Erst Held, dann aussortiert und plötzlich wieder gefragt: Gegen Freiburg absolviert David Jarolim seine 250. Bundesliga-Partie für den HSV.

Hamburg. Seinen Mittelscheitel hatte David Jarolim noch sauber gezogen, bevor es auf der A24 in hohem Tempo nach Hamburg ging. Die Zeit war knapp, das Transferfenster beinahe zu - es stand schon nicht mal mehr auf Kipp. Als der Tscheche 2003 nach einem Pokalspiel in Berlin kurzfristig zur Unterschrift nach Hamburg reiste, hatte er außer einem Trainingsanzug vom 1. FC Nürnberg nichts dabei. Manager Dietmar Beiersdorfer musste mit einer viel zu weiten Hose und einem sauberen Hemd aushelfen. Es sah ein wenig seltsam aus.

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"Das muss ich zugeben“, sagt Jarolim und lacht, „die Klamotten waren schon ein wenig groß damals.“ Neun Jahre später macht Jarolim sein 250. Spiel für den HSV, nach der Saison ist Schluss für ihn in Hamburg. Es ist ein besonderes Spiel am Sonnabend gegen den SC Freiburg (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de). Die Fans werden „Jaro“ feiern, der Verein hat ein Jubiläums-T-Shirt in Druck gegeben. „Das ist schon eine super Zahl, so viele Spiele für einen Klub absolviert zu haben“, sagt Jarolim stolz. Trainer Thorsten Fink weiß um die Verdienste des Tschechen und drapiert die Kapitänsbinde am Arm des 32-Jährigen - Heiko Westermann fehlt gelbgesperrt.

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Eine bedächtige Feierstunde wird es für Jarolim auf dem Platz aber nicht geben, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Nur vier Punkte trennen das Bundesliga-Gründungsmitglied vom Relegationsplatz, „Abstiegskampf pur“, sagt Jarolim.

Die Haare des Tschechen sind in den knapp neun Jahren an der Elbe lichter geworden, nichts an ihm erinnert mehr wie früher an Nick Carter von den Backstreet Boys. Sein Körper hat aber noch immer Popstar-Potenzial, ist drahtig wie eh und je. „Mister Mega-Mucki“ (Bild-Zeitung) hat noch immer kein Gramm Fett am Bauch: Rund 70 Kilogramm verteilt auf 172 Zentimeter. 172 Zentimeter, die er am Samstag wie in den vergangenen Jahren für den HSV in die Zweikämpfe werfen wird. Mit denen er sich Rang drei in der ewigen Rangliste der Gelbsünder erkämpfte (92).

Mit unermüdlichem Einsatz und seinem Siegeswillen war Jarolim bis zu dieser Saison Stammkraft beim HSV, führte den Traditionsklub in die „Werder-Wochen“ 2009, als die „Rothosen“ in kurzer Abfolge zwei bittere Niederlagen wegstecken mussten. Erst gewann Werder Bremen das Halbfinale des DFB-Pokals, dann zog Hamburg auch im Halbfinale der Europa League den Kürzeren. Bittere Niederlagen für einen, der in Hamburg inzwischen fest verwurzelt ist: „Ich würde niemals bei Werder Bremen anheuern, selbst wenn es das einzige Angebot wäre. Das verbietet mir mein Ehrenkodex.“

Jarolims Ära beim HSV wird ungekrönt bleiben, doch das interessiert den Tschechen momentan so wenig wie seine ungeklärte Zukunft. „Wir sind unseren Fans einiges schuldig. Wir dürfen uns nichts mehr erlauben, müssen zu Hause mal eine Serie starten. Das geht nur mit Kampf und Leidenschaft“, sagt Jarolim vor dem Kellerduell.

Kampf und Leidenschaft - Eigenschaften, für die Jarolim eher steht als für ein schnelles Umschaltspiel mit wenigen Ballkontakten. Jarolim verschleppt das Spiel, anstatt es zu beschleunigen. Daher landete er bei Fink zunächst auf der Bank, doch als es schlecht lief, stieg der Mittelfeld-Arbeiter wieder im Ansehen des Trainers. „Er ist ein Vorbild für die jungen Spieler und hat immer gezeigt, dass er da ist - auch wenn er nicht gespielt hat“, sagt Fink heute.

Dennoch trennen sich nach der Saison die Wege. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das sei mir egal“, sagt Jarolim, „der HSV ist mein Verein, ich wäre gern geblieben.“ Doch dieses Mal weiß der Profi frühzeitig Bescheid. Und muss in der Stadt seines neuen Klubs nicht wieder direkt zum Herrenausstatter. (abendblatt.de/sid)