Hamburg. Laut DFB-Präsident Reinhard Grindel, zu Gast bei der Hamburg Soirée, hat die Stadt alles, was nötig ist, um die Spiele auszutragen.
Bürgermeister trifft Präsident: 170 geladene Gäste lauschten im Business Club Hamburg der mal tiefsinnigen, mal launigen Unterhaltung von Olaf Scholz und Reinhard Grindel bei der 26. Hamburg Soirée, unterstützt von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, MS Europa 2 und dem Audi Zentrum Hamburg. Moderiert wie immer von Christian Hinzpeter (Faktor 3 Sport) und Abendblatt-Chefreporter Jens Meyer-Odewald. Bereits am Montagvormittag stellte sich Grindel den Fragen des Abendblatts und positionierte sich überraschend deutlich gegen eine Weiterführung des Confederations Cups. Das Turnier dient seit 2001 als organisatorische Generalprobe für den WM-Gastgeber.
Herr Grindel, diese Frage muss sein: Wie sehr sorgen Sie sich, dass Ihre Geburtsstadt nächste Saison die fußballerische Heimat für einen Zweit- und einen Drittligisten sein wird?
Reinhard Grindel: Wenn man auf die Tabellen schaut, wäre es hochmütig zu behaupten, dass man sich keine Sorgen zu machen braucht nach einem Drittel der Saison. Als St. Pauli gegen Düsseldorf gespielt hat, saß ich auf der Tribüne, das hat meine Sorgen leider nicht verringert. Beim HSV kommt es wirklich darauf an, dass durch einen Sieg in den nächsten Partien der sprichwörtliche Knoten platzt. Gleiches gilt für St. Pauli, wobei dort erschwerend hinzukommt, dass die Verletztenliste zurzeit eher länger wird.
Am Dienstag jährt sich auch das gescheiterte Olympia-Referendum ...
Grindel: Die Olympia-Bewerbung wäre natürlich ein Leuchtturmprojekt nicht nur für Hamburg, sondern für ganz Deutschland gewesen. Kurzfristig ist dies nicht mehr zu reparieren. Aber ich finde, dass Hamburg als eine in der ganzen Welt geachtete und geschätzte Stadt den Gedanken von Olympischen Spielen nicht auf immer und ewig aufgeben sollte. Hamburg hat alles, um diese Veranstaltung auszutragen: Infrastruktur, die Lage der Stadt, auch das Konzept war überzeugend. Die Entscheidung ist damals in einem schwierigen politischen Umfeld getroffen worden. Ich bin sicher, dass man einige Monate später ein anderes Ergebnis erzielt hätte.
Warum glauben Sie das?
Grindel: Zwei Dinge, die zusammenhängen, haben eine große Rolle gespielt: Der Bund und die Stadt Hamburg hätten die Finanzfragen vor dem Volksentscheid klar regeln müssen. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsströme glaubten sicher viele Bürger: Jetzt haben wir erst mal andere Probleme zu stemmen als ein unabsehbar zusätzliches finanzielles Engagement für Olympia. Deshalb hätte man den Menschen mehr Vertrauen vermitteln müssen, dass die finanziellen Fragen so geregelt werden, dass sie Hamburg nicht überfordern.
Inwieweit fließen diese Erfahrungen in die geplante deutsche Bewerbung für die Fußball-EM 2024 ein?
Grindel: Die Europameisterschaft ist genau wie Olympia ein Leuchtturmprojekt, das auch dem Amateurfußball viele Chancen eröffnet. Nach der WM 2006 hat man gesehen, wie viele Kinder und Jugendliche in die Clubs eingetreten sind. Wir haben 1000 Mini-Spielfelder finanzieren können, was sich noch heute positiv in den Schulen und Vereinen auswirkt. Etwas Ähnliches aufzulegen, halte ich für möglich, um die Amateurvereine in die Kampagne einzubeziehen.
Wie wollen Sie dem wachsenden Misstrauen auf nationale und internationale Verbände entgegenwirken?
Grindel: Worauf wir ganz klar achten werden, ist, dass der gesamte Bewerbungsprozess durch unsere Ethikkommission, aber auch weitere Experten von außen, wie etwa Transparency International, begleitet wird.
Was kann kontrolliert werden?
Grindel: Beispielsweise nach welchen Kriterien entschieden wird, in welchen Stadien am Ende gespielt wird. Dies muss so nachvollziehbar geschehen, dass niemand beklagen kann, es sei etwas gemauschelt worden.
Wie sieht der Fahrplan aus?
Grindel: Das Exekutivkomitee der Uefa wird wohl am 9. Dezember offiziell ein Bewerbungsverfahren eröffnen. Bis März 2017 muss jeder interessierte Verband seinen Willen zur Kandidatur erklären. Danach hat man dann ein Jahr Zeit, die Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Im Herbst 2018 soll die Entscheidung fallen.
Ist Hamburg als einer von zehn Veranstaltungsorten gesetzt?
Grindel: Von der Stadionkapazität her ist das Volksparkstadion natürlich geeignet, aber gesetzt ist es wie die anderen Arenen nicht. Alle müssen sich bewerben.
Wo wir beim Thema Großveranstaltungen sind: Um den Confed-Cup 2017 in Russland gibt es große Aufregung. Muss die Fifa finanziell deutlich nachlegen?
Grindel: Ich unterstütze die diesbezügliche Kritik von Oliver Bierhoff nachdrücklich. Wir werden Mitte Dezember bei einem Besuch der Fifa-Generalsekretärin deutlich machen, dass wir erwarten, dass die Fifa die Kosten für die gesamte Delegation übernimmt.
Was heißt das konkret?
Grindel: Die Mannschaft plus das Team hinter dem Team und die Delegation, zusammen sind das rund 60 Personen. Es kann nicht sein, dass wir an der Stelle draufzahlen müssen. Die Fifa entwertet den Confed-Cup durch die bisherige Regelung so natürlich selbst. Das ist keine gute Werbung und tut mir auch für den Veranstalter Russland leid, der nichts dafür kann.
Um aus dem Wettbewerb nicht eine Kirmesveranstaltung zu machen, wäre es doch wünschenswert, dass die Nationen mit ihren besten Teams am Start sind.
Grindel: Wir verfügen über eine solche Breite an guten Nationalspielern, dass wir auf jeden Fall ein wettbewerbsfähiges Team schicken können. Aber: Ich unterstütze ausdrücklich die Überlegungen von Joachim Löw, den besonders beanspruchten Spielern auch einen Sommer der Regeneration zu gönnen. Ich gehe außerdem davon aus, dass die sportliche Leitung frühzeitig abstimmen wird, wer zur U-21-EM in Polen abgestellt wird, denn für uns ist das auch ein bedeutsames Turnier, bei dem wir mit einer starken Mannschaft auftreten wollen.
Ihren Worten nach sind Sie kein großer Fan des Confed-Cups.
Grindel: Ich glaube, dass sich der Wettbewerb überlebt hat. Die Fifa sollte grundsätzlich über das Format nachdenken. Es wäre ein gutes Signal an die Spitzenclubs in Europa, die mit Recht vor einer zu hohen Belastung ihrer Spieler warnen, zu sagen: Wir verzichten auch mal auf einen Wettbewerb. Angesichts der Leistungsfähigkeit unserer Scouts und unserer Orga-Abteilung sind die Vorbereitungen auf eine WM so detailliert, dass es eines Kennenlernens von Stadien und Regionen nicht bedarf, von denen man ohnehin nicht weiß, ob man während des Turniers dort spielt. Der Sinn hat sich damit eigentlich erübrigt.
Zumal ja ab 2018 mit der Nations League schon ein neuer Wettbewerb ansteht.
Grindel: Was aber, das möchte ich ausdrücklich betonen, keine zusätzlichen Spiele bedeutet. Diese Begegnungen finden an Terminen statt, an denen sonst Freundschaftsspiele durchgeführt wurden. Man sollte zwei positive Dinge sehen: Einerseits sichert die Nations League den Fans attraktive Gegner und uns den Wettbewerbscharakter. Die Nations League zu schaffen, halte ich für eine richtige Entscheidung.
Wie ist Ihre Haltung, was den Qualifikationsmodus betrifft? Gibt es in zehn Jahren noch eine Begegnung Deutschland gegen San Marino?
Grindel: In der Uefa mit ihren 55 Mitgliedern sind wir der größte Verband, haben aber allen Grund, diese Frage nicht arrogant zu diskutieren. Auch San Marino und Kosovo oder Albanien haben das Recht, in einem Qualifikationsturnier gegen den Weltmeister zu spielen. Das ist eine der fundamentalen Bedingungen, die uns bei der Uefa zusammenhalten. Ich habe noch mal nachgeschaut: Auch in den 80er- und 90er-Jahren hatten wir die gleiche Zahl von Länderspielen wie heute. Früher gab es sogar während der Winterpause Reisen nach Südamerika oder Asien, auf die man aus Rücksichtnahme auf die Regeneration der Spieler und Vorbereitung der Clubs schon lange verzichtet. Insofern habe ich die Diskussion rund um das Spiel in San Marino als nicht berechtigt angesehen. Wir sollten Respekt haben vor den kleinen nationalen Verbänden und am Grundsatz Klein gegen Groß festhalten.
Stichwort Klein gegen Groß, gibt es das auch in Zukunft im DFB-Pokal?
Grindel: Die Verabredung lautet, dass wir versuchen, im Laufe des Jahres 2017 zu einer Lösung zu kommen. Sie soll zeitlichen Raum schaffen und es den Vereinen der Bundesliga ermöglichen, ihre internationalen Aktivitäten auszuweiten. Und gleichzeitig die Belange der kleinen Vereine berücksichtigen. Mich haben aus Liga-, Sponsoren- und Medienkreisen viele Ratschläge erreicht, es beim Grundsatz Klein gegen Groß zu belassen. Ich gehe davon aus, dass diese Hinweise auch die DFL einbezieht, da der bestehende Modus doch auch die Attraktivität des DFB-Pokals ausmacht.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Grindel: Dazu werden wir eine Arbeitsgruppe einsetzen. Die Ergebnisse will ich als DFB-Präsident nicht vorwegnehmen.
Es tangiert den DFB zwar nicht direkt, aber glauben Sie, dass sich die Pläne einer Superliga mit den Topclubs aus diversen Ligen bald konkretisieren?
Grindel: Nein. Ich gehe davon aus, dass mit der Strukturentscheidung in der Champions League und der Ausweitung der sicheren Teilnehmerplätze die Idee der Superliga erst mal vom Tisch ist.