Lukas Podolski spricht offen von einem Wechsel vom FC Arsenal. Nach der letzten Titel-Party trifft die Nationalelf am Freitag auf die Fußball-Amateure aus Gibraltar. Löw ändert den Plan.
Berlin. Die dicke Sause ist nicht vorbei. Noch nicht. Während zwar für die allermeisten seiner Nationalelfkollegen nach dem Festakt beim Bundespräsidenten und der Premiere des WM-Films „Die Mannschaft“ am Montag die Feierlichkeiten rund um den Titelgewinn nun also wirklich als beendet gelten müssen, fand Lukas Podolski am Tag danach noch einen weiteren schmucken Grund für Partystimmung. 11.11. – Beginn der Karnevalssession. Und so federte der in Bergheim bei Köln aufgewachsene Angreifer auf das Podium der DFB-Pressekonferenz in den Räumlichkeiten eines Sponsors am Salzufer und grüßte: „Kölle alaaf, erst einmal.“
Podolski hat den Karnevalsbeginn natürlich nicht wirklich gefeiert. Er trug keine Perücke und keine Pappnase wie seine ehemaligen Kollegen beim 1. FC Köln im Training am Dienstag. Der in der Londoner Diaspora lebende Ex-Kölner beging die „fünfte Jahreszeit“ eher innerlich. Aber das stand trotzdem sehr schön im Kontrast zu der Gemütslage der anderen WM-Fahrer. Denn mit dem Montag, einem „schönen Tag, an dem wir noch einmal das Brasilien-Erlebnis haben aufleben lassen“, wie Teammanager Oliver Bierhoff sagte, endete für die deutsche Nationalmannschaft der Ausnahmezustand Weltmeister-Hoch, und sie befindet sich nun im steilen Sinkflug zurück in den mausgrauen, drögen Alltag, der da EM-Qualifikation heißt.
Sicher, Weltmeister bleibt man vorerst, was ja auch der am Montagabend von Fifa-Präsident Sepp Blatter überreichte Weltmeister-Aufnäher, der künftig auf dem DFB-Trikot getragen wird, beweist. Und zudem sind noch ein paar Ehrungen abzuholen. Der aktuell verletzte Mesut Özil zum Beispiel bekommt heute den Laureus Ehrenpreis für Wohltätigkeit. Der Mittefeldspieler hatte während der WM in Brasilien 23 Kindern nötige Operationen finanziert. Und dann ist da noch dieser Bambi am Donnerstag für die Mannschaft, den angenehmerweise die bereits zurückgetretenen Philipp Lahm und Miroslav Klose entgegen nehmen werden.
Denn am Freitag schon kommt der Alltag für die aktuellen Nationalspieler in einem besonders tiefen Grauton daher: In der Gruppe D der EM-Qualifikation empfängt Deutschland die Fußball-Amateure aus Gibraltar in Nürnberg (20.45 Uhr/RTL). „Das ist nicht der Gegner, der alle vom Hocker haut“, sagte Bierhoff. Das Stadion wird dennoch ausverkauft sein, und „wir hoffen die Leute mit unserer Spielweise und vielen Toren begeistern zu können“.
Podolski will nur noch weg von Arsenal
Die Partie gegen Gibraltar ist das vorletzte Länderspiel in diesem Jahr für das Team von Bundestrainer Joachim Löw. Am Dienstag reist es zum Test gegen den Europameister und ehemaligen Weltmeister Spanien nach Vigo. Und wäre alles nach Plan gelaufen nach der WM, hätten es zwei Duelle mit experimentellem Charakter werden sollen. Aber es ist nun einmal so, dass eigentlich nichts so richtig nach Plan lief seit dem Triumph von Rio beim DFB-Team. Von drei Pflichtspielen gewann Löws Mannschaft danach nur ein einziges: ein mühsames 2:1 gegen Schottland. Und weil es dazu auch noch ein überraschendes 0:2 gegen Polen und ein ärgerliches, weil spätes, 1:1 gegen Irland gab, rangiert die Nationalelf derzeit in der Tabelle der Gruppe D mit sieben Punkten nur auf dem vierten Platz.
Jene Ergebnisse haben zu einer Planänderung bei Löw geführt: „Nach den etwas verkorksten Auftritten wollen wir jetzt einen guten Jahresabschluss haben, auf Nummer sicher gehen und keine Spielereien machen“, erläuterte Bierhoff. Deshalb wurde für beide Partien kein etablierter Nationalspieler geschont, wie es eigentlich vorgesehen war. Deshalb findet sich mit dem Kölner Linksverteidiger Jonas Hector, 24, noch so einem Karnevalserprobten, nur ein einziger Neuling im Kader. Löw befindet sich nach dem Rücktritt von Lahm ja eigentlich weiterhin auf der Suche nach brauchbaren Außenverteidigern. Auf den beiden Außenpositionen weiter vorn fehlen ihm zudem André Schürrle, Julian Draxler und nun auch Marco Reus (Sprunggelenkverletzung). Nicht dabei sind weiterhin die verletzten Mats Hummels, Mesut Özil und Bastian Schweinsteiger. Dafür sind Sami Khedira und Benedikt Höwedes wieder dabei.
Löw hat aktuell nur 18 Feldspieler beisammen; ob er noch nachnominiert, wird kurzfristig entschieden. Gegen die im Hauptberuf als Feuerwehrmänner und Polizisten Tätigen aus der britischen Kronkolonie Gibraltar würde es wohl auch reichen, wenn sich der ehemalige Nationalstürmer Bierhoff die Schuhe schnürte. Aber Verteidiger Jerome Boateng sagte dennoch: „Wir bereiten uns wie auf jedes andere Spiel vor und bringen jedem Gegner gleich viel Respekt entgegen.“ Es gehe darum, „ein Ausrufezeichen zu setzen“, was aber eher für die prestigeträchtige Partie gegen Spanien gilt. Zum Jahresabschluss wolle man noch einmal wie ein Weltmeister auftreten, so Bierhoff.
Und Podolski? Der dürfte durch die Ausfälle wieder eine Option für die Startelf sein – das ist für ihn derzeit ein sehr ungewohntes Gefühl. Beim FC Arsenal sitzt der 29-Jährige aktuell nur auf der Bank und sprach am Dienstag davon, dass er im Winter über einen Wechsel nachdenken werde. Oder man verlängert die Karnevalssession: „Ich kann mich ja verkleiden und dann zum FC zurückgehen. Dann merkt es ja keiner“, sagte ein schelmisch grinsender Podolski. In Köln zumindest würde es dann eine dicke Sause geben.