Évian-les-Bains. Özil soll auch gegen Italien Elfmeter schießen. Löw lässt Schüsse vom Punkt trainieren. Hummels riskiert Kopf und Kragen.
Bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft steigt vor dem Viertelfinale bei der Europameisterschaft in Frankreich gegen Italien am Sonnabend (21 Uhr) in Bordeaux die Spannung.
Abendblatt.de Hält Sie vor dem Länderspiel-Klassiker über das Geschehen im deutschen und italienischen Lager auf dem Laufenden.
Löw will Bierhoff aus dem Weg gehen
Wenn sich am morgigen Donnerstag das legendäre Golden Goal von Oliver Bierhoff zum 20. Mal jährt, wird Bundestrainer Joachim Löw versuchen, um eine Gratulation herumzukommen. "Ich bin froh, wenn ich das nicht höre. Das erzählt Oliver oft genug", sagte der Bundestrainer zu Beginn der Woche – und er grinste breit. "An diesem Tage gehe ich ihm aus dem Weg." Das sei der Tag, "wo Oliver durch das Hotel schwebt. Wir müssen ihn immer mal ein bisschen runterholen, aber das gelingt uns ganz gut", ergänzte Torwarttrainer Andy Köpke.
Bierhoff schoss Deutschland im Finale der EM 1996 gegen Tschechien mit dem ersten Golden Goal der Geschichte zum Titel. Schon während der EM 2012 hatte er die Mannschaft bei einer Ansprache launig aufgefordert, doch bitte endlich den Titel zu holen: "Ich möchte nicht ständig über Deutschlands letzten EM-Sieg reden müssen".
Hummels springt mit "Schiss ohne Ende"
Mats Hummels feierte in Évian-les Bains eine besondere Premiere. Der baldige Bayern-Profi war am freien Tag vom Zehn-Meter-Turm in den Genfer See gesprungen. "Es war mein erster Zehnersprung“, berichtete Hummels am Mittwoch im DFB-Basisquartier ein wenig stolz und fügte lächelnd an: „Ich hatte Schiss ohne Ende. Ich wäre nicht gesprungen, wenn die Treppe zurück nicht noch furchteinflößender gewesen wäre.“
Wenn es am Sonnabend auf dem Fußballplatz gegen Italien geht, will der 27-Jährige nicht zu wagemutig sein. "Ich darf nicht so viel Risiko gehen, ich bin Verteidiger. Früher habe ich gern mit einer kleinen Portion Risiko gespielt, heute lasse ich öfter die Vorsicht walten.“
Deutschland trainiert Elfmeterschießen
Deutschland wappnet sich vor dem Duell mit Italien für alle Eventualitäten. "Wir werden uns optimal auf ein mögliches Elfmeterschießen vorbereiten", verriet Torwarttrainer Andreas Köpke am Mittwoch. "Wir haben seit 2006 kein Elfmeterschießen mehr gehabt. Und ich wäre froh, wenn wir auch diesmal keines benötigen würden", betonte Köpke weiter: "Aber wir werden dennoch alle Informationen über Schützen und Torhüter sammeln."
Im Spiel werden derweil weiterhin Thomas Müller und Mesut Özil die möglichen Schützen sein, obwohl Letzterer im Achtelfinale gegen die Slowakei (3:0) einen Strafstoß vergab. "Özil hat vorher keinen verschossen. Und Müller ist auch ein guter Schütze. Die beiden werden es unter sich ausmachen", sagte Köpke.
Nach dem 3:5 im EM-Finale 1976 gegen die Tschechoslowakei mit dem legendären Fehlschuss von Uli Hoeneß hat Deutschland alle weiteren fünf Shootouts bei großen Turnieren gewonnen. Bei den letzten vier hat kein einziger deutscher Schütze verschossen und die Torhüter immer mindestens einen Schuss gehalten.
Podolski, Özil & Co. im Türkei-Schock
Auch die deutschen Nationalspieler haben bestürzt und mit großer Anteilnahme auf die Terroranschläge in der Türkei reagiert. Man verurteile den Terrorismus und habe tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen, postete Lukas Podolski in türkischer Sprache. Der Stürmer von Galatasaray Istanbul wünschte den vielen Verletzten gute Besserung.
Auch Mesut Özil, dessen Wurzeln in der Türkei liegen, meldete sich via Twitter zu Wort und fühlte mit den Menschen in der Heimat seiner Großeltern. Wie Özil wurde auch der deutsche EM-Auswahlspieler Emre Can in Deutschland geboren, seine Familie stammt aber ebenfalls aus der Türkei
Bei einem Anschlag auf dem Atatürk-Flughafen in der türkischen Metropole Istanbul hatten drei Selbstmordattentäter am Dienstagabend mindestens 36 Menschen mit in den Tod gerissen.
Wie Podolski steht auch der vom AC Florenz ausgeliehene Mario Gomez aktuell in der türkischen Metropole unter Vertrag. Der Stürmer spielt für Besiktas Istanbul, wurde mit dem Verein Meister und Torschützenkönig.
Maas tippt selbstbewusst
Für Bundesjustizminister Heiko Maas hat der deutsche Turnierfluch bei Spielen gegen Italien am Sonnabend ein Ende. „Das wird anders sein als in der Vergangenheit. Deutschland wird 2:0 gewinnen. Damit ist auch das Thema, dass wir auf Turnieren nicht gegen Italien gewinnen können, einmal beendet“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Bei insgesamt acht Partien bei WM- oder EM-Endrunden hat es für Deutschland bislang nie einen Sieg gegen die Azzurri gegeben.
"Dann wird es mir noch leid tun um die Franzosen, auf die wir im Halbfinale treffen. Das ist immer bitter für den Gastgeber, auszuscheiden“, sagte Maas weiter. Nach Prognose des Ministers setzt sich Frankreich am Sonntag im Viertelfinale gegen das Überraschungsteam Island durch. Der Euphorie in Island tue das keinen Abbruch, „die sind jetzt schon so glücklich, und das werden sie auch bleiben, wenn sie gegen Frankreich verlieren.“
Die größten Sensationen bei einer EM und WM
Medienrechtler will Löw schützen
Der Medienrechtler Tobias Keber ist besorgt über den Trend, bei Fußballübertragungen sämtliche Bereiche im Stadion mit Kameras zu überwachen. Die Uefa müsse kontrollieren, welche Bilder nach draußen gelangen, forderte Keber am Mittwoch im Sender SWRinfo. Anlass seiner Kritik ist ein italienischer Fernsehsender, der Bilder von Joachim Löw gezeigt hatte, auf denen sich der Bundestrainer unter die Achseln sowie in die Hose fasst und anschließend die Finger zur Nase führt.
Selbst wenn klassische Medien auf solche Bilder verzichteten, gelangten sie häufig in soziale Netzwerke. Dort würden sie so oft geteilt, bis sie auch für die traditionellen Medien nicht mehr zu ignorieren seien, sagte Keber. Er empfiehlt einen Kodex für die Freigabe der "richtigen Bilder".
Der Vorgang sei aber auch eine Frage an die Gesellschaft, ob sie so eine "Vollüberwachung" wolle. Zur Wehr setze sich bereits der Trainer des FC Liverpool, Jürgen Klopp, der gesagt habe: "Also wisst ihr was, wenn ihr diese Kameras aufstellt, dann gebe ich euch halt keine Interviews mehr."
Hector soll für Italien fit werden
Die Sportliche Leitung plant mit dem an einer Grippe erkrankten Außenverteidiger Jonas Hector für das Viertelfinale. "Wir gehen nicht davon aus, dass es etwas Schlimmeres ist“, sagte Torwarttrainer Andreas Köpke am Mittwoch in Évian-les-Bains. Bis zum Spiel soll Hector wieder gesund und fit sein. Köpke versprach, dass Deutschland top vorbereitet sein werde, um erstmals bei einem Turnier Angstgegner Italien zu schlagen. „Wir sind bereit, diese Geschichte umzuschreiben.“ Torjäger Mario Gomez spürt im Team den großen Siegeswillen: „Wir glauben an uns!“
Acht bittere Duelle für DFB-Elf gegen Italien bei Turnieren
Rüdiger kann schon wieder lächeln
Antonio Rüdiger hat seine schwere Verletzung und das kurzfristige EM-Aus gut verdaut. "Tränen? Nein. Es ist bitter, aber ich habe gelächelt", sagte der Abwehrspieler vom AS Rom der "Sport Bild": "Ich habe die Verletzung sofort akzeptiert. In so einer Situation musst du deinen Mann stehen."
Mut machte dem 23-Jährigen, der sich beim ersten Training im EM-Camp in Evian einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, Joachim Löw. In einem Vier-Augen-Gespräch noch am selben Tag habe der Bundestrainer ihm gesagt: "Komm schnell wieder auf die Beine." Von den Kollegen gab es zahlreiche SMS.
Die Spiele seiner Kollegen verfolgt Rüdiger nun als Fan: "Es ist auf keinen Fall so, dass ich neidisch wäre oder es ihnen nicht gönnen würde", versichert er: "Deutschland hat das Zeug, jeden Brocken aus dem Weg zu räumen."
Ancelotti sieht keinen Favoriten
Nach Ansicht des künftigen Bayern-Trainers Carlo Ancelotti gibt es im EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Italien keinen klaren Favoriten. „Vor der EM wäre die Prognose für dieses Spiel leicht gewesen, jetzt ist sie es nicht mehr“, sagte er dem „Corriere dello Sport“ (Mittwoch). „Schon vor dem Sieg gegen Spanien hat diese Nationalelf gezeigt, wozu sie fähig ist. Für mich ist es 50:50.“
Der frühere Fußball-Nationalspieler will dann natürlich Italien die Daumen drücken. „Ich bin Italiener, habe selbst dieses Trikot getragen. Und mir gefällt der Geist dieses Teams, auch wenn es gegen Deutschland wirklich hart wird“, sagte Ancelotti. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw sei „eine außergewöhnliche Mannschaft, ohne Schwachpunkte. Es ist ein Vergnügen, sie auf dem Platz zu sehen.“
Völler vergleicht Löw mit Herberger
Vor-Vorgänger Rudi Völler sieht Joachim Löw auf Augenhöhe mit den größten Bundestrainern aller Zeiten. "Ich sehe Jogi Löw auf einer Stufe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer", sagte der Sportchef von Bayer Leverkusen der "Sport Bild".
"Sie sind die Trainer, die mit Deutschland die WM--Titel gewonnen haben. Mehr geht nicht", erläuterte er: "Wenn Jogi jetzt noch den EM-Titel oben draufsetzt, ist das umso schöner." Völler war von 2000 bis 2004 selbst DFB-Teamchef, ehe Jürgen Klinsmann mit Co-Trainer Löw übernahm. Löw wurde dann 2006 selbst Chef. Völler führte Deutschland 2002 in Südkorea und Japan ins WM-Finale gegen Brasilien (0:2).