Prag. Der Bundestrainer kündigt im Hinblick auf die WM 2018 den härtesten Konkurrenzkampf aller Zeiten in seinem Kader an.
Auf der Marmortreppe im prachtvollen Foyer des Prager Nobelhotels Marriott blieb Joachim Löw mit seinem schwarzen Rollkoffer hängen – Tschechien und Norwegen hingegen sollen für die deutschen Weltmeister keinesfalls ein Stolperstein werden. Die letzten Schritte Richtung WM 2018 in Russland erfordern höchste Konzentration und Seriosität: Es sind – im Idealfall – noch 180 Minuten bis Moskau.
„Wir wollen uns mit zwei Siegen schnell als Tabellenerster qualifizieren. Wir wollen unsere weiße Weste behalten. Zudem müssen wir uns neu finden und wieder einspielen“, forderte der Bundestrainer vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Tschechen am Freitag (20.45 Uhr/RTL) mit ernster Stimme. Drei Tage später folgt in Stuttgart gegen die Norweger vielleicht schon der Matchball zum WM-Ticket.
Löw hat dafür nicht nur seine etablierten Weltmeister-Stützen wie Toni Kroos, Thomas Müller oder Mats Hummels zurückgeholt, sondern auch den Konkurrenzkampf extrem angeheizt. „Der hat richtig Feuer, der will noch was erreichen mit uns“, stellte Hummels fest. Ab jetzt, das ist klar, wird jedes Spiel auch ein internes Ringen um einen der 23 Plätze im WM-Kader. Es gebe „keinerlei Freitickets“, versicherte Löw, unabhängig „von Potenzial, Talent oder bisher gezeigten Leistungen“. Er rief den „härtesten Konkurrenzkampf“ aus, den „wir je erlebt haben“.
Höwedes muss spielen
Für viele der 17 Confed-Cup-Sieger, die am Donnerstag um 11 Uhr von Stuttgart aus in die „Goldene Stadt“ aufbrachen, mag sich das wie ein Versprechen anhören – zuletzt schwächelnde Stars wie Jérôme Boateng, Mesut Özil oder Julian Draxler dürfte es eher warnend in den Ohren klingen. Zumal Löw während der Pressekonferenz unter den Kristallleuchtern im Saal Bohemia II betonte: „Alle müssen alles für ihre Form tun.“ Es wird Härtefälle geben, womöglich gar äußerst prominente.
Benedikt Höwedes könnte so ein Härtefall sein. Löw sieht bei dem Weltmeister einen Stammplatz im Verein offenbar als Bedingung für eine Rückkehr in die Nationalmannschaft. „Wenn er bei Juventus Turin spielt, ist er bei uns immer ein Thema, weil ich weiß, was er kann“, sagte Löw.
Diese Aussage überraschte insofern etwas, als Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch betont hatte: „Stammspieler würde ich nicht als Kriterium nehmen, um im WM-Kader zu sein.“ Je nach individueller Charakteristik eines Spielers könne der betroffene Profi auch helfen, wenn er im Verein weniger gespielt habe, ergänzte er.
Rückendeckung für Müller
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schloss in den vergangenen Tagen die Reihen, um Müller zu schützen. Der Offensivspieler von Bayern München hatte offen seinen Clubtrainer Carlo Ancelotti kritisiert, DFB-Manager Oliver Bierhoff riet dem Rekordmeister daraufhin, sich der Bedeutung seiner Identifikationsfigur wieder stärker bewusst zu werden. Löw nahm den 27-Jährigen aufmunternd zur Seite, Teamkollegen betonten unisono Müllers „Einzigartigkeit“.
Müller wird am Freitag in der Eden Aréna definitiv spielen und möglicherweise sogar Kapitän sein, da Sami Khedira (Juventus Turin) ausfällt. Durch dessen Kniebeschwerden wird eine Planstelle im deutschen 4-2-3-1-System frei, die Sebastian Rudy besetzen könnte.
Wenige Spieler dürfen sich „unantastbar“ fühlen, wie Bierhoff es formulierte: Manuel Neuer, der in Prag und Stuttgart noch fehlt, Kroos, Müller, Hummels, Boateng und Khedira, mangels Alternativen auch Joshua Kimmich und Jonas Hector auf den defensiven Außenpositionen. Mit Ausnahme von Neuer und dem ebenfalls noch nicht wieder berufenen Boateng werden alle Genannten am Freitag spielen, sagte Löw, im Tor steht Marc-André ter Stegen.
Zwei Siege könnten reichen
Dennoch: Wer von den Etablierten glaube, dass es im Kampf um die WM-Tickets „ein Selbstläufer wird, der hat sich geirrt“, sagte Bierhoff und warnte vor Selbstzufriedenheit. Das war auch nochmals auf den Triumph einer jungen Mannschaft beim Confed Cup bezogen: „Chile ist gut“, mahnte Bierhoff, „aber bei der WM kommen ganz andere Gegner.“ Er nannte Brasilien, Argentinien, Frankreich oder Italien.
Tschechien ist ein deutlich kleineres Kaliber, die großen Tage sind 20 Jahre her. „Sie stehen in der Gruppe mit dem Rücken zur Wand“, urteilte Löw. Eine WM-Chance besteht, falls Nordirland in der Gruppe C schwächelt. Löw würde das freuen: Sollte der deutsche Verfolger Punkte lassen, wäre seine Mannschaft mit zwei Siegen durch. Mit der perfekten Bilanz von 24 Punkten aus acht Spielen. So definiert sich souverän.