Entscheidung erst im Elfmeterschießen. Brych verweigerte Ronaldo einen Elfmeter. Scholl schüttelt bei Portugals Spielweise den Kopf.
Cristiano Ronaldo darf nach einem Elfmeter-Krimi weiter vom ersten Titel mit Portugal träumen. Nach 120 meist zähen Minuten mit einem Blitztor von Robert Lewandoski versagten Jakub Blaszczykowski die Nerven vom Punkt. Ricardo Quaresma erzielte den entscheidenden Treffer zum 5:3 im Elfmeterschießen, die Portugiesen treffen am Mittwoch in Lyon in ihrem zweiten EM-Halbfinale nacheinander auf Wales oder Belgien.
Portugal mit Katastrophen-Bilanz
Damit zählt Portugal, ohne im bisherigen Trunierverlauf einmal nach 90 Minuten geführt zu haben, zu den besten vier Mannschaften Europas. Die Vorrunde überstanden die Iberer lediglich aufgrund der neuen Uefa-Regelung, dass auch die vier besten Gruppendritten weiterkommen. Im Achtelfinale bezwangen die Portugiesen das bessere Kroatien mit 1:0 dank eines Treffers in der 117. Minute. "Vom ersten Spieltag an bis heute schlängeln sie sich durch die EM und werden an ihrer passiven Spielweise wohl leider nichts ändern", bilanzierte ARD-Experte Mehmet Scholl.
„Das tut weh. Wir haben gegen ein Team verloren, dass bisher noch kein Spiel gewonnen hat. Das ist sehr enttäuschend“, sagte der sichtlich geknickte Lewandowski. „Davon müssen wir uns jetzt erholen.“ Bei seinem künftigen Teamkollegen war die Laune naturgemäß deutlich besser. "Wir sind überglücklich. Das haben wir gebraucht. Jetzt wartet eine große Herausforderung auf uns", sagte Renato Sanches.
Nach 120 Minuten stand es 1:1 (1:1). Lewandowski schoss Polen im ersten Viertelfinale der Euro in Frankreich zwar nach 100 Sekunden mit dem zweitschnellsten Treffer der EM-Geschichte in Führung. Dann aber brachte sein künftiger Münchner Mitspieler Renato Sanches die Portugiesen zurück ins Spiel (33.). „Es war sehr anstrengend zuzugucken“, monierte der frühere Ballkünstler Scholl.
Die Liste der schnellsten EM-Tore
Brych verweigert Ronaldo Elfmeter
Nach einer munteren ersten Halbzeit, in der Schiedsrichter Felix Brych (München) dem schwachen Ronaldo einen berechtigten Foulelfmeter verweigerte (30.), gingen beide Mannschaften vor 62.940 Zuschauern im Stade Velodrome in Marseille nicht das letzte Risiko. Vor allem die Polen bauten nach einer starken Anfangsphase, in der sie gut und gerne weitere Treffer hätten erzielen können, immer mehr ab.
Portugal hatte noch die besseren Chancen. Ronaldo vergab allerdings zweimal die vorzeitige Entscheidung. Einmal haute er in bester Position im Strafraum über den Ball (86.). Kurz darauf verstolperte er eine weitere gute Gelegenheit (92.).
Ronaldo weicht Flitzer aus
Einen kurzen Aufreger gab es in der 109. Minute, als ein Flitzer auf den Platz rannte: Ronaldo wich mit elegantem Hüftschwung aus, sechs Ordner trugen den Störenfried vom Platz.
Portugal war bei der Euro vor zwei Jahren im Elfmeterschießen am späteren Europameister Spanien gescheitert. Die beste Chance auf einen Titel mit der Nationalmannschaft hatte Ronaldo 2004 besessen – damals unterlag Portugal im Finale der Heim-EM Griechenland.
Ronaldo baute mit dem Anpfiff seinen Rekord von Einsätzen bei EM-Endrunden auf 19 aus, doch er stand im Schatten eines anderen: Renato Sanches, das Talent, für das der FC Bayern die Fixsumme von 35 Millionen an Benfica Lissabon überweist. Dreimal war er eingewechselt worden, nun wurde er mit 18 Jahren und 317 Tagen der jüngste Spieler, der jemals in der Startelf der Portugiesen stand – und nach 32 Minuten auch der drittjüngste Torschütze der EM-Geschichte. "Er ist jung, dynamisch und traut sich was – die Bayern können sich auf ihn freuen", sagte Scholl.
Ronaldo: 41. Freistoß in Folge ins Leere
Für den ersten Höhepunkt sorgte zweifellos Lewandowski. 100 Sekunden waren gespielt, da hatte er den Ball nach 644 Minuten ohne Treffer für Polen endlich im Tor untergebracht. Renato Sanches brachte die Portugiesen wieder in die Spur: Sein Linksschuss von der Strafraumgrenze wurde von Grzegorz Krychowiak noch unhaltbar für Schlussmann Lukasz Fabianski abgefälscht.
Ronaldo? Scheiterte zunächst auch mit seinem 41. direkten Freistoß nacheinander bei einem großen Turnier, hatte auch danach Pech bei seinen Abschlüssen. In der 30. Minute wurde er von Michal Pazdan im Strafraum umgeschubst, Brych ließ aber weiterlaufen – eine Fehlentscheidung des ansonsten guten deutschen Schiedsrichters. Ronaldo beschwerte sich zurecht.
Die Statistik
Polen: Fabianski/Swansea City (31 Jahre/34 Länderspiele) - Piszczek/Borussia Dortmund (31/50), Glik/FC Turin (28/46), Pazdan/Legia Warschau (28/20), Jedrzejczyk/Legia Warschau (28/23) - Krychowiak/FC Sevilla (26/39), Maczynski/Wisla Krakau (29/20) ab 98. Jodlowiec/Legia Warschau (30/48)- Blaszczykowski/AC Florenz (30/84), Grosicki/Stade Rennes (28/43) ab 82. Kapustka/KS Krakau (19/11) - Milik/Ajax Amsterdam (22/31), Lewandowski/Bayern München (27/81). - Trainer: Nawalka
Portugal: Patricio/Sporting Lissabon (28/50) - Cedric/FC Southampton (24/13), Pepe/Real Madrid (33/76), Fonte/FC Southampton (32/14), Eliseu/Benfica Lissabon (32/18) - William Carvalho/Sporting Lissabon (24/24) ab 96. Pereira/FC Porto (24/16)- Mario/Sporting Lissabon (23/16) ab 80. Quaresma/Besiktas Istanbul (32/55), Sanches/Benfica Lissabon (18/9), Adrien Silva/Sporting Lissabon (27/11) ab 74. Moutinho/AS Monaco (29/88) - Nani/Fenerbahce Istanbul (29/101), Ronaldo/Real Madrid (31/131). - Trainer: Santos
Schiedsrichter: Felix Brych (München)
Tore: 1:0 Lewandowski (2.). 1:1 Sanches (33.)
Elfmeterschießen: 0:1 Ronaldo, 1:1 Lewandowski, 1:2 Sanches, 2:2 Milik, 2:3 Moutinho, 3:3 Glik, 3:4 Nani, Rui Patricio hält gegen Jakub Blaszczykowski, 3:5 Quaresma
Zuschauer: 62.940
Gelbe Karten: Jedrzejczyk (2), Glik, Kapustka (3) - Adrien, William Carvalho (2)
Torschüsse: 14:18