Rekordnationalspielerin erklärte auf einer Pressekonferenz in Frankfurt ihren sofortigen Rücktritt. Sie absolvierte 214 Länderspiele.

Frankfurt/Main. Gefasst, ja beinah entspannt verkündete Birgit Prinz am Freitagvormittag das Ende ihrer Fußballkarriere. Die Szenerie in einem Frankfurter Hotel erinnerte an den Nachmittag des 7. Juli 2011: Birgit Prinz saß in der ehemaligen Turnhalle des VfL Wolfsburg und sprach so offen wie kein Fußballer je zuvor über ihr Seelenleben. Sie schrieb eine denkwürdige Geschichte der Frauen-Weltmeisterschaft, die in vielen Punkten nicht das wurde, was sie werden sollte.

Vor allem nicht für Birgit Prinz. Selten hat man eine derart selbstkritische Sportlerin erlebt. Viele waren geschockt, dass eine so erfahrene und gestandene Frau von kritischer Berichterstattung derart verwundet werden kann. Prinz spielte nicht gut, sie traf nicht, sie wurde ausgewechselt, dann gar nicht mehr aufgestellt, ihre internationale Karriere endete unrühmlich auf der Ersatzbank. Ihre Laufbahn in der Bundesliga aber würde weitergehen, dachten viele. Nun endet auch die – bei einem Testspiel gegen den Zweitligisten Würzburg am vergangenen Sonntag stand Prinz das letzte Mal als Sportlerin auf dem Rasen. Beim 4:1 blieb sie wieder ohne Tor.

Prinz ist studierte Psychologin, sie kennt die Mechanismen der Medienwelt. Und doch hat sie nie gelernt, damit umzugehen. Jahrzehnte kannte sie nur die schimmernde Seite des Sports: Prinz, die Königin des Fußballs. Sie gewinnt zweimal die WM, fünfmal die EM, wird dreimal Weltfußballerin des Jahres, ist deutsche Rekord-Nationalspielerin (214), Rekordtorschützin (128), WM-Torschützenkönigin (14, seit 2011 mit Marta), holt neun Meistertitel und zehn DFB-Pokalsiege mit Frankfurt. Die Liste der Bestmarken ließe sich verlängern. Prinz zog immer zwei Gegenspielerinnen auf sich, sie war das Herzstück der Offensive.

Erst zum Ende ihrer Karriere lernte Prinz, dass Reporter die torlosen Minuten zählen, wie sie es bei jedem Stürmer tun. „Mir geht es ehrlich gesagt auf den Nerv, dass nach zwei Spielen, in denen ich nicht getroffen habe, die Diskussion schon losgeht. Ich habe dann das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Das ist einfach extrem anstrengend“, gab die Frankfurterin in einem Interview während der EM 2009 zu. In Finnland hatte Prinz bereits ebenso stark mit den eigenen Selbstzweifeln zu kämpfen wie in diesem Sommer. Vor zwei Jahren aber hatte es nur einen Bruchteil der Deutschen interessiert, nun war jede Lokalzeitung voll mit Schlagzeilen wie „Glücklose Prinz“ oder „Das Denkmal bröckelt“.

„Die kritische, skeptische Seite ist einfach ein Teil von mir“, hat die 33-Jährige einmal zugegeben. Dass sie die Kontrolle über diese Seite zuletzt verlor, liegt wohl an der großen Bühne, die der Frauenfußball betreten hat. Da wollte Prinz nie hin. Die neue Dimension ihres Sports, sie passt nicht mehr zu Birgit Prinz. Die Stürmerin hat jahrelang daran gearbeitet, sich selbst das Leben leichter zu machen, lockerer zu werden. Gelungen ist es ihr offensichtlich nicht. Birgit Prinz hat nicht das Gefühl, beim FFC Frankfurt noch einmal die Beste sein zu können. Sie spürt, dass weitere Misserfolge kommen, weitere torlose Spiele. Sie hat an diesem Freitag ihre Konsequenzen gezogen.

Bundestrainerin Silvia Neid verliert damit eine langjährige Begleiterin. „Unser Küken“ hat Neid die damals 17-Jährige genannt, als die bei ihrer ersten EM 1995 gleich mit einem Tor debütierte. Neid beendete in dem Jahr ihre Laufbahn und wechselte in den Trainerstab, für Prinz war es der Beginn einer einmaligen Karriere. Vor dieser Frauen-WM in Deutschland kannte das Volk kaum einen Namen der Nationalspielerinnen. Den von Birgit Prinz kannte jeder. Dass ausgerechnet Neid so unglücklich das Innenleben ihrer Ausnahmespielerin preisgab und sich Prinz als Kapitänin demontiert fühlte, gehört zu den Kehrseiten des Sommermärchens, das keines wurde.

Birgit Prinz bleibt einzigartig. Sie hat neben ihrer Sportkarriere drei Ausbildungen absolviert, ist Masseurin, medizinische Bademeisterin und Physiotherapeutin, und sie kann auf ein abgeschlossenes Studium verweisen. Die „Anti-Barbie“, wie sie in diesem Sommer oft genannt wurde, wird nicht ins Bodenlose fallen. Mit Freunden will sie ein Psychologie-Institut gründen und Sportler beraten, vielleicht auch beim FFC. Aus dem Hintergrund, dort, wo sich diese Frau am wohlsten fühlt. Birgit Prinz wollte nie im Mittelpunkt stehen, sie wollte immer nur immer die Beste sein. (dapd)

Daten zu Birgit Prinz:

Geboren: 25.10.1977

Geburtsort: Frankfurt am Main

Verein: 1. FFC Frankfurt

Stationen als Spielerin:

1992 – 1998 FSV Frankfurt

1998 – 2002 1. FFC Frankfurt

2002 Carolina Courage (WUSA)

2002 – 2011 1. FFC Frankfurt

Länderspiele: 214 (128 Tore)

Erfolge:

Weltmeisterin: 2003, 2007

Vize-Weltmeisterin: 1995

Olympische Bronzemedaille: 2000, 2004, 2008

Europameisterin: 1995, 1997, 2001, 2005, 2009

Uefa-Cup-Siegerin: 2002, 2006, 2008

Deutsche Meisterin: 1995, 1998, 1999, 2001, 2002, 2003, 2005, 2007, 2008

DFB-Pokal-Siegerin: 1995, 1996, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2007, 2008, 2011

Founders Cup-Siegerin: 2002

Auszeichnungen:

Weltfußballerin des Jahres: 2003, 2004, 2005

„Goldener Ball“ für die beste Spielerin des WM-Turniers: 2003

Deutschlands Fußballerin des Jahres: 2001 – 2008