtig. Wie alle brauche auch ich nur das ehrliche Gefühl, geschätzt und respektiert zu werden. Es gibt ehrliche und klare Ansagen, die der Trainer selbst vorlebt. Bestes Beispiel ist der DFB-Pokal, da hat Fink diejenigen spielen lassen, die vorher weniger zum Zug kamen. Er hat ihnen gesagt, dass er ihnen vertraut. Und vor allem: Er hat es allen bewiesen. Das hat Charakter und ist motivierend. Das ist gut."
... seine Lehren aus den letzten Jahren: "Ich bin härter geworden. Ich habe Phasen gehabt, in denen ich gelernt habe, wieder aufzustehen. Zuerst war ich stark daran beteiligt, zweimal ein Halbfinale und einen fünften Platz zu erreichen - und plötzlich spielte ich keine Rolle mehr. Da gab es schnell auch keine Schulterklopfer mehr. Natürlich hatte ich Hilfe, weil meine Familie, meine Freunde und meine Freundin einfach einzigartig sind. Aber ich habe, so bescheiden die Zeit war, extrem viel gelernt. Mich haut nichts mehr um."
... seine aktuelle Form: "Es macht wieder mehr Spaß - und das merkt man. Plötzlich zieht man in der 93. Minute noch mal einen langen Sprint an, weil man den Tick Zusatzmotivation hat. Es geht einfach. Und das spürt man bei allen. Der Einsatz und der Wille waren sicher immer da - aber nun sind wieder bessere Voraussetzungen da. Wir können ehrlich an uns glauben. Und ich bin mir sicher, dass wir uns schon bald selbst belohnen. Denn am Ende ist die Welt doch gerecht. Ganz sicher."