Nationalstürmerin Popp ist die derzeit beste deutsche Stürmerin. Ob es für einen Platz in der Startelf reichen wird, ist trotzdem fraglich.
Mainz. „Ich bin eine totale Fritz-Walter-Spielerin. Ich liebe es, bei Regen zu spielen.“ Das sagt die deutsche Frauen-Nationalspielerin Alexandra Popp nach dem 3:0-Testspiel-Erfolg gegen Norwegen, bei dem ihr zwei Treffer gelangen - aber erst als es anfing in Strömen zu regnen. Ganz im Stil des Weltmeisters von 1954 trumpfte die eingewechselte Angreiferin erst richtig auf, als der Boden im Mainzer Bruchwegstadion vom unwetterartigen Regen aufgeweicht war.
Trotz ihrer derzeitigen Topform will die 20-Jährige den Altstars Birgit Prinz und Inka Grings aber zumindest verbal nicht das Wasser abgraben. Die beste Spielerin und Torschützenkönigin der U20-WM im vergangenen Jahr stellt keinen Anspruch auf einen Platz in der Startelf beim WM-Auftakt am 26. Juni im Berliner Olympiastadion gegen Kanada (18.00 Uhr/ARD). Ganz im Gegenteil: Popp ist mit ihrer Rolle im Team des Weltmeisters, der alle vier WM-Testspiele souverän und ohne Gegentor für sich entschieden hat, vollkommen zufrieden.
«Die Jokerrolle macht mir viel Spaß. Viel besser könnte es ja gar nicht laufen», sagte Popp, die in Witten geboren wurde und als «Teilzeitkraft» in zwölf Länderspielen schon neunmal getroffen hat. «Ich bin froh, dass ich überhaupt dabei bin. Mir ist es egal, wer die Tore schießt. Ich möchte von Birgit und Inka lernen, damit ich irgendwann - wenn die beiden nicht mehr spielen - in ihre Fußstapfen treten kann.»
Kurz vor diesem bescheidenen Auftritt nach Spielende hatte es nicht danach ausgesehen, dass es der Abend von Alexandra Popp werden sollte. Wenige Minuten nach ihrer Einwechslung für Prinz zu Beginn der zweiten Hälfte verdrehte sich die U20-Weltmeisterin das Knie, zunächst sah es sogar nach einer schlimmen Verletzung aus. «Ich war vom Schmerz schon ganz schön schockiert, das war ein bisschen uncool», sagte Popp.
Dennoch biss die Stürmerin auf die Zähne und stellte vor 13.812 Zuschauern nach der Führung durch ihre Klubkollegin Simone Laudehr (79.) mit ihren beiden Treffern den Endstand her (81., 82.). Diese Zähigkeit hat Popp schon in ihrer Kindheit mit auf den Weg bekommen. «Ich habe lange mit Jungs gespielt und wurde dabei oft gefoult. Deshalb gehe ich vielleicht jetzt dorthin, wo es wehtut», erklärte die bekennende Anhängerin des deutschen Meisters Borussia Dortmund, die für den Fußball die Schule nach der 12. Klasse verlassen hat.
Diese Entscheidung scheint richtig gewesen zu sein. «Sie ist derzeit eine sehr wichtige Spielerin für uns, und wir sind froh, dass wir sie haben», sagte Bundestrainerin Silvia Neid über ihre Spielerin, die nach einer Ernährungsumstellung im vergangenen Jahr sechs Kilo abgespeckt hat. «Ich fühle mich so fit wie noch nie zuvor», sagte Popp.
Ob es für die Startelf gegen Kanada reichen wird, ließ Neid offen. Schließlich will sich die Trainerin, die ihr Team nach vier freien Tagen am Dienstag in Berlin versammelt, nicht ihrer Waffe von der Bank berauben. «Sie ist sehr gut, wenn sie reinkommt», sagte Neid: «Vor ihrer Einwechslung haben aber die anderen Spielerinnen schon sehr viel gearbeitet. Das hat es ihr leichter gemacht, dadurch hatte sie größere Lücken.»
Die Aussagen der Bundestrainerin, die das deutsche Team mit dem dritten WM-Triumph in Folge zum Rekord-Weltmeister formen will, stärken vor allem Prinz den Rücken. Die Rekord-Nationalspielerin wird ihre internationale Karriere nach der Endrunde beenden, gedanklich hat sie sich schon mit einem Platz auf der Ersatzbank vertraut gemacht. «Dann wäre es halt so», sagte die zuletzt von einer Bänderdehnung geplagte Spielführerin: «Ich habe seit der EM 2009 kein Spiel mehr durchgespielt. Es wäre also keine allzu große Überraschung.»
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Gerade sieben Minuten sind gespielt. Alexandra Popp erzielt ihren zehnten Treffer im sechsten Spiel. Erst ein langer Ball von Schmidt, dann Kopfballverlängerung Popp. Das Laufduell mit Nigerias Joy Jegede gewinnt sie locker und setzt per Lupfer die Kugel in die lange Ecke. „Den habe ich mit meinem viel schwächeren rechten Fuß gemacht“, erzählt die in Witten geborene Stürmerin stolz. 1:0 für Deutschland im U20 WM-Finale der Frauen.
Popp setzte mit ihrem Tor ihren sensationellen Lauf fort: In jedem der sechs WM-Spiele traf die 19-Jährige vom FCR Duisburg mindestens einmal. Nach dem Führungstreffer fordert die WM-Torschützenkönigin ihre Teamkolleginnen zum einstudierten Tanz auf. Nach dem Abpfiff des Matches stemmt sie den silbernen Pokal in die Luft. Weltmeister – 2:0 Sieg gegen Nigeria. Der bisher größte Erfolg für die 19-jährige, die schon so einige Titel gewonnen hat. Uefa-Cup Gewinner. Zweimaliger DFB-Pokal-Sieger. U20-Weltmeister. Und der Durst nach Titeln scheint bei ihr lange nicht gestillt.
Denn ein ganz großes Ziel liegt direkt vor ihr. Bei der Frauen WM in Deutschland im Kader der A-Nationalmannschaft zu stehen. „Was gibt es Schöneres als im eigenen Land eine Weltmeisterschaft zu spielen“, versucht Alexandra Popp den Stellenwert des Turniers zu erklären und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Die Blondine würde zu gerne nächstes Jahr mit Birgit Prinz bei ihrer Abschluss-WM das Sturmduo bilden. Doch bis dahin ist noch ein schwieriger Weg.
Alexandra Popp ist ohne Frage eine spannende Protagonistin der derzeitigen Spielzeit, gehört sie doch zu einer neuen Gattung von Spielerinnen, die ein frisches Bild des Frauenfußballs zeichnen. Popp könnte eventuell zu der Generation von Spielerinnen gehören, die ihr Geld in einigen Jahren nur mit dem Fußball verdienen. Trotz guter Voraussichten später einmal Profifußballerin zu werden, überlässt Alexandra nichts dem Zufall. Derzeit absolviert die 19-Jährige ein Jahrespraktikum als Physiotherapeutin, um sich ein zweites Standbein aufzubauen. „Aber vielleicht brauche ich das später gar nicht mehr“, schmunzelt die Fachabiturientin.
Popp debütierte vergangenes Jahr in der Nationalmannschaft. Im Testspielsieg gegen Nigeria erzielte sie sogar ihren ersten Treffer in der A-Nationalmannschaft. Doch die robuste Stürmerin ist anders als die alteingesessenen. Sie wirkt noch verspielt. Jugendlich. Ja fast schon kindlich. Und das nicht nur auf dem Platz. „Die jüngere Generation trällert und tanzt zur Musik in der Umkleidekabine gerne mal mit. Die Älteren sitzen auf ihrem Platz, schauen auf den Boden und konzentrieren sich so. Ich persönlich mache es mittlerweile teils, teils: Anfangs spacke ich noch mit rum, gegen Ende setze ich mich und gehe in mich.“
Erstaunlich, wie locker Alexandra das erzählt, wenn man bedenkt, dass es die rasante Karriere beinahe gar nicht gegeben hätte. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr spielte Popp nur mit Jungs Fußball. „Frauen haben mich überhaupt nicht interessiert, ich habe nicht so viel von Frauenfußball gehalten”, bekennt die Gevelsbergerin heute schon fast reumütig.
Notwendige Härte im Zweikampfverhalten holte sich die hoch aufgeschossene Stürmerin im Training früher mit den Jugendlichen des FC Schalke 04. „Die Jungs waren natürlich stark, doch ich habe mir im ersten Training meinen Respekt verschafft und dann war es schon in Ordnung.“ Dabei kreuzte die aggressive Blondine ihre Klingen mit späteren Profis wie Joel Matip. Genau dort feilte die 1,74 Meter große "Poppi", wie sie am liebsten genannt wird, an ihre Stärken. Schnell, physisch robust und mit beiden Füßen einen starken Schuss.
Später änderte sich die Einstellung. Ihre Familie überzeugte Alexandra vom Frauenfußball. Zunächst als erfolgreiche Stürmerin des Verbandsligisten 1. FFC Recklinghausen fand sie sich mit Start im Bundesliga-Team des FCR Duisburg wieder - auf der Abwehrposition. „Die Außenverteidigerin hatte sich verletzt, da hieß es: Geh mal nach hinten – und dann ist keiner an mir vorbeigekommen”, erinnert sie sich. Popp wird seit diesem Zeitpunkt im Verein auf der linken Abwehrposition eingesetzt, während sie im Nationaldress auf Tore-Jagd geht. Dieses Kuriosum könnte allerdings zum Problem für die Linksfüßlerin werden. Nachdem die Duisburgerin in den Kader A-Nationalkader berufen wurde, testete Bundestrainerin Neid „Poppi“ auf beiden Positionen.
„Frau Neid hat mir mitgeteilt, dass ich hinten links taktische Defizite habe.“ Der Platz in der Verteidigung ist wahrscheinlich nicht für sie bestimmt. Und vorne wartet in der Nationalelf mit Birgit Prinz, Inka Grings und Anja Mittag eine starke Konkurrenz, die im Ligaalltag ihre Tore am Fließband schießen. Popp muss sich währenddessen beim FCR Duisburg auf das „Toreverhindern“ konzentrieren. Trotz der ungünstigen Situation bleibt das junge Talent ruhig und wartet auf eine Chance. „Ich habe auch mit meiner Trainerin darüber gesprochen, wie sie meine Zukunft sieht. Sie hat mir versichert, dass sie mich irgendwann mal nach vorne stellen will.“ Eins scheint klar zu sein. Popp möchte gerne wieder Tore schießen. Ausgelassen ihre Treffer bejubeln. Und ihre Mitspielerinnen zum Tanzen animieren. Und das am besten im Sommer bei der Heim-WM.