Der Tscheche griff Bielefelds Schuler in den Unterleib und sah Rot - Frank Rost attackiert Bastian Reinhardt. Den Rest des verdorbenen Wochenendes verbrachte David Jarolim in seiner Heimat. Seine Mutter Jaroslava feierte in Prohunice, einem Außenbezirk von Prag, ihren Geburtstag. Im Kreise seiner Familie konnte der tschechische Mittelfeldspieler in Ruhe reflektieren, zu welch dummer Aktion er sich in der 66. Minute der Partie gegen Arminia Bielefeld hinreißen ließ.

Hamburg. Nachdem er zunächst vergeblich an der Strafraumgrenze einen Freistoß herausholen wollte, gingen Rüdiger Kauf und Markus Schuler auf Jarolim los. Dieser lächelte und kniff Schuler in die Genitalien, worauf dieser (theatralisch, aber den Gepflogenheiten des Profifußballs folgend) zu Boden ging, als ob er gerade entmannt worden wäre. Schiedsrichter Jochen Drees, der dem HSV-Profi zunächst Gelb wegen einer Schwalbe zeigen wollte, zog Rot.

Für die Aktion Jarolims hatte niemand Verständnis. "Die Hand gehört dort nicht hin, ich akzeptiere solche Undiszipliniertheiten nicht", sagte Huub Stevens sauer. "Es ist schade, dass so etwas Leuten mit einer gewissen Erfahrung passiert", kritisierte Torwart Frank Rost, während Bastian Reinhardt glaubte: "Unser Führungstor wäre nur eine Frage der Zeit gewesen."

Auch Jarolim, dem vier Spiele Sperre drohen, zeigte sich reumütig: "Ich bin eigentlich ein ruhiger Typ, habe noch nie eine Rote Karte gesehen, es tut mir leid, dass ich so reagierte habe." Warum er sich zum Griff ins Gemächt hinreißen ließ? "Schuler hat zu mir Sch...Tscheche gesagt."

Der Blackout Jarolims passt ins Bild: Ausgerechnet in der Schlussphase der Saison scheinen die Spieler ihre Nerven nicht im Griff zu haben, zudem bröckelt das Bild von der heilen HSV-Familie. Nach den unnötigen Platzverweisen von Joris Mathijsen und Vincent Kompany in Wolfsburg nun also Jarolim. Während Mathijsens Tritt gegen Grafite eher als Einzelfall gelten dürfte, scheinen die Roten Karten von Kompany und Jarolim Ausdruck für die Unzufriedenheit mit der persönlichen Situation zu sein. Der HSV dezimiert sich unnötig selbst - passend dazu humpelte Ivica Olic mit Verdacht auf Muskelfaserriss vom Platz.

Auch die Kritik von Bastian Reinhardt an Rafael van der Vaart, er möge doch bitte mehr Laufarbeit verrichten, blieb nicht ohne Folgen. "Sicherlich sorgt das nicht für Furore innerhalb des Teams", monierte Rost, der Reinhardt vorwarf: "Solche Aussagen sind nur für die Galerie, dienen dazu, sich zu profilieren." Und: "Die einzige Wahrheit liegt auf dem Platz. Dort musst du zeigen, was du kannst, nicht in der Presse."

Als Reinhardt nach dem Spiel die Kabine verlies, kannte er die Aussagen Rosts bereits: "Ich kann Frank verstehen, sehe es auch so. Ich hätte es mir lieber verkneifen und intern ansprechen sollen." Dass die Unruhe um seine Worte den Spielausgang negativ beeinflusst hätten, wollte Reinhardt allerdings nicht einsehen: "Wir haben dieses Spiel nicht gewonnen, weil wir uns durch die Rote Karte geschwächt haben."

Als "Teil des ergebnismäßig betrüblichen Nachmittags" bewertete Klubchef Bernd Hoffmann den Platzverweis. Obwohl der HSV als Zweiter noch immer eine glänzende Ausgangsposition vor den letzten acht Spielen hat, zeigt der Trend klar nach unten. Zwar blieb der Klub in nun schon elf Spielen unbesiegt, spielte dabei aber achtmal nur Unentschieden. Der spielerische Glanz der Hinrunde ist verloren gegangen, die lange Saison fordert offenbar ihren Tribut, die Spieler kritisieren sich gegenseitig. Und die Wahrheit darf (siehe Reinhardt) offen niemand sagen.

"Zwischen den Ohren" würden die Spiele entschieden, hatte der HSV-Coach vergangene Woche gesagt. Genau dort scheint die Mannschaft Probleme zu haben. Auch letzte Saison hagelte es fünf Rote und zwei Gelb-Rote Karten. In dieser Saison häuften sich zu Beginn die Platzverweise (Demel, Atouba, Kompany).

Viel Arbeit für Stevens. Dieser hatte übrigens versucht, die Gelb-Rote Karte von Jörg Böhme zu verhindern, weil er den Zweikampf mit Jerome Boateng für nicht gelbwürdig hielt. Ein feiner Zug, der Schiedsrichter Drees aber nicht interessierte. Was bezeichnend war für diesen verdorbenen Nachmittag.