Der Torjäger glänzte beim 2:1 gegen die Niederlande mit einem Doppelpack. Das Löw-Team braucht noch einen Punkt für die K.o.-Runde.
Charkiw. Mario Gomez machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Nach einem Meilenstein in seiner komplexen Karriere als deutscher Fußball-Nationalspieler ließ der Ausnahmestürmer von Bayern München seinen Gedanken freien Lauf. „Das war Druck ohne Ende, das waren 300 Kilogramm auf den Schultern“, sagte der 27-Jährige nach dem 2:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Vizeweltmeister Niederlande.
Dieser 13. Juni 2012 wird einen ganz besonderen Platz in seiner sportlichen Vita erhalten. Mit zwei Toren gegen einen Weltklassegegner war Gomez der Matchwinner. Zum zweiten Mal schob sich der Schwabe bei der EM in Polen und der Ukraine in den Fokus. Schon das 1:0 zum Auftakt gegen Portugal ging auf sein Konto – doch die Freude darüber war ihm durch den Bayern-Angestellten Mehmet Scholl genommen worden, als dieser ihm in seiner Funktion als TV-Experte verbal in die Seele trat. Scholl hatte Gomez übel kritisiert – trotz des wichtigen Siegtores und der Tatsache, dass auch andere Spieler unter ihren Möglichkeiten geblieben waren.
Länderspieltore 24 und 25
„Schade, dass sowas passiert. Aber damit muss ich mich auseinandersetzen“, sagte Gomez, der ziemlich sensibel ist. „Es war nicht einfach, wir gewinnen gegen Portugal, du schießt das Tor und denkst: 'Du bist jetzt angekommen bei der EM' und kriegst dann drei Tage nur auf die Fresse. Das ist nicht schön.“ In seinem 54. Länderspiel könnte er mit seinen Treffern 24 und 25 endlich diesen schweren Rucksack abgelegt haben. Er hat nun alle drei deutschen Turniertreffer erzielt und das Team von Bundestrainer Joachim Löw damit maßgeblich mitgetragen.
Ein Vorurteil hing Gomez immer an. Bundesliga okay, Champions League okay, aber Nationalelf? In der Liga waren es in den vergangenen zwei Jahren in 65 Spielen 54 Tore, in der vergangenen Saison alleine 43 Pflichtspieltreffer. Alles beeindruckende Werte. Nur in der Nationalelf erzielte Miroslav Klose die wichtigen Tore. Bei der EM 2008 zum Beispiel eines beim 3:2 im Viertelfinale gegen Portugal, bei der WM 2010 im Achtelfinale eines gegen England beim 4:1 und zwei beim 4:0 gegen Argentinien im Viertelfinale.
Klose sieht in Gomez einen Weltklassestürmer
Während dieser Zeit bekam Gomez immer wieder die Brosamen, wenn Klose nicht spielte. Und er knabberte vielleicht immer noch an seinem Trauma. „Der Mario hat ja auch schon mal in der Nationalmannschaft am Boden gelegen. 2008 bei dem Turnier hat er eine Chance versemmelt. Letztendlich hat ihn das ein bisschen aus dem Rhythmus gebracht, er hat ein bisschen das Selbstvertrauen verloren“, sagte Löw zum Gruppenspiel gegen Österreich (1:0), als Gomez den Ball aus wenigen Zentimetern nicht über die Linie brachte.
Gomez gestand einmal ganz offen, dass ihn diese Szene im Schlaf verfolgt habe. Mit Charkiw könnte er diesen Alptraum loswerden. Zumal nicht nur Löw („Er hat sich immer wieder reingekämpft. Es ist seine eigene Stärke, seine eigene Leistung“) oder der einstige dänische Stürmerstar Alan Simonsen („Er ist ein echter Goalgetter“), sondern auch sein direkter Konkurrent voll des Lobes sind. „Das freut mich, es ist der Wahnsinn“, sagte Klose, der sich in ungewohnter Rolle als Bankspieler wiederfindet und sich in den Dienst von Gomez stellt. „So wie er mich 2008 und 2010 unterstützt hat von der Bank, so versuche ich jetzt ihn zu unterstützen. Ich habe schon öfter betont, dass er ein Weltklassespieler ist“, sagte Klose. Es kann durchaus sein, dass mit den ersten drei EM-Toren von Gomez ein Wachwechsel stattgefunden hat auf der Mittelstürmer-Position der Nationalelf.
Deutschland: Neuer - Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm - Schweinsteiger, Khedira - Müller (90.+2 L. Bender), Özil (81. Kroos), Podolski - Gomez (72. Klose). Niederlande: Stekelenburg - van der Weil, Heitinga, Mathijsen, Willems - van Bommel (46. van der Vaart), de Jong - Robben (83. Kuyt), Sneijder, Afellay (46. Huntelaar) - van Persie. Tore: 1:0 Gomez (24.), 2:0 Gomez (38.), 2:1 van Persie (73.). Schiedsrichter: Jonas Eriksson (Schweden). Zuschauer: 37 750. Gelb: Boateng (2) - de Jong, Willems.
Mit Material von dapd