Mit einem Schützenfest feiert der neue Chefcoach sein Debüt als Veh-Nachfolger. Petric traf dreifach, Kacar, Ben-Hatira und Zé Roberto einfach.

Hamburg. Sie tollten wie kleine Jungs vor der Nordtribüne herum. Mladen Petric steckte sich den Ball unter das Trikot, Joris Mathijsen hüpfte wie ein Flummi hin und her, und die Fans des Hamburger SV sangen selig. Es brauchte nur 90 Minuten und sechs Tore, um aus dem Chaos in die Euphorie durchzustarten. Fußball ist ein schnelles Geschäft - und mit dem 6:2 (4:0) gegen den 1. FC Köln hat der HSV seine turbulente Woche des Umbruchs mit einem Knalleffekt beendet.

Neuer Vorstand, neuer Trainer, auch ein neuer Geist? „Es war nur ein erster Schritt, dieses Niveau gilt es jetzt zu halten“, sagte Trainer Michael Oenning, „es ist uns aber gut gelungen, uns den Frust von der Seele zu spielen.“

Vor einer Woche lag der stolze Bundesliga-Dino k.o. am Boden. 0: 6 bei Bayern München, desolate Leistung, Auflösungserscheinungen. Am Sonntag musste dann Trainer Armin Veh gehen, der bisherige Assistent Oenning übernahm. Mittwoch folgte die Trennung vom Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann und dessen treuer Marketingfachfrau Katja Kraus. Carl-Edgar Jarchow übernahm den Job als Vorstandsboss kommissarisch. Alles auf Null beim HSV.

Und dann kam der 1. FC Köln. Manchmal muss man auch Glück mit dem Spielplan haben. Die Rheinländer sind die schwächste Auswärtsmannschaft der Liga. „Wir werden natürlich permanent mit der Auswärtsthematik konfrontiert“, sagte FC-Coach Frank Schäfer, „wir haben uns intensiv vorbereitet, viele Dinge anders gemacht als bisher und haben Wege gesucht, den Bock umzustoßen.“ Umso grandioser war das Scheitern.

Nach dem 0:1 durch Mladen Petric (12.) irrten die Kölner Spieler so orientierungslos herum wie Geißbock Hennes auf einer Streuwiese. „Nach dem 0:1 war die Mannschaft völlig überfordert“, sagte Schäfer, „wir haben dem Gegner Räume angeboten, die man niemals preisgeben darf.“

Weitere Treffer von Petric (38., 43) sowie ein Tor des glänzenden Änis Ben-Hatira (32.) entschieden die Partie schon vor der Pause. „Es ging dann nur noch um Schadenbegrenzung, von daher ist das 2:2 in der zweiten Hälfte ganz gut“, sagte Verteidiger Christian Eichner, „entscheidend ist, dass wir mit der Niederlage richtig umgehen. Vor drei Monaten hätte ich mir noch Sorgen gemacht, aber der Verein ist jetzt stabil.“

Gojko Kacar (52.) und Ze Roberto, der mit seinem 330. Bundesligaspiel den Rekord von Sergej Barbarez als Ausländer mit den meisten Erstliga-Einsätzen einstellte, mit einem Foulelfmeter (58.) vollendeten das Hamburger Schützenfest. Mato Jajalo (50.) und Lukas Podolski (62.) waren in dem „Trainingsspiel“ der zweiten Hälfte für den FC erfolgreich. „Natürlich sind wir überhaupt noch nicht aus dem Abstiegskampf heraus“, sagte Eichner, „so bleibt immer der Druck, die Heimspiele gewinnen zu müssen.“

Beim HSV haben sie jetzt zwei Tage frei. Oenning kann den Triumph auskosten - „mal sehen, was meine Familie dazu sagt“. Dann muss er daran arbeiten, dass dieser Sieg nicht wieder nur ein Strohfeuer bleibt, wie so oft beim HSV. Sonnabend jedenfalls hat viel geklappt. Ruud van Nistelrooy war engagiert, der lange verletzte Dennis Diekmeier feierte ein gelungenes HSV-Debüt, Petric traf. „Wir haben eine sensationelle Reaktion auf das letzte Spiel gezeigt“, sagte der Kroate, „dieser Erfolg war natürlich gut für unsere Köpfe.“

Nächste Station Hoffenheim, nachlegen. Denn noch immer gibt es bei noch sieben ausstehenden Spielen die Möglichkeit, Platz fünf und damit die Europa League zu erreichen. „Nach wie vor stehen mehr Heim- als Auswärtsspiele an, und somit haben wir auch immer noch die Chance, weiter oben ranzukommen“, sagte Oenning. Leider kommt aber nicht immer der 1. FC Köln vorbei.

Das Spiel im Liveticker zum Nachlesen

90.Minute: Das war's. Das Spiel ist aus.

88. Minute: Der HSV lässt das hier jetzt ruhig aussschaukeln. Die Fans feiern bereits seit der Halbzeit. So viele eigene Tore haben die HSV-Fans zuletzt im Mai 2008 gesehen, als der KSC mit 7:0 besiegt wurde.

82. Minute: Tunay Torun kommt für Ruud van Nistelrooy und hat gleich die erste Chance. Aus 13 Metern schießt er links vorbei.

80. Minute: Der HSV hat jetzt einen Gang runtergeschaltet. Köln hat sich längst aufgegeben.

76. Minute: Heiko Westermann versucht es mit einem mutigen Volleyschuss aus 25 Metern. Der Ball fliegt Richtung Nordtribüne.

70. Minute: Der HSV hat nach vorne unfassbar viel Platz. Elia legt in den Lauf von van Nistelrooy, der aus 16 Metern nur knapp sein verdientes Tor verpasst. Der Ball geht links am Winkel vorbei.

64. Minute: Der HSV setzt weiter nach. Demel flankt auf den zweiten Pfosten, wo Petric die Kugel aus der Luft nimmt. Ein weiteres Traumtor verhindert Miso Brecko mit dem Allerwertesten.

62. Minute: Tor für Köln! Die Zuschauer erleben hier ein echtes Schützenfest. Lukas Podolski entwischt Kacar, umkurvt Rost und schiebt aus elf Metern ein. Tolle Aktion des Nationalspielers.

60. Minute: Die Zuschauer erheben sich. Änis Ben-Hatira verlässt den Platz. Heung-Min Son kommt für den überragenden Mann der ersten Halbzeit.

58. Minute: Zé Roberto läuft an und... trifft!!! 6:1!!!!!! Der Brasilianer macht in seinem Rekordspiel ein Tor.

57. Minute: Elfmeter für den HSV. Pezzoni bringt Petric zu Fall.

55. Minute: Dennis Diekmeier geht unter großem Applaus vom Platz. Guy Demel kommt neu ins Spiel.

52. Minute: TOOOOOOR! 5:1 durch Gojko Kacar. Der HSV antwortet nur Sekunden später und stellt den alten Abstand wieder her.

50. Minute: TOR! Nur noch 4:1. Jajalo vernascht Diekmeier und trifft mit rechts aus 16 Metern.

48. Minute: Riesenchance für den 1. FC Köln: Martin Lanig kommt aus sieben Metern völlig frei zum Schuss, zielt aber direkt in die Arme von Frank Rost, der das Leder in seinen großen Händen vergräbt.

46. Minute: Weiter geht's mit Halbzeit zwei.

45.+ 2. Minute: Halbzeit in Hamburg. Der HSV führt gegen Köln mit 4:0. Das war die beste Halbzeit der Rothosen seit langer Zeit. Michael Oenning scheint bei seinem Debüt als Chefcoach die richtigen Worte gefunden zu haben.

45.+1. Minute: Jetzt fängt Ben-Hatira an zu zaubern, lupft sic hden Ball selbst in den Lauf. Er sollte es nicht übertreiben...

44. Minute: Kurios: Ein "Flitzer" läuft aufs Feld und will Dennis Diekmeier einen Köln-Schal umhängen. Dieser schubst den Mann genervt weg. FC-Kapitän Lukas Podolski führt in vom Feld.

43. Minute: 4:0!!!! Mladen Petric macht sein drittes Tor. Was geht denn hier ab? Elia flankt nac heiner feinen Einzelaktion auf Petric, der aus sechs Metern völlig ungestört einköpfen kann. Auflösungserscheinungen beim 1. FC Köln.

39. Minute: TOR! TOR! TOR! Wieder trifft Mladen Petric. 3:0 für den HSV. Die Hamburger spielen sich ein einen Rausch. Van Nistelrooy mit einer lehrbuchreifen Vorarbeit auf Petric, der mit links aus 15 Metern in die rechte untere Ecke schießt.

37. Minute: Kopfball Ben-Hatira - knapp drüber. Der Junge macht heute richtig Spaß.

35. Minute: Fast das 3:0... Ben-Hatira steckt perfekt durch zu Ruud van Nistelrooy, der aus zehn Metern mit einem Flachschuss nur knapp das Ziel verfehlt.

32. Minute: TOOOOOOOOR! 2:0 für den HSV durch Änis Ben-Hatira. Und was für ein toller Treffer!! Aus 18 Metern überwindet der Flügelflitzer FC-Keeper Michael Rensing mit einem frechen Lupfer. Die Krönung der bisherigen Leistung des Deutsch-Tunesiers.

27. Minute: Wieder versucht es Ben-Hatira, der mächtig Alarm macht. Aus 17 Metern zieht er ähnlich scharf ab wie beim 1:0. Diesmal zielt er knapp links vorbei.

25. Minute: Erste starke Aktion von Dennis Diekmeier. Mit viel Tempo sprintet er den rechten Flügel entlang. Aus vollem Lauf flankt er in die Mitte. Dort setzt sich Petric gegen zwei Kölner durch, köpft die Kugel aus zehn Metern knapp neben den rechten Balken.

21. Minute: Novakovic trifft für den 1. FC Köln, aber das Tor zählt nicht. Der Slowene stand zuvor im Abseits. Korrekte Entscheidung.

16. Minute: Gute Aktion von Eljero Elia. Der Niederländer dribbelt von links ins Zentrum und probiert es aus 16 Metern mit einem Kunstschuss. Knapp am rechten oberen Dreieck vorbei.

12. Minute: TOOOOOOOOOOOR! 1:0 für den HSV durch Mladen Petric. Ben-Hatira zieht von rechts in die Mitte aund aus 13 Metern ab. Rensing kann nur abklatschen. Petric ist da und schiebt aus sechs Metern ins leere Tor.

10. Minute: Zé Roberto geht an FC-Keeper Rensing vorbei, legt sich das Leder aber zu weit vor. Der Ball geht ins Toraus.

8. Minute: Wieder van Nistelrooy. Aus 20 Metern zieht er einfach mal ab - weit drüber.

7. Minute: Erste Torchance für den HSV: Elia flankt mit links von der Grundlinie. Am Elfmeterpunkt steht van Nistelrooy, der den Ball per Kopf nimmt. Die Flanke ist aber etwas zu hoch für den Niederländer, der den Ball nicht mehr drücken kann.

4. Minute: Das Spiel beginnt ruhig. Der HSV übernimmt die Kontrolle, kommt aber noch nicht in Tornähe.

1. Minute: Los geht's!

Die Aufstellungen

HSV: Frank Rost - Dennis Diekmeier, Gojko Kacar, Joris Mathijsen, Dennis Aogo - Heiko Westermann - Änis Ben-Hatira, Eljero Elia - Zé Roberto - Ruud van Nistelrooy und Mladen Petric

Köln: Michael Rensing - Miso Brecko, Youssef Mohamad, Kevin Pezzoni, Christian Eichner - Martin Lanig, Petit - Slawomir Peszko, Lukas Podolski, Mato Jajalo - Milivoje Novakovic

Tore: 1:0 Petric (12.), 2:0 Ben-Hatira (32.), 3:0 Petric (39.), 4:0 Petric (43.), 4:1 Jajalo (50.), 5:1 Kacar (52.), 6:1 Zé Roberto (58.), 6:2 Podolski (62.)

Vor dem Spiel: Es ist das erste Spiel des neuen HSV-Cheftrainers Michael Oenning. Der bisherige Co-Trainer übernimmt mindestens bis Saisonende die Position des entlassenen Armin Veh. Oenning hat sich viel vorgenommen, will sich für ein längerfristiges Engagement an der Elbe empfehlen. Gegen den heutigen Gegner 1. FC Köln will der frühere Nürnberger vor allem offensiver spielen. Dafür lässt er Zé Roberto, der sein 330. Bundesligaspiel absolviert, auf der Zehnerposition agieren. Zudem hat er Ruud van Nistelrooy wieder für die erste Formation nominiert. "Er verbreitet bei vielen Abwehrspielern noch immer Angst und Schrecken", sagte Oenning unter der Woche.

Sein Debüt für den HSV feiert Dennis Diekmeier, der auf der rechten Abwehrseite verteidigt. Der frühere Schützling von Oenning beim 1. FC Nürnberg kam vor der Saison zum HSV, konnte dort aber verletzungsbedingt noch kein Spiel machen. Heute übernimmt Diekmeier die Position von Guy Demel.