Del Bosque tritt gegen Casillas nach. ManUnited-Legende poltert gegen Jungprofis. Platini verkriecht sich in seinem Ferienhaus.
Portugal und Polen drohen Uefa-Strafen
EM-Halbfinalist Portugal droht eine Strafe durch die Uefa. Wegen des Platzsturms eines portugiesischen Fans im Viertelfinale gegen Polen und des Abbrennens von Feuerwerkskörpern hat der Verband ein Disziplinarverfahren gegen die Südeuropäer eingeleitet. Das Urteil soll am 21. Juli verkündet werden. Auch gegen die im Elfmeterschießen unterlegenen Polen wird ermittelt. Deren Fans hatten bei der Partie am Mittwoch in Marseille ebenfalls Feuerwerkskörper gezündet. Zudem gab es Tumulte im Fanblock.
Island-Trikot ist Verkaufsschlager
Das Nationaltrikot der isländischen EM-Helden bleibt der Verkaufsschlager der EURO. "Die Nachfrage ist um 1800 Prozent höher als wir erwartet hatten", sagte Omar Smarason, der Pressesprecher der Wikinger, die am Sonntag (21 Uhr/ZDF) im Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich die nächste Sensation anstreben: "Das ist einerseits gut, anderseits aber natürlich schlecht für alle, die noch kein Trikot haben."
Der isländische Verband habe aber "Vertrauen" in den italienischen Ausrüster Errea, "dass jeder sein Trikot noch bekommt", sagte Smarason. Island hatte im Achtelfinale England aus dem Turnier geworfen (2:1) und ist seitdem endgültig zum Liebling der Fans aufgestiegen.
Lob für Brych trotz Elfmeterszene
Trotz der umstrittenen Elfmeterszene bei einem vermeintlichen Foul an Superstar Cristiano Ronaldo hat die deutsche Schiedsrichter-Spitze die Leistung von Felix Brych (München) im EM-Viertelfinale zwischen Portugal und Polen (5:3 im Elfmeterschießen) gelobt.
"Seine Leistung war souverän und mit großer Akzeptanz auf dem Spielfeld", sagte Lutz Michael Fröhlich, der stellvertretende Vorsitzende der DFB-Schiedsrichterkommission, dem SID. Die Szene in der 30. Minute, in der Ronaldo vom polnischen Innenverteidiger Michal Pazdan im Strafraum umgeschubst hat, wollte Fröhlich nicht abschließend bewerten.
"Der polnische Spieler ging mit seinem Einsatz gegen Ronaldo ein hohes Risiko zu einem Pfiff ein", äußerte der frühere Fifa-Unparteiische: "Die Aktion blieb aber in einem grenzwertigen Bereich. Auslegungssache. Für mich war das nicht zwingend Strafstoß." Das hatte Brych auch so gesehen. Der 40-Jährige ließ weiterlaufen.
Ob Brych nach seinen Vorstellungen in Frankreich eine Chance auf die Leitung des EM-Endspiels, ließ Fröhlich offen. Die Leistungen seines Schützlings bewertete der Berliner aber äußerst positiv: "Er hat in seinen drei Spielen bei der EM einen prima Job gemacht und den deutschen Fußball auch schiedsrichterfachlich bestens repräsentiert. Mehr kann man dazu nicht sagen."
Hier kann man ein "Huh!" für Island buzzern
Bei der EM für Island zu jubeln, gehört in diesen Tagen schon fast zum guten Ton. Vor dem Viertelfinale gegen Frankreich am Sonntag können Fans das kleinste EM-Teilnehmerland sogar per Klick anfeuern - mit dem Schlachtruf, mit dem die Nordmänner vor allem ihre Siege feiern: „Huh!“ Dazu rufen unsere Kollegen von der "Berliner Morgenpost“ online auf: „Lass deinen inneren Wikinger los und unterstütze den Underdog mit einem Huh!“ Wer auf den roten „Huh!“-Knopf klickt, hört und sieht die isländische Nationalmannschaft auf dem Bildschirm bei ihrem Ritual. Bis zum Mittag hatten schon gut eine halbe Million Menschen im Netz mit den Isländern gehuht.
Kleiner Tipp: Das funktioniert natürlich auch auf dem Smartphone - vorzugsweise beim Public Viewing während des Europameisterschafts-Spiels am Sonntagabend.
Islands Kapitän gegen Frankreich an Bord
Islands Trainer Lars Lagerbäck hat keine Sorgen wegen eines Einsatzes des angeschlagenen Kapitäns Aron Gunnarsson im Viertelfinale gegen Frankreich. „Es ist kein Problem. Alle 23 Spieler sind fit“, sagte Lagerbäck zwei Tage vor dem Duell mit dem Gastgeber in Saint-Denis.
Der defensive Mittelfeldspieler Gunnarsson hatte auf Anordnung des medizinischen Stabs wegen Rückenschmerzen am Donnerstag eine individuelle Einheit absolviert, sollte aber bereits am Freitag ins Mannschaftstraining zurückkehren. Den 27-Jährigen plagten zuletzt auch Leistenprobleme. „Ich erwarte auch, dass sich kein Spieler mehr im Training verletzt“, sagte Lagerbäck am Freitag und fügte augenzwinkernd hinzu: „Denn wenn jemand einen anderen Spieler verletzt, wird er eine höllische Zeit haben.“
Für sein Team werde es am Sonntag (21 Uhr/ZDF) besonders darauf ankommen, sich den Stil des Gegners zunutze zu machen und selbst ins Spiel zu kommen. „Die Frage ist, was wir machen, wenn wir den Ball bekommen. Frankreich hat einige wirklich offensive Positionen“, sagte Lagerbäck.
Stürmer Jon Bödvarsson erwartet dabei ein schwierigeres Spiel als im Achtelfinale gegen England (2:1). „Die Franzosen spielen mit höherem Tempo, sie haben sehr gute individuelle Spieler“, sagte der Zweitliga-Profi des 1. FC Kaiserslautern. „Das ist ein sehr großer Schritt in der isländischen Geschichte.“
Platini verkriecht sich im Ferienhaus
Der gesperrte Uefa-Präsident Michel Platini will selbst dann nicht zum EM-Finale ins Stade de France (10. Juli) kommen, wenn Frankreich das Endspiel erreicht. Stattdessen werde er die EM in seinem Ferienhaus in Cassis (bei Marseille) verfolgen. Allerdings möchte er sich beim Wahl-Kongress der Uefa am 14. September in Athen angemessen verabschieden. Dies berichten französische Medien.
Aufgrund seiner Sperre für vier Jahre seitens der Fifa-Ethikkommission gilt für Platini aber ein Berufsverbot. Ein möglicher Kompromiss, der sich andeutet: Platini erhält vor der offiziellen Eröffnung des Kongresses 15 Minuten Redezeit.
Der 61-Jährige, der seinen Geburtstag am 21. Juni mit Freunden feierte, wartet außerdem immer noch auf die schriftliche Urteilsbegründung des CAS. Vorher kann er keine juristischen Maßnahmen bei Schweizer Zivilgerichten einleiten.
Ohne Gummi-Ben siegt Reykjavík wieder
Ohne den bisherigen Co-Trainer und Kult-Reporter Gudmundur Benediktsson läuft es bei KR Reykjavík besser. Islands Fußball-Rekordmeister gewann das Hinspiel der ersten Qualifikationsrunde in der Europa League mit 2:1 gegen den FC Glenavon aus Nordirland. Damit endete in der Nacht zum Freitag eine Negativserie des KR-Teams, die zur Trennung von Trainer Bjarni Gudjonsson Eggert und Benediktsson geführt hatte.
Der TV-Kommentator des isländischen Fernsehens hat mit seinen enthusiastischen Übertragungen der Island-Spiele bei der Fußball-EM in Frankreich weltweit für Aufsehen gesorgt. An die Erfolge des Nationalteams konnten die Clubs der Nordmeer-Insel nicht ganz anknüpfen. Während KR Reykjavík siegte, verloren Breiðablik UBK (2:3 gegen JK Jelgava/Litauen) und Valur Reykjavík (1:4 gegen Brøndby IF/Dänemark) ihre Europa-League-Spiele.
Viele Portugiesen in Frankreich geboren
Etwa 1,2 Millionen Portugiesen leben in Frankreich. Daher kommt es, dass bei dieser EM gleich drei Spieler der portugiesischen Nationalmannschaft im Land des Gastgebers geboren und aufgewachsen sind. Einer von ihnen ist der künftige Dortmunder Raphael Guerreiro, die anderen beiden sind Mittelfeldspieler Adrien Silva sowie Torwart Anthony Lopes. Alle drei haben eine französische Mutter und einen portugiesischen Vater.
Guerreiro verriet der Sportzeitung „L'Equipe“ nun, dass er nicht lange überlegen musste, als es darum ging, für welches der beiden Länder er international spielen will. „Schon als ich jung war, habe ich immer mehr zu Portugal gehalten als zu Frankreich“, sagte der 22-Jährige. „Das war auch eine Entscheidung für meine Wurzeln und für meinen Vater.“
Bei Adrien Silva von Sporting Lissabon war die Sache nicht so einfach. Er zog mit seinen Eltern erst nach Portugal zurück, als er bereits elf Jahre alt war. „Zu Hause haben wir nie Portugiesisch gesprochen“, sagte er der „L'Equipe“. „Ich habe einen Sprachkurs gemacht, bevor ich nach Portugal gezogen bin. Es dauerte ein Jahr, bis ich mich dort richtig mit jemandem unterhalten konnte. Die ersten Monate waren sehr schwer.“ Das Jubeln nach dem Viertelfinalesieg über Polen nach Elfmeterschießen dürfte ihm hingegen leicht gefallen sein - egal in welcher Sprache.
Islands Präsident mit den Fans in der Kurve
Islands neugewählter Staatspräsident Gudni Johannesson wird das Viertelfinalduell seiner Nationalmannschaft gegen Frankreich am Sonntag (21 Uhr/ZDF) in St. Denis nicht auf der Ehrentribüne verfolgen, sondern in der Kurve mit den rund 10.000 Fans aus seinem Land. "Warum sollte ich im VIP-Raum sitzen und Champagner trinken?", sagte der 48-Jährige. "Nein, ich werde im Pulk mit den Fans stehen, mit meinem isländischen Nationalmannschaftstrikot am Leib. Und bei allem Respekt vor Frankreich, sie sollten uns nicht unterschätzen."
Unabhängig vom Ausgang der Partie gegen den favorisierten EM-Gastgeber will Johannesson den isländischen Nationalspielern nach ihrer Rückkehr einen großen Bahnhof bereiten: "Ob die Spieler nun nach diesem Spiel nach Hause kommen oder erst später, sie werden einen Empfang erleben, der Helden würdig ist."
Zerwürfnis zwischen del Bosque und Casillas
In der spanischen Nationalmannschaft hat es bei der EURO offenbar ein großes Zerwürfnis zwischen Cheftrainer Vicente del Bosque und dem langjährigen Torwart Iker Casillas gegeben. Dies berichtet Marca.
"Ich habe allen Spielern Nachrichten geschrieben, bis auf einen - Casillas", berichtete der Coach in einem Radio-Interview. Ganz offensichtlich war Casillas, der ehemalige Real-Madrid-Keeper, mit seiner Rolle als Nummer zwei hinter David de Gea nicht zufrieden. "Bei seinen Kameraden hat er sich gut verhalten, korrekt, aber mit dem Trainerstab mal so, mal so", sagte del Bosque dem Radiosender Cadena SER.
Die Entscheidung über seine Nummer eins habe im Prinzip seit März festgestanden, so del Bosque über Casillas. Der 35-jährige Weltmeister von 2010 und zweimalige Europameister trug sein Los, ohne in der Öffentlichkeit zu meckern. Casillas habe ihm und seinen Assistenten die Entscheidung aber nachgetragen, so Del Bosque. „Er hat mit uns geschmollt.“
Im Grunde sei der 167-malige Nationalspieler, den er seit dessen neuntem Lebensjahr kenne, jedoch „ein guter Junge“. Er hoffe, dass sich die Dinge klären ließen. Nach dem Achtelfinal-Aus hatte Del Bosque am Donnerstagabend erklärt, dass er sein Amt als Nationalcoach wie erwartet aufgebt. Der Vertrag des 65-Jährigen läuft am 31. Juli aus.
Dass Casillas noch einmal im Nationaltrikot zu sehen ist, gilt als unwahrscheinlich: Auf Twitter veröffentlichte der Keeper vom FC Porto einen Ausschnitt aus einem Rambo-Film, wo der Actionheld sagt: „Ich weiß nicht, wo ich hingehe. Aber ich gehe.“
Blaszczykowskis Frust relativiert sich
Polens Kapitän Robert Lewandowski hat Unglücksrabe Jakub Blaszczykowski nach dem verlorenen Elfmeter-Krimi im Viertelfinale gegen Portugal in Schutz genommen. "Wir haben als ganze Mannschaft verloren und nicht, weil einer einen Elfmeter verschossen hat. Das ist immer eine Lotterie im Elfmeterschießen", sagte der Angreifer des deutschen Rekordmeisters Bayern München nach dem K.o. gegen Cristiano Ronaldo und Co.
Blaszczykowski hatte im Stade Velodrom von Marseille als einziger seinen Elfmeter verschossen. Nach 90 und 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden. Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek verriet, dass Blaszczykowski in der Kabine "natürlich traurig" gewesen sei, "aber Kuba ist ein starker Mensch, er hat schon schlimmere Situationen im Leben gehabt und die immer gemeistert."
Als kleiner Junge musste Blaszczykowski mitansehen, wie sein Vater seine Mutter erstach. Da relativiert sich auch der Frust über ein Achtelfinal-Aus bei einer Fußball-EM. Zumal "Kuba" mit zwei Treffern und einer Torvorlage ein ganz starkes Turnier spielte und Polen bei der dritten EM-Teilnahme erstmals in die K.o.-Phase führte.
Dass die in regulärer Spielzeit in fünf Spielen ungeschlagenen Polen die Heimreise antreten müssen, während die Portugiesen mit fünf Unentschieden nach 90 Minuten im Halbfinale stehen, fühlte sich nicht nur für Lewandowski falsch an: "Das ist paradox." Immerhin konnte "Lewy" mit dem zweitschnellsten Treffer der EM-Geschichte nach 100 Sekunden seine Flaute von 644 torlosen Minuten im Nationaltrikot beenden.
Giggs wütet gegen "Roboter"-Profis
Manchester Uniteds Legende Ryan Giggs hat die junge Generation englischer Spieler und ihr Umfeld schwer kritisiert. Es gebe ein „generelles Problem“ mit dem Nationalteam und ihrer Kultur, „es ist diese ganze Kulturbeutel-Kultur“, sagte der walisische TV-Experte nach dem peinlichen EM-Achtelfinalaus gegen Island. „Ich wollte nicht berühmt sein, ich wollte erfolgreich sein. Spieler werden inzwischen belohnt, bevor sie etwas erreichen - sie haben nette Autos, nette Uhren. Sie sind Roboter, nur Roboter.“
Der 42-Jährige sprach sich für U21-Trainer Gareth Southgate als Nachfolger des zurückgetretenen Roy Hodgson aus. Southgate soll jedoch übereinstimmenden Medienberichten zufolge weder übergangsweise noch dauerhaft zur Verfügung stehen wollen. Unter anderen der frühere England-Coach Glenn Hoddle ist als Interimstrainer im Gespräch, Arsenals Arsène Wenger soll der bevorzugte langfristige Kandidat des Verbands FA sein.
Der ebenfalls gehandelte Alan Pardew erklärte, dass er sich zunächst auf seine Aufgabe bei Crystal Palace konzentrieren wolle. „Ich will England-Trainer werden. Es ist ein Job, den ich anstrebe. Aber nicht im Moment.“
Die FA stellt einem Bericht der „Daily Mail“ zufolge ein Team aus 60 Spezialisten zusammen, um das beste Umfeld für die Nationalmannschaft zu schaffen. Darunter sollen auch der frühere Rugby-Nationaltrainer Stuart Lancaster und Dave Brailsford, Chef des Radsport-Teams Sky sein.
Die größten Sensationen bei einer EM und WM
Sanches erneut Spieler des Spiels
Bayern-Neuzugang Renato Sanches war die Freude über den Einzug Portugals ins Halbfinale und seine starke Leistung deutlich anzumerken. "Es ist ein wundervoller Moment für mich und das Team", sagte der 18 Jahre alte Torschütze nach dem Elfmeterkrimi im Viertelfinale gegen Polen: "Das ist ein Moment, den ich genießen muss."
Sanches stand erstmals bei der EM in der Startelf seines Landes und avancierte mit seinem 1:1-Ausgleichstreffer in der 33. Minute zum jüngsten Torschützen in der K.o.-Runde einer Europameisterschaft. Und auch im Elfmeterschießen behielt er die Nerven und verwandelte sicher. "Renato hat großartig gespielt. Er ist ein großes Versprechen, er kann noch besser werden in der Zukunft", sagte auch Portugals Nationaltrainer Fernando Santos.
Trotz des Lobs und der Wahl zum Spieler des Spiels blieb Sanches bescheiden. "Das Team kommt zuerst, dann individuelle Auszeichnungen", sagte er, "aber natürlich freue ich mich." Bereits im Achtelfinale gegen Kroatien (1:0 n.V.) war Sanches zum besten Spieler der Begegnung gewählt worden.