HSV-Profi Paolo Guerrero scheint seine Formkrise überwunden zu haben. Auch abseits des Platzes machte er zuletzt eine ziemlich gute Figur.
Hamburg. Paolo Guerreros Nacht nach dem 1:1 gegen Kaiserslautern war kurz. "Mein rechter Fuß schmerzt noch ein wenig", sagt der HSV-Torjäger, dem aber vor allem die strittige Situation vor seinem nicht gegebenen Tor den Schlaf raubte. "Es war kein Handspiel", beteuert Guerrero, dessen braune Augen weit aufgerissen sind, während er die viel diskutierte Szene vom Vortag beim Abendblatt-Termin in den Katakomben der Imtech-Arena noch einmal bildlich nachspielt. "So habe ich den Ball angenommen", sagt der 27-Jährige, winkelt die Arme an und schlägt sich auf sein Herz, "nur mit der Brust."
In einigen Tagen, das weiß auch Guerrero, wird wohl kaum noch jemand von dem Handspiel, das kein Handspiel war, sprechen. "Wichtig war, dass mein zweites Tor gezählt hat. Dieser Treffer hat uns den Glauben an unsere eigene Stärke zurückgegeben", sagt der Peruaner, der zuvor acht Monate lang kein reguläres Tor mehr erzielen konnte. Eine Erklärung, warum er in den vergangenen Monaten im Trikot des HSV nur selten überzeugen konnte, hat Guerrero nicht. Eine Erklärung, warum es für ihn endlich wieder besser läuft, hat er dagegen sofort parat. "Unter Thorsten Fink bringt es wieder richtig Spaß zu spielen", sagt der Stürmer, "er denkt sehr offensiv, was besonders mir guttut." Endlich dürfe er als echte Nummer neun im Angriff spielen, wodurch er viel torgefährlicher sei als zuvor in der Rolle der hängenden Spitze. "Das Tor gegen Lautern wird nicht mein letzter Treffer gewesen sein", sagt der Südamerikaner.
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Ein Gespräch über Fußball mit Guerrero kann schnell vorbei sein. Der Angreifer antwortet in etwa so blitzartig, wie er zuweilen für seinen Torabschluss braucht. Nein, er glaube nicht, dass der HSV lange auf einem Abstiegsplatz bleiben werde. Und ja, das Team sei viel besser als noch zu Saisonbeginn. Sehr viel mehr Zeit nimmt sich Guerrero nur, wenn man auf seine Heimat zu sprechen kommt. Was ihm Peru wirklich bedeutet, konnte man am besten im Anschluss an die erfolgreiche Copa América beobachten, bei der er mit fünf Treffern Torschützenkönig wurde. "Mir hat es viel bedeutet, wie die Leute unseren Erfolg im Sommer gefeiert haben", sagt Guerrero, der sogar vom frisch gewählten Präsidenten Ollanta Humala zu einem Gespräch gebeten wurde.
Der wahrscheinlich emotionalste Termin im Anschluss an die Feierlichkeiten hatte Guerrero aber weder bei einem Politiker noch bei Journalisten. Der Besuch der Fe-y-Alegria-Schule, die vom katholischen Hilfswerk Adveniat unterstützt wird, lässt auch heute noch Guerreros Augen strahlen. Die Schule in Lima, die Kinder mittelloser Eltern unterstützt, liegt nur wenige Autominuten vom Viertel Chorrillos entfernt, in dem Guerrero aufwuchs. "Dieser Vormittag mit den Kindern war großartig", sagt der Fußballer, den besonders eine Frage eines Jungen amüsierte. "Einer sagte, dass sein Opa ihm erzählt habe, dass er mal mit meiner Oma getanzt hatte", sagt Guerrero, "der Kleine wollte wissen, ob das wahr sei."
In Hamburg hat kaum jemand von Guerreros Einsatz für das Hilfswerk Adveniat, das seit 50 Jahren mehr als 200 000 Projekte in Lateinamerika unterstützt, Notiz genommen. Spätestens seit seinem berühmten Flaschenwurf, als Guerrero einem schimpfenden Zuschauer eine Wasserflasche ins Gesicht geworfen hatte, gilt der Peruaner als "Skandalprofi". Mal war der "Hamburger Morgenpost" der Vorderreifen seines Porsche, der im Parkverbot stand, eine Titelseite wert, mal wurde ein verweigerter Handschlag nach einer Auswechslung tagelang diskutiert. Auch das Abendblatt widmete der "Akte Guerrero" eine Geschichte.
So hilft Adveniat in Südamerika
"Paolo Guerreros Einsatz für unsere Hilfsprojekte ist für uns von unermesslichem Wert" sagt dagegen Adveniat-Sprecher Christian Frevel, der betont, dass sich der HSV-Profi nicht einfach nur mit Geld engagiert. "Viel wichtiger ist so ein Besuch in Lima, den niemand so schnell vergessen wird." Weder die Kinder noch Guerrero. "Ich hatte viel Glück in meinem Leben. Deswegen finde ich es selbstverständlich, mich auch ein bisschen zu engagieren", sagt der HSV-Profi, der als Kind in Chorrillos die Reyes-Rojos-Schule besuchte. Natürlich sei Sport immer sein Lieblingsfach gewesen, sagt Guerrero, aber auch das Fach Literatur habe ihm gut gefallen. Am liebsten habe er das Buch "Die Stadt und die Hunde" von Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa gelesen.
Im Bundesliga-Alltag sind für derartige Gedanken nur wenig Zeit. Sollte der HSV das nächste Spiel verlieren, dürfte es kaum Nachfragen zu Vargas Llosa geben. Guerrero weiß das. Er habe keine Probleme mit der Kurzlebigkeit des Geschäfts, sagt er. Heute ist man ein Skandalprofi, morgen ein Held. Schlaflose Nächte habe er deswegen nicht. Nur ein Handspiel, das versichert Guerrero am Ende des Gesprächs noch mal, war es trotzdem nicht.