Ruud van Nistelrooy ließ seinen Worten in der Europa League gegen Standard Taten folgen - Probleme bleiben in der “löchrigen“ Abwehr.
Hamburg. Ruud van Nistelrooy hatte es am Freitag eilig. Der Niederländer lächelte freundlich, lehnte die Interviewwünsche der wartenden Medienvertreter nach dem morgendlichen Regenerationstraining aber ebenso freundlich wie auch bestimmt ab. Gesprochen hatte der Stürmerstar in dieser Woche genug - extern und vor allem intern. Jetzt sollten nur noch Taten folgen. "Die Moral der Mannschaft war überragend", hatte van Nistelrooy am Vorabend zu Protokoll gegeben - und meinte damit die Antwort seines Teams auf die desaströse Bundesliga-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, die anschließende Krisensitzung mit Mannschaft, Trainer und Vorstand und der darauf folgenden wohl schwierigsten Woche der laufenden Saison. "Wir wollten gegen Lüttich eine Reaktion zeigen - das ist uns gelungen", hatte van Nistelrooy nach dem 2:1-Sieg im Viertelfinalhinspiel der Europa League gegen Standard nicht ohne Stolz in der Stimme gesagt.
Es geht wieder aufwärts - der Sieg gilt als Fingerzeig für den Kurs aus der Krise.
Ähnlich wie van Nistelrooy, der am Montag gemeinsam mit Zé Roberto Wortführer bei der mannschaftsinternen Aussprache gewesen war und am Donnerstag gegen den belgischen Meister sechsmal aufs und immerhin einmal ins Tor geschossen hatte, sahen es auch die anderen HSV-Akteure. So betonte Kapitän David Jarolim, dass seine Mannschaft "Moral bewiesen" hätte, Guy Demel sprach etwas pathetisch von "einem großen Spiel für den Verein" und für Mladen Petric, der vom Elfmeterpunkt getroffen hatte, war es ein Schritt in die richtige Richtung - "allerdings nur ein ganz kleiner".
Tatsächlich wollte nach dem verdienten "Aufwärtssieg" niemand verhehlen, dass auch der Erfolg gegen Lüttich die nach wie vor vorhandenen Probleme nicht endgültig beseitigen konnte. So hatte nicht nur Hannovers Trainer Mirko Slomka, der sich die Partie gemeinsam mit seiner Mannschaft live von der Tribüne aus anguckte, vor dem Nordderby am Sonntag (17.30 Uhr/live auf Sky und im Abendblatt-Ticker) große Schwierigkeiten in der Hintermannschaft ausgemacht. "Der HSV ist der große Favorit, ich habe aber auch Löcher in der Abwehr gesehen", fasste Slomka seinen Eindruck über den HSV im Frühjahr 2010 treffend zusammen. Ein Eindruck, der durch das überflüssige Gegentor zum zwischenzeitlichen 0:1 durch Mbokani (30.) nach einem haarsträubenden Fehler Jerome Boatengs nur verstärkt wurde.
Auch die erneute Nichtberücksichtigung Piotr Trochowskis verblüffte, besonders, weil nach der internen Aussprache zum Wochenstart ein echter Neustart propagiert wurde. Doch Trainer Bruno Labbadia zog dem Nationalspieler trotz der verletzungsbedingten Ausfälle von Marcell Jansen und Eljero Elia auf den Flügeln Jonathan Pitroipa und Tunay Torun vor - ein Schachzug, der im Fall von Pitroipa aufging, im Fall von Torun eher nicht.
Allerdings war es nicht der Abend, um über die kleinen und auch großen Probleme des HSV zu sprechen - das wurde in den Tagen zuvor bereits zugenüge gemacht. Der 2:1-Sieg machte allen Beteiligten viel mehr Mut, dass am kommenden Donnerstag in Belgien tatsächlich der Einzug ins Halbfinale geschafft werden könnte. Der Wunsch und der Glaube an die "Operation Rathausmarkt", die durch 20 000 von den Supporters gedruckte, verteilte und geklebte Aufkleber dokumentiert wird, lebt weiter - das Finale in Hamburg am 12. Mai und eine anschließende Titelfeier vor dem Rathausbalkon ist und bleibt das Ziel. "Wir sind alle überzeugt von unserer Spielweise - nur das ist wichtig", sagte van Nistelrooy, "wir sind der HSV - und so haben wir endlich auch wieder gespielt."
Es geht wieder aufwärts.
HSV: Rost - Demel, Boateng, Mathijsen, Aogo - Jarolim, Zé Roberto - Pitroipa, Torun (72. Trochowski) - van Nistelrooy, Petric (72. Berg).
Lüttich: Bolat - Camozzato, Victor Ramos, Mangala, Pocognoli - Goreux (Grozav), Witsel, Carcela-Gonzalez - de Camargo, Jovanovic (90.+2 Traore) - Mbokani.
Tore: 0:1 Mbokani (30.), 1:1 Petric (42., Foulelfmeter), 2:1 van Nistelrooy (45.)
Schiedsrichter: Martin Atkinson (England). Zuschauer: 48 437. Gelb: van Nistelrooy, Zé Roberto - Camozzato, Mangala, Victor Ramos.