Zürich. Jetzt wird’s endgültig ernst für Franz Beckenbauer. Die Ermittler der Fifa-Ethikkommission erheben Anklage gegen den 70-Jährigen.
Nach dem jüngsten Wirbel um das vermeintlich gekaufte Sommermärchen droht Franz Beckenbauer nun auch noch eine Sperre auf der internationalen Fußball-Bühne. Die Untersuchungskammer der Fifa-Ethikkommission hat nach Abschluss ihrer monatelangen Ermittlungen Anklage gegen die deutsche Fußball-Lichtgestalt erhoben. Das Verfahren sei zur rechtsprechenden Kammer weitergeleitet worden, teilte das Gremium des Fußball-Weltverbands am Mittwoch mit, ohne weitere Details zu nennen. Beckenbauer war wegen seiner Rolle bei der skandalumtosten WM-Vergabe an Russland und Katar von den Ethikhütern befragt worden.
Damit steht dem 70-Jährigen nun im Extremfall eine Sperre für alle Fußball-Aktivitäten bevor, dies würde unter anderem auch Besuche von Stadien beinhalten. Allerdings gab es auch Anzeichen für eine mildere Strafe. Wann der Richter-Spruch fällt, ist offen. Die Untersuchungen beziehen sich allem Anschein nach nicht auf die jüngsten Berichte über vermeintlich schwarze Kassen und gekaufte Stimmen bei der WM-Vergabe 2006 an Deutschland. Der Deutsche Fußball-Bund und sein Präsident Wolfgang Niersbach, der die Vorwürfe abgestritten hatte, können aber weiterhin noch ins Visier der Ethikhüter rücken.
Insgesamt ermittelt das Ethikgremium derzeit gegen mehr als neun aktuelle oder frühere hochrangige Funktionäre, darunter den gesperrten Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und Uefa-Chef Michel Platini.
Beckenbauer hatte wie alle Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees, die bei der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 im Dezember 2010 beteiligt gewesen waren, vor der Ethikkommission aussagen müssen. Er verweigerte dies zunächst und begründete dies mit Verständnisschwierigkeiten der auf „Juristen-Englisch“ formulierten Fragen. Daraufhin wurde er im Sommer 2014 provisorisch für 90 Tage für alle Fußball-Aktivitäten gesperrt.
Nach seiner danach erfolgten Aussage wurde dieser Bann aufgehoben, die Ermittlungen liefen jedoch weiter. Es sei besser gewesen, eher auf die Fifa-Fragen zu antworten, räumte Beckenbauers Management damals ein. „Ich habe die Angelegenheit unterschätzt“, wurde er zitiert. Dies habe vor allem daran gelegen, „dass mir solche umfangreichen administrativen Dinge für gewöhnlich von meinem Management abgenommen werden, das ich in diesem Fall aber nur in eingeschränktem Umfang einbeziehen durfte“.
Die Untersuchungen gegen Blatter, Weltverbands-Generalsekretär Jérôme Valcke und Platini laufen unterdessen weiter. Blatter und Platini drohen jahrelange Sperren, es wird auch angesichts der Ambitionen von Platini auf das Fifa-Präsidentenamt mit zeitnahen Urteilen gerechnet.
Die Ethikkommission bestätigte erstmals, dass auch gegen den Spanier Ángel María Villar Llona ermittelt wurde. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, den Fifa-Vizepräsidenten erwartet nun wie Beckenbauer ein Urteil.
Damit verschärft sich auch die Krise für die Uefa immer weiter. In seiner Funktion als Vize der Europäischen Fußball-Union ist Villar Llona durch die 90-Tage-Sperre gegen Platini aktuell ranghöchster Funktionär des Kontinentalverbands. Villar Llona war zudem erst am Dienstag bei der Fifa zum Vorsitzenden des WM-Organisationskomitee ernannt worden.
Nach den neuesten Enthüllungen ist insgesamt bereits die Hälfte der 22 stimmberechtigten Mitgliedern der Fifa-Regierung, die über die WM-Vergaben 2018 und 2022 entschieden hatten, direkt von Korruptionsverfahren betroffen.
Erst am Dienstag hatte das Fifa-Exekutivkomitee die Verschwiegenheitsklausel für die Ethikkommission aufgehoben. Damit durfte diese erstmals die Öffentlichkeit über ihre Untersuchungen informieren. Sowohl Chef-Untersucher Cornel Borbely als auch der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer hatten sich vehement für das Recht zur Information eingesetzt.
Um Interessenkonflikte zu vermeiden wird nicht Eckert, sondern voraussichtlich sein Stellvertreter Alan Sullivan aus Australien das Urteil über Beckenbauer fällen. Dieser hat die Möglichkeit gegen den Richterspruch vor der Fifa-Berufungskomission Einspruch einzulegen, danach kann er den Internationalen Sportgerichtshof CAS anrufen.