Joachim Löw wird nach seinem ersten Titelgewinn mit der deutschen Nationalmannschaft wohl Bundestrainer bleiben. Weil die Perspektiven einfach zu verlockend sind.

Passiert so etwas auf dem Hinflug, würde alle Welt von einem schlechten Omen reden. Kurz bevor die Maschine abheben sollte, rammte ein Gepäckwagen das Flugzeug und verpasste ihm einen Lackschaden. Der musste kontrolliert werden, über zwei Stunden später begann letztlich die Reise. Kaum jemand störte sich aber daran, es war ja der Rückflug aus Rio de Janeiro. Und im Gepäck befand sich das Objekt, um das es in den vier Wochen zuvor ging: der Weltpokal.

Von dem hatte dann sogar jeder etwas. Helmut Sandrock, Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), reichte die Trophäe im weltmeisterlichen Gefühlsüberschwang im Flieger, in dem neben Mannschaft und Betreuerstab auch DFB-Mitarbeiter, Familienmitglieder und Journalisten saßen, herum. Danach schaute auch Lukas Podolski noch in der Economyclass vorbei und schrieb fleißig Autogramme.

DFB hat keine Zweifel

Noch bevor es auf die Berliner Fanmeile ging, war es Sandrock, der nach vorn schaute. „Wir sind total sicher. Der Präsident hat es gesagt, ich sage es auch: Wir sind total sicher, dass unser Ding noch nicht zu Ende ist“, sagte er bezüglich Bundestrainer Joachim Löw und dessen Weiterführung seines Amtes. Im „Siegerflieger“ zurück nach Berlin hätten Löw, der zukünftige Sportdirektor Hansi Flick und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff mit der DFB-Führung schon wieder locker über kommende Aufgaben gesprochen, berichtete Sandrock. Die Chefs des Weltmeister-Verbandes haben keine Zweifel, dass Löw auch zum Start in die neue Länderspielsaison die deutsche Nationalelf betreuen wird. Sein Vertrag läuft bis zur EM 2016, auch in Frankreich könnte er dann einen vierten Titel für Deutschland gewinnen. Am 3. September in Düsseldorf steht aber erst ein erneutes Treffen mit WM-Finalgegner Argentinien auf dem Programm, allerdings auf freundschaftlicher Grundlage. Vier Tage später in Dortmund beginnt die Qualifikation für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich.

Löw selbst wollte sich auf der Fanmeile trotz konkreter Nachfrage nicht festlegen. Zuvor hatte der 54-Jährige in einem Videointerview mit dfb.de dafür noch Einblicke in seine Gefühlswelt gegeben. „Diese Mannschaft hat einen Teamspirit entwickelt, wie es noch nie der Fall war, seit ich dabei bin“, sagte er. Daraus schöpfte Löw Zuversicht vor dem Endspiel gegen Argentinien: „Man hatte das Gefühl, egal was wir jetzt auch tun, diese Mannschaft verdient es sich auf dem Platz. Die ist so hungrig, die anderen fangen alles auf. Das lassen wir uns jetzt nicht nehmen.“ Selbst durch Handicaps nicht, die sich unerwartet ergeben haben. Löw berichtete, wie er von der Verletzung Sami Khediras nach der Aufwärmphase vorm Finale erfuhr. „Dann kam Hansi rein. Und das ist eigentlich ungewöhnlich: Weil er mich gerufen hat, und das macht er normalerweise nie“, erzählte Löw. „Und da wusste ich, irgendwas ist passiert, und wir müssen jetzt wieder irgendeine Entscheidung treffen. Und da hat er mir gesagt: Khedira!“ Er und sein Assistent Flick hätten sich kurz beraten und sich für Christoph Kramer entschieden, der später selbst nach einer halben Stunde mit einer Gehirnerschütterung vom Platz musste: „Dann ist der auch noch ausgefallen, das war dann irgendwie auch noch einmal eine Situation.“ Eine, die ebenso gemeistert wurde.

„Deutsche Ära“ im Weltfußball

Diese Flexibilität lässt hoffen, denn die Mannschaft ist ein junges Team. Bereits vor der Rückkehr sagte Löw: „Dieser Titel wird uns noch einmal einen Schub geben. Die Mannschaft hat gute Perspektiven. Wir haben viele junge Spieler, eine tolle Ausbildung. Es muss uns nicht bange sein.“ Und Spaß, den habe er ohnehin mit den Jungs. Das stimmt auch Franz Beckenbauer optimistisch. Er spricht zwar nicht davon, auf Jahre hinaus unschlagbar zu sein, so wie nach dem Titelgewinn 1990 mit ihm als Trainer. Aber der 68-Jährige sagt in seiner „Bild“-Kolumne: „Ich kann mir vorstellen, dass wir eine deutsche Ära im Weltfußball erleben, so wie es eine spanische gab.“

Warum auch nicht? Zunächst geht es nur darum, für den auf den Posten des Sportdirektors wechselnden Hansi Flick einen neuen Assistenten zu finden. Löw habe da „das Vorschlagsrecht“, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Als Kandidaten gelten U20-Trainer Frank Wormuth oder auch der frühere Mainzer Thomas Tuchel.

Der Konkurrenzkampf im Team dürfte derweil noch härter werden. Nur Torjäger Miroslav Klose, 36, steht vor dem Abschied. Bleiben 22 Weltmeister plus gestandene Nationalspieler wie Marco Reus, Ilkay Gündogan und Mario Gomez. Auch die Bender-Zwillinge Lars und Sven stehen hoch im Kurs. „Der Nachwuchs aus der Bundesliga ist unerschöpflich“, so Beckenbauer. Außerdem wird schon darüber nachgedacht, was noch besser zu machen ist. „Wir haben zum Beispiel Positionsprobleme. Daran müssen wir arbeiten. Da gibt es einen Optimierungsbedarf in der Ausbildung. Der Sturm ist so eine Position – oder schauen sie sich Benedikt Höwedes an. Der hat eine ganz starke WM gespielt. Aber linker Verteidiger ist nicht seine Position. Das hat er nicht gelernt. Da müssen wir ansetzen und das stärker gewichten.“

In Löws Geburtsort Schönau im Schwarzwald gibt es nun Überlegungen, eine Straße oder das Stadion nach ihm zu benennen. Zum Glücklichsein braucht er das sicher nicht. Nach seinem ersten Titelgewinn mit dem deutschen Team sagte er: „Das ist natürlich schon ein wahnsinnig gutes Gefühl. Wenn ich später einmal im Schaukelstuhl auf meiner Veranda sitze, wird man immer daran denken.“