Ex-Hamburger trifft für Kamerun zum 2:2 gegen die deutsche Nationalmannschaft, die sich für die Mission Brasilien noch deutlich steigern muss
Mönchengladbach. Ein Hauch von Sommermärchen lag in der lauwarmen Frühsommerluft, fast wie im Juni 2006, als die deutsche Nationalelf kurz vor der Heim-WM Kolumbien 3:0 besiegte und das WM-Fieber ansteigen ließ. Vor dem Borussia-Park tanzten sich Tausende bunt gekleidete Gäste-Fans in Stimmung, und auf dem Rasen sollten die Nationalmannschaften aus Deutschland und Kamerun der Vorfreude ein rassiges WM-Vorbereitungsspiel folgen lassen. Doch nach 90 Minuten und dem 2:2 (0:0) blieb die Erkenntnis: Das war alles andere als weltmeisterlich von der DFB-Auswahl.
„Bei uns hat man in einigen Momenten gemerkt, dass die Frische fehlt, die Konzentration. Wir haben viele, viele Bälle verloren“, sagte Bundestrainer Joachim Löw.
Besonders zu Beginn war erkennbar, was er von seinen Spielern sehen wollte: mit schnellem Kombinationsfußball die Kameruner Abwehr unter Druck setzen. Und fast wäre bereits nach wenigen Sekunden die 1:0-Führung geglückt, als Mesut Özil nach einer Vorlage von Sami Khedira völlig frei vor Torwart Charles Itandje auftauchte, aber vorbeizielte.
Als wenig später Per Mertesacker einen Schuss von Marco Reus knapp über das Tor zirkelte und Mario Götzes Schuss von Itandje gerade noch an den Pfosten gelenkt werden konnte (11.), zeichnete sich eine deutsche Dominanz ab, die aber genauso schnell verpuffte, wie sie gekommen war.
Da Bastian Schweinsteiger, der wie Marcel Schmelzer noch nicht einmal auf der Bank saß, Philipp Lahm und Manuel Neuer fehlten, sollte Khedira zusammen mit Toni Kroos im zentralen Mittelfeld das deutsche Spiel lenken. Aber beim Profi von Real Madrid waren die noch vorhandenen Defizite wie Schnelligkeit, Dynamik und fehlender Spielrhythmus mehr als deutlich zu sehen. Die Schaltzentrale, sie wird die größte Baustelle von Löw bleiben, wohl auch während des Turniers.
Dass Khedira und Schweinsteiger die Sorgenkinder sein würden, wusste man ja schon. Bedenken musste man allerdings auch nach dem Auftritt von Mesut Özil haben, der derzeit sein riesengroßes Potenzial kaum zur Hälfte ausschöpft. Wie schon im März beim Spiel gegen Chile wurde er vom Publikum bei seiner Auswechslung ausgepfiffen, was seiner lädierten Psyche sicher nicht helfen wird.
Am Sonntagabend reichte eine keinesfalls überragende Kameruner Mannschaft, um die hochgelobte deutsche Offensive zum Stocken zu bringen. Die Afrikaner ließen der Nationalelf kaum Räume zum Kombinieren, und selbst die schnellen Konter funktionierten noch lange nicht so, wie es sich Löw vorstellt.
Umgekehrt geriet die Defensive mehr als einmal unter Druck. Viel zu häufig kamen die Kameruner, bei denen der ehemalige HSV-Profi Eric Maxim Choupo-Moting mit vielen Szenen gefallen konnte, über die Außen zu gefährlichen Aktionen. Zweimal musste Neuer-Ersatz Roman Weidenfeller retten: erst gegen Benjamin Moukandjo (39.), dann bei Joel Matips Kopfball (41.).
Das gleiche Bild auch nach der Pause. Eine Chance durch Reus nach Müller-Vorlage (48.), dann verflachte das deutsche Spiel sofort wieder. Angesichts der Ideenlosigkeit der Gastgeber agierten die Kameruner zunehmend mutig und gingen schließlich etwas glücklich, aber nicht unverdient in Führung, als Samuel Eto’o eine kollektive Verwirrung in der deutschen Abwehr nutzte (62.). Doch nur vier Minuten später durften die Fans endlich jubeln, als Jerome Boateng flankte und Müller zum 1:1-Ausgleich einköpfte.
Ein Tor wie eine Erlösung, und nun klappte sogar einmal das Konterspiel, allerdings mithilfe des Schiedsrichters. Der eingewechselte Podolski, der beim Pass von Müller klar im Abseits stand, passte quer auf André Schürrle (ebenfalls neu im Spiel), der nur noch einzuschieben brauchte – 2:1 (71.).
Feierstimmung auf den Rängen – war das die Entscheidung? Nein! Nur sieben Minuten später wurde Choupo-Moting auf der linken Seite nicht angegriffen, so konnte der Noch-Mainzer, dessen Vertrag im Juni endet, unbedrängt abziehen – 2:2. Nein, es sollte keinen Sieg geben an diesem Abend, und er wäre auch nicht verdient gewesen. Vielleicht war es auch besser so, damit niemand behaupten konnte, dass doch alles auf gutem Wege sei.
Unterm Strich bleibt festzuhalten: Auch der letzte Test am Freitag in Mainz gegen Armenien vor dem Abflug nach Brasilien wird wenig daran ändern können, dass die Nationalmannschaft viel uneingespielter in die WM gehen wird, als dies Löw lieb ist. Zuvor wird er jedoch am heutigen Montag seinen endgültigen 23er-Kader bekannt geben. Shkrodan Mustafi, Matthias Ginter, Julian Draxler, der immer noch angeschlagene Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz: Aus diesem Kreis wird es wohl drei Nationalspieler treffen, die die Heimreise antreten müssen.