Maximaler Erfolg, aber lieber keine Star-Rolle: Kerstin Garefrekes. Seit 2003 ist die Mittelfeldspielerin eine feste Größe im DFB-Team.
Frankfurt/Main. Unscheinbar kommt man auch sehr weit. Das beweist Kerstin Garefrekes. Die Lange im Fußball-Nationalteam der Frauen mit den brav geschnittenen Haaren und der edlen Stirn. Die lieber nichts sagt als Falsches. Die man aber niemals unterschätzen sollte, sonst ist sie mit ihren staksigen Beinen schon wieder am rechten Flügel an einem vorbeigerannt und hat perfekt geflankt oder selbst kaltschnäuzig vollstreckt. In dieser Bundesliga-Saison traf sie mal wieder 23 Mal – genauso oft wie die Stürmer-Stars Birgit Prinz und Inka Grings. „Ich fang jetzt nicht an, mich selbst in den Himmel zu loben“, sagt die 31-Jährige, die seit Jahren der stille Star in ihrem Verein 1. FFC Frankfurt und in der Nationalelf ist.
Während der WM dürfte „KG“ (ihr Spitzname wider Willen) einen Stammplatz sicher haben, am Freitag im Testspiel gegen Italien in Osnabrück stand sie vor ihrem 124. Länderspiel. Die bescheidene Ibbenbürenerin (Westfalen) sagte der dpa: „Ich kann damit gut leben, wenn andere Spielerinnen im Fokus der Öffentlichkeit stehen.“ Also die Bajramajs oder Kuligs, die jungen Glamourgirls eben. Gäbe es einen Preis für den nüchternsten Torjubel, sie hätte ihn sicher.
Aber die Halbtags-Beamtin der Stadtkämmerei Frankfurt ist nicht nur ruhig, sie ist auch trocken-lustig: Ob sie es noch hören könne, dass jeder Journalist sie „schlaksig“ nennt? „Na ja“ – da muss sie kichern – „ich kann ja keinem verbieten, mich so zu beschreiben“. In einem Steckbrief musste sie einmal aufschreiben, was sie immer bei sich trage. Antwort: Meinen Humor. Ihr Lieblingswitz? „Als gebürtige Westfälin erzählt man eher keine Witze. Das ist ein anderer Humor.“
Die 1,79 Meter große Allrounderin gilt als Spätzünderin. Mit 22 debütierte sie im DFB-Dress, 2003 beim WM-Triumph in den USA gelang ihr erst der Durchbruch. Lange hatte die Berufsausbildung Priorität. Nach dem Abitur begann sie in der Stadtverwaltung in Rheine in ihrer Heimat und wurde mit knapp 22 eine der jüngsten Stadtinspektorinnen - für die Leistungsbewilligung bei Obdachlosen. Eine harte, „sehr lehrreiche Zeit“, in der sie auch als Seelsorgerin gefragt war.
2004 wechselte die so mannschaftsdienliche, selbstkritische und strebsame „Wunschspielerin eines jeden Trainers“ („taz“) dann zum Rekordmeister Frankfurt. Sie studierte bis 2009 Public Management (Diplomarbeit: „Strategisches Management im Vereinsfrauenfußball“) und arbeitet nun am Main in der Stadtkämmerei – zuständig vor allem für das Umweltdezernat. 2007 sagte sie dem „Spiegel“ über ihr „Hobby Fußball“: „Ich lege Wert darauf, dass das nicht mein Beruf ist.“
Das relativiert sie heute: „Inzwischen ist der Trainingsumfang auch im Verein so groß geworden, dass es vom zeitlichen Aspekt her einem Beruf gleichkommt. Aber von meinem inneren Gefühl ist das, was ich bei der Stadt mache, mein Beruf.“ Über den Fußball sagt sie: „Es ist ein Glücksfall, dass ich mein Hobby so intensiv ausleben darf.“
Welche Hobbys sie sonst hat? Sie lernt mühselig kochen. Und die Zimmerpartnerin von Ersatzkeeperin Ursula Holl besitzt ein Motorrad. Eine Suzuki 650 V-Strom, die noch bei ihren Eltern steht. „Etwas Gemütliches“, betont sie. „Am Motorradfahren reizt mich nicht die Geschwindigkeit, sondern das gemütliche Durch-die-Gegend-Fahren und die Landschaft genießen.“ Das Draußen-Sein gefällt dem Norwegen-Fan auch beim Geocaching, einer elektronischen Schnitzeljagd, bei der Verstecke mit Hilfe von GPS-Koordinaten gefunden werden müssen. Der Weg zu unbekannten Orten reizt sie, die verspielte Suche nach Schätzen, die andere verstecken. Einen Schatz will sie auch am 17. Juli hochhalten: den gold-silbernen, 45 Zentimeter großen WM-Pokal.