Paris. Clemens Turpin leitet Deutschland gegen Nordirland. Die Historie lehrt: Mit dem französischen Schiedsrichter ist nicht zu spaßen.

Auf eine hitzige Schlussphase sollte es die deutsche Nationalmannschaft in ihrem abschließenden EM-Vorrundenspiel gegen Nordirland besser nicht ankommen lassen. Schließlich ist mit Clement Turpin, der am Dienstag (18 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) im Pariser Prinzenpark pfeift, in den letzten Spielminuten nicht zu spaßen. Zu was "Schiedsrichter gnadenlos" fähig ist, weiß ganz Frankreich seit rund drei Jahren.

Im März 2013 stellte der viermalige französische Referee der Jahres (2010, 2011, 2014 und 2015) beim Korsika-Derby zwischen dem SC Bastia und AC Ajaccio in den letzten zehn Minuten gleich fünf Spieler (zwei von Bastia, drei von Ajaccio) vom Platz. Das gab es noch nie - jedenfalls nicht im 21. Jahrhundert in Frankreich.

Spätestens seit dieser Partie wird der 34-Jährige, der in Oullins bei Lyon geboren wurde, in den französischen Medien als "entscheidungs- und straffreudig" beschrieben. Die Schiedsrichter-Bosse sehen dies offenbar als Lob, denn Turpin wurde schon in jungen Jahren für brisante Partien nominiert.

Jüngster Leiter eines Pokalfinales

So leitete der Unparteiische, der seit 2008 in der Ligue 1 pfeifen darf, in den Jahren 2013 und 2014 den französischen Klassiker zwischen Paris St. Germain und Olympique Marseille. Erst vor wenigen Wochen pfiff Turpin dieses Duell erneut, diesmal im Pokalfinale.

Es war nicht sein erstes Endspiel. Bereits 2011 war Turpin im Pokalfinale zwischen Paris und dem OSC Lille im Einsatz - und das zwei Tage vor seinem 29. Geburtstag. Damit war er in der langen Geschichte des Wettbewerbs der erste Schiedsrichter unter 30 Jahren, der das Endspiel pfeifen durfte. "Das ist eine Anerkennung für seine Saison-Leistung", sagte Schiedsrichter-Boss Marc Batta damals.

International hat Turpin, der bisher achtmal in der Champions League und 20 Mal in der Europa League im Einsatz war, dagegen noch nicht allzu viele Erfahrungen gesammelt. Die EM-Endrunde ist sein erstes großes Turnier. Das liegt allerdings auch daran, dass Turpin erst im Januar des vergangenen Jahres für Stéphane Lannoy in die oberste Kategorie der Fifa-Liste nachrückte.

Bislang gute deutsche Erfahrung

Zückt gerne mal 'ne Karte: Schiri Clement Turpin
Zückt gerne mal 'ne Karte: Schiri Clement Turpin © Imago/GEPA pictures

Immerhin hat der Schiedsrichter, der Frankreich in wenigen Wochen auch bei den Olympischen Spielen in Rio vertreten wird, schon einmal Bekanntschaft mit der deutschen Auswahl gemacht. Beim 2:0 in der EM-Qualifikation am 29. März 2015 in Tiflis gegen Georgien hat er - ganz gegen seine Gewohnheiten - lediglich Kapitän Bastian Schweinsteiger die Gelbe Karte gezeigt.

Etwas mehr Arbeit hatte Turpin bei seinem ersten EM-Einsatz im Gruppenspiel zwischen Österreich und Ungarn (0:2). In Bordeaux schickte er den Österreicher Aleksandar Dragovic mit der Ampelkarte vorzeitig vom Platz. Das Duell Deutschland gegen Nordirland ist nun Turpins zweiter großer Auftritt in dieser Endrunde. Beim Spiel Italien gegen Schweden (1:0) kam er immerhin als Vierter Offizieller zum Einsatz.

Özil, Boateng und Khedira droht Sperre

Ganz schlechte Erinnerungen dürfte Borussia Mönchengladbach an Turpin haben. Im Vorrundenspiel des Bundesligisten in der vergangenen Champions-League-Saison gegen Manchester City (1:2) verhängte Turpin in der Nachspielzeit einen spielentscheidenden Elfmeter gegen die Rheinländer. In den Kritiken kam der Franzose äußerst schlecht weg, der "Kicker" erteilte ihm mit der Note 6 sogar die Höchststrafe. Im aktuellen DFB-Kader ist allerdings kein Gladbacher vertreten.

Dafür dürfen sich auf deutscher Seite aber vor allem Sami Khedira, Jérôme Boateng und Mesut Özil nichts zu Schulden kommen lassen. Die mit einer Gelben Karte vorbelasteten Weltmeister sind gegen Nordirland von einer möglichen Sperre im Achtelfinale bedroht. Das Trio müsste bei einer zweiten Verwarnung im EM-Verlauf bei einem Weiterkommen eine Partie aussetzen. Die Gelben Karten verfallen nach dem Viertelfinale.