Étienne. EM-Geheimfavorit Kroatien verschenkt den Sieg gegen Tschechien. Direkt vor dem späten Ausgleich wurde das Spiel unterbrochen.
Der EM-Geheimfavorit Kroatien hat einen wichtigen Sieg verschenkt. Gegen eigentlich hoffnungslos unterlegene Tschechen spielten die Stars um Luka Modric und Ivan Rakitic nach einer 2:0-Führung nur 2:2 (1:0). Der Ausgleichstreffer der Tschechen durch Tomas Necid fiel erst in der Nachspielzeit und unmittelbar nach einer gut fünfminütigen Spielunterbrechung. Kroatische Fans hatten zuvor Knallkörper und bengalische Feuer auf das Spielfeld geworfen und sich wüste Schlägereien untereinander geliefert. Binnen weniger Minuten wurde so aus einem kroatischen Fußball-Fest ein ganz bitterer Abend für dieses lange Zeit so dominierende Team.
Die Europäische Fußball-Union (Uefa) wird am Sonnabend ein Ermittlungsverfahren im Fall Kroatien aufnehmen. Dem kroatischen Verband droht eine drakonische Strafe. "Das sind keine Fans, das sind Terroristen, das tut so weh. Die machen alles kaputt", schimpfte der kroatische Trainer Ante Cacic nach dem Spiel. Weiter führte er aus: "Das war Terror. Ich nenne diese Leute Hooligans, keine Fans, ihr Platz ist nicht im Stadion. Dassselbe ist schon gegen Italien in Mailand passiert, da gab es Nazi-Zeichen, die ruinieren alles, was wir tun. Das ist eine Schande vor den Augen ganz Europas. Wir sind sehr traurig, obwohl wir ein wunderbares Spiel abgeliefert haben."
Die Kroaten um ihre Stars Ivan Rakitic vom FC Barcelona und Luka Modric vom Champions-League-Sieger Real Madrid sahen lange wie sichere Sieger aus. Die Tschechen um ihren alternden Spielmacher Tomas Rosicky kamen in Saint-Étienne bis zum Anschlusstreffer kaum zu zählbaren Angriffen. Sie haben nun wieder eine Chance auf das Achtelfinale.
Modric und Rakitic geben den Takt vor – vergebens
Wie schon beim 1:0-Sieg gegen die Türkei beherrschten die Kroaten ihren Gegner zunächst in allen Belangen. Immer wieder angetrieben von Modric und Rakitic erarbeiteten sie sich größere Spielanteile. Das Team von Trainer Ante Cacic war klar überlegen: Mehr Ballbesitz und gewonnene Zweikämpfe, mehr Torschüsse. Dass die Tschechen in der letzten Viertelstunde noch einmal zulegen konnte, lag auch an der schlechten Chancenverwertung.
Für hässliche Bilder sorgten dann in der 86. Minute kroatische Fans, die Bengalos auf den Platz warfen – ähnliche Szenen wie schon im Spiel gegen die Türkei. Der englische Schiedsrichter Mark Clattenburg unterbrach das Spiel. Polizei marschierte vor dem Block auf, wo sich Kroaten untereinander Schlägereien lieferten. Kroatische Spieler versuchten, ihre Anhänger zur Vernunft zu bringen.
Ex-BVB-Star Perisic trifft
In der 37. Minute hatte der Ex-Wolfsburger und Ex-Dortmunder Ivan Perisic, der sich über halblinks in den Strafraum dribbelte und nach einem Übersteiger frei zum Schuss kam: Perisic versenkte den Ball unhaltbar für Petr Cech unten rechts im Tor.
Nach dem Treffer versuchten die Tschechen, sich bis zum Pausenpfiff zu wehren. Aber da war schon klar, dass es mit dem klaren Auftrag von Tschechiens Trainer Pavel Vrba nichts wird: „Eines ist sicher: Wir müssen mehr angreifen und mehr nach vorne spielen.“ Vor allem Spielmacher Tomas Rosicky, der die letzte Saison beim FC Arsenal wegen Verletzung fast komplett gefehlt hatte, spielte schwach.
Srna fuhr zur Beerdigung seines Vaters und spielte von Anfang an
Allerdings stand die Abwehr um Kroatiens Kapitän Darijo Srna insgesamt auch sicher. Srna, einer der besten im Team, spielte nur fünf Tage nach dem Tod seines Vaters und vier Tage, nachdem er bei der Beerdigung in seiner Heimat war, wieder von Anfang an.„Es war der letzte Wunsch meines Vaters, dass ich heute wieder spiele“, sagte Srna.
Als die Tschechen zu Beginn der zweiten Halbzeit versuchten, sich aus der Umklammerung zu lösen, passierte dann ein schwerer Fehler des Ex-Herthaner Roman Hubnik. Seinen Fehlpass fing Marcelo Brozovicab und spielte den Ball schnelle weiter an Rakitic, der Cech mit einem Lupfer überwand (59. Minute).
Nur einmal sah die kroatische Hintermannschaft schlecht aus, als Rosicky eine geniale Flanke auf Milan Skoda spielte und dieser Kroatiens Torhüter Danijel Subasich mit einem präzisen Kopfball erstmal im Turnier überwand (76. Minute).