Nach der enttäuschenden Niederlage in Freiburg traten die HSV-Spieler in den Dialog mit den Fans. Die Aktion wäre beinahe eskaliert.
Hamburg. Den mitgereisten Fans des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV war nach dem Spiel beim SC Freiburg nicht wirklich nach Reden zu Mute. Als die Spieler der "Rothosen" nach der erneut enttäuschenden Vorstellung beim Sportclub auf die Anhänger zugingen, mussten Ruud van Nistelrooy, Heiko Westermann und Co. Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Die trostlose Leistung des HSV brachte die Fans auf die Palme. Während die meisten Spieler die Worte über sich ergehen ließen, brannten bei Rechtsverteidiger Guy Demel die Sicherungen durch.
Der Ivorer schimpfte zurück, ließ sich von den Anhängern provozieren. Nicht das erste Mal, dass der 29-Jährige die Fassung verlor. Bezeichnend, dass der 18-jährige Südkoreaner Heung-Min Son seinen elf Jahre älteren Teamkollegen beruhigen musste. Das Verhältnis zwischen Fans und Profis beim HSV hat durch diese Szene erneut gelitten. Trainer Armin Veh, Spieler und Vorstand sind jetzt gefragt, eine Reaktion zu zeigen. Am Sonnabend im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen bietet sich dafür eine neue Chance.
70 Festnahmen nach Randalen
Es passte ins trostlose Bild, das der HSV an diesem Wochenende ablieferte: Beamte der Bundespolizei und der Essener Polizei haben in den frühen Morgenstunden des Sonnabends im Essener Hauptbahnhof eine durch laut Polizeiangaben "Randale und Zerstörungswut überschattete Zugfahrt" von 70 HSV-Fans beendet, die das Spiel im Breisgau besuchen wollten. In der Mitteilung der Beamten heißt es, bereits auf der Fahrt von Bremen nach Osnabrück seien Deckenplatten und Beleuchtungskörper im Zug zertreten worden. "Im Essener Hauptbahnhof griffen Randalierer, während des Umsteigens in eine S-Bahn mit Fahrziel Köln, mehrere Reisende an. Aus der Gruppe heraus wurde Pyrotechnik gezündet, ein Bahnsteig musste aus Sicherheitsgründen für 50 Minuten gesperrt werden." Bei der Festnahme der Randalierer sei es vereinzelt zu Widerstandshandlungen gekommen, so Polizeisprecher Christian Kossen: "Die Fans waren aggressiv."
Mit bereitgestellten Bussen der Essener Verkehrs AG wurden alle 70 Fans dem Essener Polizeigewahrsam zugeführt. Die bereitschaftshabende Richterin des Essener Amtsgerichtes verfügte am frühen Morgen, dass diese Gruppe ihre Fahrt nach Freiburg nicht mehr fortsetzen werde. Die Gruppe wurde am frühen Nachmittag mit einem Zug in Begleitung von Bundespolizeikräften nach Hamburg zurückgebracht. Die Bilanz der Nacht: drei verletzte Reisende, mehrere Festnahmen nach gefährlicher Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Außerdem wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Widerstands, Nötigung und Bedrohung eingeleitet.
Oliver Scheel hatte die vom Klub angebotene Auswärtsreise gebucht und saß am Sonnabend gerade mit 120 Fans im ICE von Hamburg nach Freiburg, als ihn die Schreckensmeldung erreichte. "Ich bin maßlos enttäuscht", reagierte der HSV-Vorstand, "1800 HSV-Anhänger reisen vernünftig nach Freiburg, aber eine kleine Gruppe schafft es, den Verein durch ihr Verhalten wieder in schlechtes Licht zu rücken." Ausschreitungen dieser Art kennt Scheel: Zuletzt hatten 150 HSV-Anhänger im November 2009 vor dem Auswärtsspiel bei Mainz 05 im Bielefelder Hauptbahnhof zwei Geschäfte und einen Servicepoint verwüstet.
Wie das Abendblatt in der vergangenen Woche berichtet hatte, stehen die HSV-Fans beim Deutschen Fußballbund bereits seit einiger Zeit unter Beobachtung, weil immer häufiger auf den Rängen mit Pyrotechnik gezündelt wird. Beim nächsten größeren Zwischenfall, lautet die vereinsinterne Einschätzung, werde der Klub mit einer Blocksperre bei einem Auswärtsspiel belegt, was es in der Geschichte des HSV noch nie gab. Scheel - ein Jurist - glaubt jedoch, dass der neuerliche Vorfall in Essen keine direkten Auswirkungen haben werde, weil die betreffende Fahrt nicht vom Verein organisiert worden war. "Hilfreich ist das allerdings auch nicht gerade", so Scheel.