Hamburg. Warum der Hamburger Christian Chodura mit Medeama in der Champions League antreten darf
Eine große Fußballkarriere ist Christian Chodura verwehrt geblieben. Als Jugendspieler kickte er lange Zeit beim HSV, bekam Lob und Auszeichnungen, doch für ganz oben reichte es nicht. Chodura war dem HSV zu klein. „Ich war nur 1,58 Meter groß. Da haben sie gesagt, dass ich keine Chance habe, weil ich ein Knirps bin“, erzählt er. „Das hat mich sehr getroffen. Da war ich nicht stark genug, wieder aufzustehen.“ Damals hätte sich der gebürtige Hamburger niemals vorstellen können, dass er einige Jahre später in Ghana als Sportdirektor eines Erstligisten an der Seitenlinie stehen würde.
Am vergangenen Wochenende flog der 54-Jährige extra für das letzte Saisonspiel des Medeama SC nach Afrika. Die erste Meisterschaft des Vereins in seiner Geschichte war dem Team da nicht mehr zu nehmen. Einen „historischen Erfolg“ nennt Chodura das Erreichte deshalb auch, das Stadion sei „so voll gewesen wie noch nie“. Bis zu 5000 Zuschauer seien da gewesen, berichtet er, auch wenn sich diese Angaben nicht eindeutig überprüfen lassen. Videoaufnahmen zeigen aber voll besetzte Tribünen und Menschen, die sich auf Dächern und Balkonen rund um den schwer bespielbaren Platz drängen.
Nach der Meisterfeier lieh er sich den Hund des Präsidenten aus
Durch den Erfolg hat sich der Verein aus Tarkwa, das vor allem von den üppigen Goldvorkommen in der Region lebt, für die afrikanische Champions League qualifiziert. „Da kann es passieren, dass wir mit Teams aus Kenia oder Südafrika in einer Gruppe landen, das wären lange und teure Reisen“, fürchtet Chodura, „aber wir freuen uns natürlich unglaublich darauf.“
Die Meisterschaft hat er ausgiebig gefeiert – allerdings ohne seine Mannschaft, die am Abend „todmüde ins Bett gefallen“ sei. „Die trinken sowieso keinen Alkohol, rauchen nicht und sind alle super gesund“, sagt der Sportdirektor. Weil er nicht ganz so asketisch lebt, hat er auf der Feier im Haus des Präsidenten länger ausgehalten, was ihn für den Heimweg zu später Stunde vor ein logistisches Problem stellte.
Selber zu fahren war keine Option, auch alle anderen Gäste der Feier waren dazu nicht mehr in der Lage. Und weil Chodura um diese Uhrzeit kein Taxi mehr bekam und den Heimweg aus Sicherheitsgründen nicht alleine zurücklegen sollte, schnappte er sich kurzerhand einen der drei Wachhunde des Präsidenten, einen Terrier mit dem Unterkiefer einer Hyäne, und nahm diesen als Begleitschutz mit zum Hotel. „Der hat mich um 5.30 Uhr auch schon wieder geweckt, weil er mal kurz Pipi musste“, berichtet Chodura von seiner kurzen Nacht nach der langen Meisterfeier. Den Hund hat er am nächsten Morgen dann wieder zurückgebracht – und zum Frühstück um 10 Uhr schon das nächste Bier in der Hand gehalten.
Als erste Amtshandlung entließ Chodura den Trainer
Seit einem halben Jahr ist er Sportdirektor des Vereins, damals stand sein Team auf Platz 13. Als erste Amtshandlung hat er damals den Trainer entlassen: „Als der mir gesagt hat, dass der beste Pass der lange Pass ist, habe ich sofort gemerkt, dass er keine Ahnung hat.“ Hinzu kamen schlechte Resultate, und das Schicksal des Trainers war besiegelt.
In Hamburg besaß er einst eine Hotelreinigungsfirma, doch als diese irgendwann pleite ging, musste er kreativ werden. „Dann habe ich gesagt: Ich gehe jetzt nach Afrika und gucke, was ich da so machen kann“, erzählt er. Kleidung, Motoröl oder Lkw-Teile hat er in Containern ins Land gebracht, um sie dort zu verkaufen. Seit zehn Jahren ist Chodura nun dort aktiv und lernte in dieser Zeit auch seine Frau kennen, die heute mit ihm und den drei gemeinsamen Kindern in der HafenCity wohnt. Zwischen den Welten zu pendeln, ist für ihn Normalität. Seit er Sportdirektor ist, reiste er sechsmal nach Ghana. Der Rest läuft übers Internet.
Wie Chodura an den Fußballjob kam, ist eher kurios. Durch Zufall lernte er den Sportdirektor von Medeama kennen. Aus Geschäftspartnern wurden Freunde, und als die beiden auf Fußball zu sprechen kamen, hatte Chodura eine neue Idee: „Ich habe mitbekommen, wie viel Geld er in diese Mannschaft steckt und damit keinen Cent verdient. Da habe ich ihm gesagt: ,Du musst da ein Geschäft draus machen und gute Spieler nach Europa verkaufen.’“ Damit hat sich Chodura praktisch seinen eigenen Job geschaffen. Denn genau das ist heute seine Aufgabe.
Choduras Plan: Afrikanische Talente zu großen Clubs nach Europa bringen
Afrikanische Talente und das große Geld – das klingt im modernen Fußball für viele Spielerberater verlockend. Äußerst ungewöhnlich ist aber, dass Chodura Sportdirektor eines Vereins ist, der Spieler unter Vertrag hat, die Chodura mit seiner Agentur berät.
Begeistert erzählt er vom Potenzial der ghanaischen Fußballer: „Wenn die Jungs taktisch noch besser ausgebildet werden, sind das absolute Granaten“, sprudelt es aus ihm heraus. „Richtig geile Kicker, bei denen du mit der Zunge schnalzt.“ Der Weg nach Europa ist aber nicht so einfach. In Deutschland bekommen die Fußballer ein Arbeitsvisum nur, wenn sie einen Profivertrag mit entsprechendem Gehalt nachweisen können. Und dafür reicht es bei Choduras Talenten noch nicht. „In Ghana gibt es mehr individuell gute Spieler, die technisch und im Dribbling sehr stark sind, aber taktisch nicht gut, weil sie schlechte Trainer haben“, sagt er. Außerdem seien die Trainingsbedingungen unterhalb von Amateurniveau: „In Niendorf gibt es bessere Duschen als bei uns.“
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Deshalb verhandelt Chodura mit Clubs aus Malta, Griechenland oder Ungarn, um seine Spieler zunächst zu verleihen, weiterzuentwickeln und anschließend in höherklassige europäische Ligen zu verkaufen. Allein in diesem Sommer sollen zehn Spieler den Sprung wagen.
Chodura kennt die Vorbehalte gegenüber Transfers von afrikanischen Spielern inklusive falscher Versprechungen. Sein Antrieb scheint sich aus mehreren Dingen zu speisen: jungen Spielern den Traum zu verwirklichen, den er nicht leben konnte; gutes Geld zu verdienen, aber auch die Heimat nicht zu vergessen. Sein großer Wunsch wäre es, dass ein Teil des Profigehalts an das Dorf des Spielers geht. Beim Schaffen besserer Infrastruktur vor Ort zu helfen, zum Beispiel beim Brunnenbau, ist ihm nach eigener Aussage ein ernstes Anliegen. Doch eines ist auch dem Sportdirektor von Medeama SC klar: Seine Fußballer werden mehr Durchhaltevermögen brauchen als er früher, um an das ganz große Geld zu kommen.