Beim Anhang von Borussia Dortmund kippt die Stimmung. Trainer Jürgen Klopp gibt den Zuschauern nach der vierten Heimniederlage und dem Verharren auf dem letzten Platz sogar einen Freibrief: „Alles ist legitim.“

Dortmund. Die Stimmung kippt. Selbst die treuesten Fans verweigern Borussia Dortmund mittlerweile die Gefolgschaft. Mats Hummels und Roman Weidenfeller versuchten sich nach dem 0:1 (0:0) gegen den FC Augsburg noch als Schlichter auf dem Fanzaun. Doch auch die Weltmeister konnten die aufgebrachten Gemüter am Mittwochabend nicht beruhigen. Trainer Jürgen Klopp beobachtete die Szene gemeinsam mit Ciro Immobile und Pierre-Emerick Aubameyang fassungslos schauend aus der Distanz.

Auch am Tag nach der Heimschmach sorgt das Verhalten der BVB-Profis im Anschluss an das Spiel für Diskussionen unter den Fans. Im Netz gehen dabei die Meinungen auseinander. Während die einen Weidenfeller und Hummels für den Versuch eines Dialogs loben (“andere verstecken sich während des Spiels & danach, schonen sich wohl für nen Wechsel), schießen sich andere auf den Weltmeister aus der Innenverteidigung ein.

„Und dass Kapitän Hummels erst dann zur Süd schlich, nachdem Weidenfeller vorging, fand ich ebenfalls symbolisch. Weidenfeller ist mehr BOSS“, schrieb etwa ein Dortmunder Anhänger via Twitter.

Hummels selbst kann die heftigen Reaktionen nachvollziehen. „Wenn man nach dem 19. Spieltag dort steht, wäre es eine Frechheit, kein Verständnis für die Reaktion der Fans zu haben“, sagte er noch am Mittwochabend. Und auch der mittlerweile dauerkonsternierte Klopp räumte nach der 500. Niederlage der BVB-Bundesliga-Historie ein: „Heute Abend kann man uns alles vorwerfen. Und alles ist legitim.“ Beim einst so stolzen BVB – Synonym für Spielfreude und Powerfußball – herrscht das Szenario eines Abstiegskandidaten.

Sowohl die Art des Spiels als auch die Reaktionen nach der Pleite gegen Augsburg offenbaren die Reflexe des sportlichen Niedergangs. „Die Situation ist schlechter als jede, die wir bisher miterlebt haben“, sagte Hummels. 0 Tore 2015, 1 Punkt – erst Absturz und jetzt Verharren auf den letzten Platz der Fußball-Bundesliga. Nuri Sahin konstatierte: „Die Situation fühlt sich echt scheiße an.“ Weidenfeller warnte: „Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren.“

Die nächste Aufgabe steht schon am Sonnabend an. Im Gastspiel beim Abstiegskampfmitkonkurrenten SC Freiburg soll die Wende erzwungen werden. „Das wird nochmal ein hammerhartes Spiel“, sagte Hummels. Fehlen wird gegen die auf dem 15. Rang platzierten Freiburger – der für Klopp „das Paradies“ bedeutet – wohl Kevin Großkreutz. Einen Stich im Oberschenkel verspürte der Ur-Dortmunder im Augsburg-Spiel.

Gegentor symptomatisch für die BVB-Schwäche

Symptomatisch für die BVB-Schwäche war das Gegentor durch Raul Bobadilla in der 50. Minute. Der FCA-Angreifer konnte frei einschieben, nachdem zuvor Halil Altintop mühelos gleich fünf Dortmunder düpiert hatte. Auch in Überzahl nach dem Platzverweis für Christoph Janker (64.) wegen einer Notbremse fiel Dortmund nicht mehr besonders viel ein.

„Es ist überragend und unglaublich, dass wir mit einem Mann weniger in Dortmund gewinnen. Wir können das gar nicht glauben“, sagte Torschütze Bobadilla.

„Das Team hat heute ein dickes Ausrufezeichen in Deutschland gesetzt, da jeder auf den BVB geschaut hat und einen Sieg gegen uns erwartet hat“, sagte Augsburgs Erfolgscoach Markus Weinzierl, der in dem 1:0-Erfolg ein „Wahnsinns-Ergebnis“ sah.

Letztlich fand auch Klopp trotz der eigenen Krise anerkennende Worte für die Schwaben. „Großartig, was ihr da macht. Es gibt nicht genug Worte für die Bewunderung, die ich dafür empfinde“, betonte Klopp. Zum ausgegebenen Ziel 40 Punkte fehlen dem FCA nun nur noch sieben Zähler – beim BVB sind es 24.

Typische Abstiegskampf-Phrasen

Und dabei kann sich der Champions-League-Achtelfinalist noch glücklich schätzen. Denn die in gleicher Dramatik schwächelnde Konkurrenz lässt noch alle Möglichkeiten offen. Es sind nur zwei Punkte bis zum Platz 15.

Hertha BSC präsentierte sich gegen Bayer Leverkusen (0:1) wieder schlecht präpariert für den Existenzkampf im Oberhaus. Die Zukunft von Trainer Jos Luhukay dürfte am Donnerstag auf der Tagesordnung beim Hauptstadtclub stehen. Der SC Paderborn befindet sich nach dem 0:3 gegen den Hamburger SV im freien Fall und auch der VfB Stuttgart war bei der müden Nullnummer beim 1. FC Köln in einer Form, die dem BVB Hoffnung machen kann.

Doch Dortmund muss vor allem die eigene Angst überwinden. „Wir müssen mehr Mut zeigen.“ Oder: „Wir müssen in Freiburg eine Reaktion zeigen“, sagte Klopp. „Wir müssen den Ball auch einfach mal durch die Wand dreschen“, meinte Verteidiger Neven Subotic. Und Hummels betonte: „Uns erwarten jetzt 15 Spiele Kampf, alles Spielerische ist dann Bonus.“ So klingen klassische Phrasen im Abstiegskampf.

Statistik

Dortmund: Weidenfeller - Großkreutz (60. Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer - Gündogan, Sahin - Aubameyang, Reus (72. Mchitarjan), Kampl (72. Kagawa) - Immobile. - Trainer: Klopp

Augsburg: Manninger - Verhaegh, Janker, Klavan, Feulner - Höjbjerg, Baier - Bobadilla (84. Djurdjic), Altintop, Tobias Werner (62. Caiuby) - Ji (65. Kohr). - Trainer: Weinzierl

Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)

Tore: 0:1 Bobadilla (50.)

Zuschauer: 80.667 (ausverkauft)

Beste Spieler: Hummels, Gündogan - Klavan, Baier

Rote Karte: Janker (Augsburg) nach einer Notbremse (64.)

Gelbe Karten: Tobias Werner (7)

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 15:8

Ecken: 4:1

Ballbesitz: 51:49 %